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Dieser Spion lauert praktisch überall, wenn man
auf eine Webseite kommt. Ganz oben oder ganz unten, manchmal auch
irgendwo mittendrin. Dabei braucht er sich offenkundig nicht zu
verstecken, schlägt keine Haken wie der altbekannte KGB-Spion bei Nacht
und Nebel, sondern treibt sein Unwesen bei hellem LCD-Licht. Ja,
eigentlich will er sogar, dass man ihn entdeckt, solange man nicht weiß,
was er wirklich im Schilde führt. "Gefällt mir" heißt er und lädt jeden
zum Mausklick auf seine äußere Hülle ein, die eine zweite, die
verborgene, zur Täuschung umgibt. Er schleicht sich ein in die affige
Gefallsucht der Menschen und gaukelt den Selbstverliebten auch noch vor,
Beachtung zu finden. Als werde einem wirklich einmal Gehör geschenkt mit
dem, was einem gefällt oder eben auch nicht. Facebook ist es mit dem
ominösen Gefällt-mir-Button inzwischen gelungen, Millionen von Webseiten
zu "verseuchen", und hat damit im Gegenzug Millionen neuer,
werbewirksamer Daten von überwiegend ahnungslosen Websurfern
"erschlichen". Denn, was die meisten nicht wissen: Wer zuvor schon
einmal die Webseite von Facebook besucht hat, hat sich damit auch
Facebook verkauft. Wie auch immer er dort hingelangt ist, der
Online-Krake hat ihm bei seinem Besuch einfach und unbemerkt ein "Ei"
ins eigene Nest gelegt.
Cookies nennt man die kleinen Dinger, mit denen
ein Webseitenbetreiber immer wieder erkennen kann, ob ein Rechner mit
einer bestimmten IP wieder auf eine bestimmte Seite kommt. Ohne dass es
der Besucher einer Seite merkt, wird sein Rechner mit einem Cookie,
einem kleinen Textprogramm markiert, das es sich auf seinem Rechner erst
mal bequem macht. Kommt der Besucher dann wieder, kann er von dem
Bertreiber der Webseite damit identifiziert werden. So weit so gut, aber
es kommt noch schlimmer: Die Markierung des Rechners mit einem Cookie
und alle damit gesammelten Daten werden einfach an andere Interessenten
verkauft. Diese bleiben natürlich nicht untätig und schaffen durch die
Verknüpfung mit weiteren u. U. ebenso gekauften Daten einen "Mehrwert",
indem sie ein möglichst genaues digitales Abbild der Nutzer anstreben,
das sich dann richtig zu Geld machen lässt. Auf diese Weise "verwandelt
sich der Bürger in ein durch und durch maschinenlesbares Wesen", wie
Manfred Dworschak im Spiegel vom 10.1.2011 schreibt.1
Das
besagte Facebook-Cookie ist ein Späher der übelsten Sorte im Netz. Was
ein Facebook-Mitglied im Netz treibt, entgeht ihm sowieso nicht. Aber, wer aus
guten Gründen nicht dazugehört, fällt doch auch nicht auf den ominösen
Knopf herein. Und: Wer dennoch darauf klickt, sollte wissen, was er tut,
oder? Weit gefehlt! Wer das Facebook-Cookie einmal auf dem Rechner
hat, ist in seinen Fängen. Er wird nämlich von Facebook identifiziert,
wenn er auf eine Seite im Internet gelangt, wo der unscheinbare
Gefällt-mir-Knopf irgendwo platziert ist. Zwei Jahre lang, so sagt
jedenfalls das Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein,
spioniert das Facebook-Cookie so vor sich hin, wenn man
zwischenzeitlich, was sich ja oft gar nicht vermeiden lässt, nicht
wieder einmal auf der Facebook-Seite gelandet ist.2
Und das soll alles mit rechten Dingen zugehen?
Eigentlich kann einem nur schwindelig werden, wenn man einmal ernsthaft
darüber nachdenkt. Es gibt fast unendlich viele Möglichkeiten, mit denen
heutzutage das Verhalten des einzelnen registriert und bewertet werden
kann. Allen voran mit Cookies, die das Nutzerverhalten registrieren,
dann mit Mobiltelefonen, die fortlaufend Lokalisierungsdaten erzeugen,
ganz zu schweigen vom so genannten Geomarketing, bei dem Wohn- und
Aufenthaltsorte mit allen möglichen Sekundärinformationen verknüpft
werden, "vom Durchschnittseinkommen über das Alter bis zur Kaufkraft" (Schaar
2009, S.223).
Das amerikanische "Wall Street Journal"
hat dazu einen interessanten Versuch gemacht. Ein Testcomputer musste
dazu 50 besonders populären Websites wie Yahoo, Ebay oder MSN auf
nacheinander aufsuchen. Danach hat man einfach nur gezählt und festgestellt, dass auf dem Rechner, sage und schreibe,
3.180 Spähdateien, meistens Cookies, gespeichert worden waren. Dabei
stammten, so der Spiegel weiter, zwei Drittel dieser Cookies von 131
Firmen, deren Business darin besteht, die so markierten Rechner auf
ihrem Weg durchs Internet zu verfolgen. Na wenn schon, sagen hernach nur
wenige, die mit solchen Daten konfrontiert werden. Denn spätestens dann
sollte einem klarwerden, was Dworschak so treffend beschreibt: "Was für
das Schaf die Ohrmarke, ist das Cookie für den Menschen. Es macht ihn
identifizierbar. Wer ihm über Wochen oder gar Monate hinweg auf der Spur
bleibt, erfährt immer mehr über seine Lebenslage, kann immer besser
seine Absichten vorausberechnen - stets mit dem Ziel, dem erhofften
Kunden, die aussichtsreichste Werbung zuzuspielen. Quasi als blinkendes
Pünktchen auf den Radarschirmen zahlloser Verfolger bewegt sich der
Mensch, beständig beobachtet, markiert und anderswo wiedererkannt."
Solche Ohrmarken rufen mittlerweile auch Politik und Datenschützer
verstärkt auf den Plan, aber meistens sind ihnen die Hände gebunden. Es
gibt so gut wie keine rechtliche Handhabe gegen die Späher, wenn sie
ihren Sitz außerhalb Deutschlands oder Europas haben. Hier müssen und
sollen bi- und multinationale Abkommen helfen. Wenn sie einmal
geschlossen sind, müssen sich freilich auch alle daran halten. Aber auch
das ist derzeit noch Wunschdenken: Das im Jahr 2000 zwischen der EU und
den USA geschlossene so genannte »Safe-Harbor-Abkommen
beispielsweise, das den personenbezogenen Austausch von Daten auf
eine legale Grundlage stellen soll, wird von den USA immer wieder
unterlaufen. Sie halten sich einfach nicht daran, dass es danach
amerikanischen Unternehmen im Prinzip verboten ist, in Europa gesammelte
Daten in Länder weiterzuleiten, deren Umgang mit den Daten nicht den
europäischen Normen und Standards entsprechen.
Aber mit den virtuellen Ohrmarken wird eben Geld gemacht, und zwar viel
Geld. Mit der Marke im Ohr wird jeder zu einer Handelsware mit einem von
der Genauigkeit des digitalen Abbilds abhängigem Wert, das hinter dem
Rücken des einzelnen verschachert wird. Der Daten-Deal von Facebook mit
dem Shopping-Riesen Amazon hat, wie COMPUTERBILD (10/2011) gemeldet hat,
einen handfesten Skandal verursacht. Was angeblich nur auf der US-Seite
von Amazon möglich sein soll, macht überdeutlich, was passiert, wenn sich zwei
Datenkraken paaren. Auf der Amazon-Seite in den USA findet sich nämlich
seitdem eine Schaltfläche namens "Connect with Facebook", also "mit
Facebook verknüpfen". Wer darauf klickt, öffnet sein eigenes
Facebook-Konto (sofern er eines hat). Klickt man weiter, werden von
einem kleinen Programm (App) die eigenen Profildaten an Amazon
übermittelt und dazu noch die entsprechenden Daten aller
Facebook-Freunde. Diese werden, versteht sich, darüber nicht informiert.
Denn u. Umständen würden sie sich gar von ihrem Freund bei Facebook
schnöde verraten fühlen, wenn dieser Amazon zu Daten wie Name,
Geburtsdatum, Wohnort, Fotos, Hobbies, Lieblingsfilme und -bücher usw.
Tür und Tor geöffnet hat. Und das wäre dann der Anfang vom Ende des
sozialen Netzwerkes. Vielleicht wäre das auch ein guter Anfang. Was im
realen Leben nämlich wirklich wehtut und oft zu Tränen rührt: Freunde zu
verlieren, ist in der digitalen Welt nur eine Frage eines oder einer
Reihe von Mausklicks. Und das geht auch bei Facebook. "We do not trust
you anymore, Mr. Zuckerberg! Your dumb fucks"3
- Geben wir unsere virtuellen Ohrmarken einfach zurück. Schön wär's.
Gert Egle,
www.teachsam.de, 4.10.2011
1 Dworschak,
Manfred: Im Netz der Späher, in: Der Spiegel 2(2011) v. 10.1.11
2 vgl. Eber, Johannes: "Gefällt mir"
gefällt nicht, in: Südkurier v. 1.10.11
3 Diese Aussage lehnt sich an eine
Äußerung des Gründers und Hauptinhabers von Facebook Mark Zuckerberg an,
"der in der Anfangsphase von Facebook einmal einem Kommilitonen Daten
von Mitstudenten angeboten hat und auf die erstaunte Nachfrage, wo er
die denn her hätte, antwortete: They trust me, dumb fucks." (Sie
vertrauen mir, die dummen Idioten.") Heute tut er diesen Spruch als
Jugendsünde ab. Dennoch trägt dies nicht dazu bei, Facebook vertrauen zu
können." (Görig
2011, S.155)
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