Wer
heutzutage mit dem Begriff "Familie" auf gängigen Portalen, z. B.
www.aphorismen.de, im Internet
auf die Suche macht, die sich dem Sammeln von Sprichwörtern, Redensarten,
Aphorismen oder Zitaten mehr oder weniger berühmter Persönlichkeiten aus
Geschichte und Gegenwart widmen, erhält oft eine Vielzahl von Treffern.
Betrachtet man ihre Auflistung näher und liest die entsprechenden Einträge
ohne zeitliche Filter, die manchmal angeboten werden, gerät man in einen
Strudel von Meinungen, Urteilen und Statements, die - wahrscheinlich
auch, weil sie aus ihrem Zusammenhang gerissen sind - individuelle,
kulturelle, politische und gesellschaftliche Perspektiven auf ein soziales
Gebilde eröffnen, die unterschiedlich kaum sein könnten. Stellvertretend
dafür zwei Beispiele:
-
"Die Familie ist die älteste
aller Gemeinschaften und die einzige natürliche." (Jean-Jacques Rousseau
(1712 - 1778), franz- Philosoph der Aufklärung)
-
"Ein Mann sagte einmal zu
Ibrahim ibn Adham: 'Glücklich bist du, der du unverheiratet bist und
dich ganz dem Dienste Gottes widmen kannst.' Aber Ibrahim antwortete:
'Die Unruhe und Sorge, die du für deine Familie hegst, ist besser als
all meine Frömmigkeitsübungen.' (Abu Hamid al-Ghazâlî, (1058 - 1112),
persischer Theologe des Islam)
-
"Auf dem ist kein Segen, der
schlecht von seiner Familie spricht." (Jüdisches Sprichwort)
Der Alltagsbegriff, wie er heute verwendet wird,
hat also verschiedene Facetten und wer danach fragt, was eine "richtige"
Familie ausmacht, erhält darauf in einer pluralistischen Gesellschaft, je nach religiöser Überzeugung, kultureller Herkunft und
gemachten individuellen Erfahrungen unterschiedliche Antworten.(→Clustering). Und dabei sind die vielfältigen Assoziationen und
Konnotationen, die sich mit dem Begriff verbinden, auch ein Zeichen dafür,
dass Familie zwar für die meisten Menschen "eine unverrückbare Konstante im
menschlichen Zusammenleben" darstellt, zugleich aber auch sehr
unterschiedlich gelebt wird, und zwar in unserer Gesellschaft wie natürlich
erst recht im kulturellen Vergleich.
Und auch ein Blick in die
abendländische Geschichte der Familie zeigt, dass das, was man zu den
verschiedenen Zeiten zur Familie zählte und damit unter Familie bzw.
Verwandtschaft verstand, einem großen Wandel unterworfen war. (vgl.
Gestrich/Krause/Mitterauer 2003) Angesicht der heutigen Vielfalt von
Lebensformen, in den Eltern oder Alleinerziehende mit Kindern zusammenleben,
scheint es allerdings angebracht zu sagen, dass "Familie (...) überall
dort (ist), wo Kinder sind" (Schneider
2012, zit. n.
Kersten 2012, S.375) Dieser natürlich weitgespannte Begriffsumfang ist
wohl auch der, dem man im schulischen Bildungszusammenhang den Vorzug
gegenüber engeren Familienbegriffen geben sollte. Das bedeutet natürlich
auch, dass in die Vielfalt familialer Erscheinungsformen mit Hilfe einer
Binnendifferenzierung eine typologische und begriffliche Ordnung gebracht
werden kann.
Generell gesehen steht die Familie bei Jugendlichen von heute hoch im Kurs.
Dies bestätigt die »Shell-Jugendstudie
2015 erneut. In ihr sieht sich die große Mehrheit der Jugendlichen
geborgen. Se gibt ihnen offenbar den Rückhalt, den sie sich beim
Hineinwachsen in Erwachsenenwelt wünschen. Auf der anderen Seite, dies wird
auch von der Studie bestätigt, nimmt der Wunsch, eigene Kinder in die Welt zu
setzen, weiter ab. Während 2010 noch 69% der befragten Jugendlichen
erklärten, dass sie später einmal eigene Kinder haben wollen, sind des 2015
noch 64%. Dabei wollen, differenziert man das Ergebnis nach den
Einkommensverhältnissen, nur noch um die 50% der Jugendlichen aus
sozial schwächeren Familien Kinder haben, während es sich drei Viertel der
aus gut situierten Verhältnissen stammenden Jugendlichen vorstellen können,
sich später einmal Kinder zu "leisten".
Die Bundesrepublik Deutschland hat mit Art. 6 des Grundgesetzes und mit den
darauf aufbauenden Gesetzen zu Ehe und Familie, eine
bestimmte Vorstellung von Familie. Sie betrachtet sie als rechtliches Gebilde,
welchem die Vorstellung der verweltlichten, bürgerlichen Ehe zugrunde liegt.
(vgl.
Pieroth/Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, 2004, S,161). Dabei wird
die Familie aufgefasst als "das Beziehungsverhältnis zwischen
Eltern und Kindern, seien die Eltern miteinander verheiratet und die
Kinder homolog1 oder heterolog2 gezeugt, minder oder
volljährig, aus Ein- oder Mehrehe hervorgegangen, Adoptiv-, Stief- oder
Pflegekinder."
Allerdings reicht der natürliche Zusammenhang nicht aus. Zwar
muss eine Familie nicht in einer Hausgemeinschaft miteinander leben, aber "das
Kind und sein Vater, der mit seiner Mutter nicht verheiratet ist, fallen
unter den Familienbegriff des Art. 6 Abs, 1 nur, wenn die Vaterschaft von
ihm anerkannt oder gerichtlich festgestellt wurde (rechtliche
Vaterschaft) oder wenn er als zwar leiblicher, nicht aber rechtlicher
Vater (biologische Vaterschaft)
zumindest eine Zeit lang tatsächlich Verantwortung für das Kind getragen
hat." (Pieroth/Schlink,
Grundrechte, Staatsrecht II, 2004, S,162f.)
Die verschiedenen Wissenschaften, die sich mit der Familie befassen, gehen
bei der Definition dessen, was als Familie zu gelten hat, nach ihrer eigenen
Systematik vor. Aber auch innerhalb ein und derselben Wissenschaft gibt es
oft keinen verbindlichen Familienbegriff, der sich dafür eignet, die
Familie von anderen Lebensformen zu unterscheiden.
Die
Familiensoziologie definiert den Begriff "Familie" z. B. mit folgenden Elementen:"
-
eine auf Dauer
angelegte Verbindung von Mann und Frau
-
mit gemeinsamer
Haushaltsführung und
-
mindestens einem
eigenen (oder adoptierten) Kind
(Hill/Kopp
2002, S.13)
Eine Familie, die
diesen Merkmalen genau entspricht, wird als
Kernfamilie oder Nuklearfamilie (nuclear
family) bezeichnet. Manchmal wird dafür auch der Begriff der
Gattenfamilie (conjugal
family) verwendet. (vgl.
ebd., S.16)
Diese klassischen Merkmale des Familienbegriffs ziehen natürlich nach sich,
dass etliche moderne Lebensformen der Industriegesellschaft nicht unter
diesen Begriff fallen. Zu denken ist dabei an Paare ohne Kinder, Singles,
Alleinerziehende oder gleichgeschlechtliche Partnerschaften und
Regenbogenfamilien.
Die meisten Menschen gehören in ihrem Leben (mindestens) zwei Familien an:
Da Familien in der gesellschaftlichen Praxis aber auch
häufig in größere Einheiten eingebettet sind, die eine gemeinsame
Haushaltsführung aufweisen (z. B. Verwandte, die zum Haushalt gehören),
spricht man in solchen Fällen von
erweiterter Familie (extended family).
Dabei kann man mindestens die
Dreigenerationenfamilie (three
generation family) und die Großfamilie
(joint family) unterscheiden.
-
In der
Dreigenerationenfamilie leben die Kernfamilie und die Eltern eines der
beiden Ehepartner in einer gemeinsamen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft.
-
In einer Großfamlie (joint family) wird von zwei Brüdern und ihren
jeweiligen Kernfamilien (nach dem Tod des Vaters) eine Haushaltseinheit gebildet. Das Attribut groß bedeutet dabei also keine besonders hohe Anzahl
von Familienmitgliedern, sondern bezieht sich darauf, dass die
verwandtschaftliche Struktur des Zusammenlebens im Vergleich zur
Kernfamilie, die mitunter ebenso in die Irre
führend als Kleinfamilie bezeichnet wird,
erweitert wird.
In den Industriegesellschaften stellt die
Monogamie (Einzelehe) das vorherrschende Muster
der Familienbildung dar, Bigamie oder
Polygamie (Vielweiberei/Polygeni oder
Vielmännerei/Polyandrie) steht sogar unter Strafe.
Allerdings ist das monogame Familienbildungsmuster, wie es bei uns üblich
ist, wenn man alle in der Anthropologie bekannten Gesellschaften zum
Vergleich heranzieht, in der Minderheit. Ihr Anteil wird je nach
Datengrundlage auf weniger als 20% aller Gesellschaften geschätzt.
Allerdings sind auch in polygamen Gesellschaften aus demografischen Gründen
die meisten Ehen ebenfalls monogam. (vgl.
ebd., S.15)
Die Familie und ihre Entwicklung stehen heute im Zentrum vielfältiger
Diskussionen. Dabei werden immer wieder Stimmen laut, die angesichts einer
vergleichsweise geringen Heiratsneigung, konstant niedriger Geburtenraten,
der Vielfalt moderner Lebensformen und der hohen Scheidungszahlen von einem
Zerfall der Familie sprechen. Dessen ungeachtet ist die Familie aber noch
für sehr viele Menschen ein Leitbild ihrer individuellen Lebensführung und
Lebensplanung. Dabei taugt der Blick in die angeblich "gute alte"
agrarisch-vorindustrielle Welt wenig, denn das dabei "häufig unterstellte
Bild der intakten, idyllischen Familienwelt" stellt sich bei genauerem
Hinsehen "eher als eine historische Schimäre als ein realitätsgetreues
Abbild des familialen Lebens" heraus. (Hill/Kopp
2002, S.48f.) Auch wenn vieles von dem, was heute als Indikator für den
Funktions- und Bedeutungsverlust der Familie herhalten muss, also keineswegs
neu ist, können in der Gegenwart auch langfristige Veränderungen beobachtet
werden, die mit dem demografischen Wandel zusammenhängen, der sich auf
Familienstrukturen und Familienleben in einer bisher nicht bekannten Art
auswirkt. (vgl.
ebd., S.49)
Anmerkungen:
1 Als homologe Zeugung wird die natürliche oder
künstliche Befruchtung mit den Spermien des Ehepartners oder Partners einer
festen, auf Dauer angelegten Partnerschaft bezeichnet.
2 Als heterologe Zeugung (auch Samenspende
genannt) wird die (künstliche) Befruchtung durch eine Fremdspende
bezeichnet. Wenn die Fremdspende anonymisiert erfolgt, kann das dadurch
gezeugte Kind gemäß § 1592 Nr. 1 BGB legitimes Kind des Ehemannes oder
Partners der Mutter werden, der die Vaterschaft anerkannt hat. Das Kind kann
jedoch seine Ehelichkeit nach § 1600, § 1600d BGB aber innerhalb einer Frist
von 2 Jahren ab dem 18. Lebensjahr oder ab Kenntnis von seiner Zeugung durch
eine Samenspende anfechten. Hat der Ehemann der Patientin in die heterologe
Zeugung eingewilligt, ist er nicht anfechtungsberechtigt; auch die Mutter
ist es nicht. (Quelle:
Wikipedia.de, 2.1.2016)
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Gert Egle. zuletzt bearbeitet am:
17.11.2019