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Auf deutschem Boden gab es im Laufe der Geschichte eine ganze Menge
unterschiedlicher staatsrechtlicher Strukturen, "die zwischen dem Zug
zum Zentralismus und der Zersplitterung in kleine Staatsgebiete und
dementsprechend in der staatlichen Organisation vielfach gewechselt
haben." (Model/Creifelds
15. Aufl. 1976, S.17) Über viele Jahrhunderte war das, was den Staat
nach unserem modernen Verständnis ausmacht, aber völlig anders
strukturiert. Nicht das Staatsgebiet war nämlich seine Grundlage,
sondern die Beziehung von Herrschaftsinhabern auf unterschiedlichen
Ebenen zueinander. Daher spricht man in diesem Zusammenhang auch von
einem sogenannten »Personenverbandsstaat,
bei dem sich die ganze staatliche Gewalt bzw. Herrschaft darauf gründet,
dass ein gegenseitiges, auf Treue beruhendes, persönliches
Abhängigkeitsverhältnis zwischen demjenigen, der die Herrschaft ausübt,
und demjenigen, der ihr unterworfen ist, besteht. Für uns moderne
Staatsbürger kaum vorstellbar, dass wir nur deshalb zu einem Staat
gehören, weil wir in über zahlreiche gleichartige persönliche
Treubeziehungen von unten bis ganz nach oben mit den Inhabern der
obersten staatlichen Gewalt persönlich verbunden sind. In unserem
modernen institutionalisierten Flächenstaat, der auf dem Territorium
gründet, gehören wir, vereinfacht gesagt, deshalb zum Staatsvolk und
sind seinen Anordnungen unterworfen, weil wir auf seinem Staatsgebiet
geboren wurden.
Der Föderalismus in Deutschland, wie er sich auch immer in den
unterschiedlichen staatlichen Gebilden auf deutschem Boden zeigte,
basiert aber im Gegensatz zur Schweiz, Kanada oder Belgien weder
auf ethnischen, noch geografischen Elementen, sondern auf der Geschichte.
Von der germanischen Völkerschaft zum Heiligen Römischen Reich
Deutscher Nation
Am Anfang der staats- und verfassungsrechtlichen Entwicklung im
deutschen Raum steht die
germanische Völkerschaft, ein auf personalen Beziehungen ruhende
Stammesstruktur, deren Zusammengehörigkeit nicht auf dem Vorhandensein
eines bestimmten Staatsgebiets als territoriale Grundlage beruhte. Erst
die Sesshaftigkeit der Stämme gab dem Personenverband das eigentliche
Staatsgebiet. Der germanische Staatsverband, die Völkerschaft, erwuchs
aus der Sippe, dem Familienverband, der sich auf einen Stammvater
zurückführte. Nur das, was die Sippe selbst nicht regeln konnte und was
damit Gemeinschaftsaufgabe aller Sippen war, wurde dem Staat übertragen
(z. B. Rechtspflege = Gerichtsbann und Kriegführung = Heerbann) Die germanischen Stämme wiesen zwar
meistens
Untergliederungen wie z. B. Gaue oder
Hundertschaften auf, Recht und Gesetz
lagen indessen beim Volk, das aufgrund seiner überschaubaren Anzahl von
Mitgliedern in Volksversammlungen (Things) Entscheidungen treffen
konnte, die die den ganzen Stamm betrafen. Das Thing ist damit Träger
der Staatsgewalt. Es entscheidet über alle wichtigen Fragen. (vgl. (vgl.
Eckhardt/ v. Rosen - v. Hoewel 1949/1971, S.9ff.) Der Stammesfürst, der
vom Thing gewählt wurde, aber auch abgesetzt
werden konnte, saß der Volksversammlung vor und konnte, gemeinsam mit
seinem Fürstenrat, weniger wichtige Entscheidungen fällen. Im
Zuge der Völkerwanderung entstand das
erbliche Königtum, das auf einer stärker durchorganisierten
Verwaltung beruhte. Neben dem Königtum wurde das Herzogtum, das anfangs
nur für die Zeit eines Krieges eingeführt, später aber zu einer
Dauereinrichtung wurde, das politische Machtzentrum, das die in
komplexen persönlichen Treueverhältnissen zueinander stehenden
Gefolgsleute (Vasallen) so zusammenhielt, dass daraus bedeutende
germanische Reichsgründungen entstehen konnten, wie z. B. fränkische
Reich, das von den »Merowingern unter
»Chlodwig (481-511) begründet worden
ist. Da die Vasallen für ihre Dienste gegenüber ihrem König mit
Herrschaft über Land und unfreie Leute, mit so genannten
Lehen (feudum),
entlohnt wurden, spricht man oft auch von einem Feudal- bzw.
Lehnsstaat.
Der König war darin oberster Lehnsgeber, der seine direkt unter ihm in
der Lehnspyramide stehenden Kronvasallen (Fürsten , Herzöge) mit der
Herrschaft über größere Personenverbände belehnte. Im Gegenzug mussten
diese ihm die Treue schwören und Kriegsdienste oder andere Königsdienste
leisten. Man hat den fränkischen Staat auch als Königsstaat bezeichnet,
weil die Wahl und die Erblichkeit bestimmend für die Übertragung der
Königswürde gewesen ist. (vgl.
ebd., S.17)
Das
»Frankenreich Karls d. Großen (768-814), in dem noch alle
deutschen Stämme in einem Großreich vereinigt gewesen waren, zerfiel
unter dessen Nachfolgern und nach mehreren Reichsteilungen gingen aus den
843 gegründeten »Westfränkischen und
»Ostfränkischen Reichen Frankreich
und das Deutsche Reich hervor, während Italien und Burgund
unabhängig wurden. Auf dem Gebiet des Ostfränkischen Reiches wurde nach
dem Aussterben der
»ostfränkischen »Karolingerkönige der Frankenherzog
»Konrad I. (911-919) zum König gewählt, aber erst sein Sohn, der
»Sachsenherzog »Heinrich I. (919-936)
konnte sich wieder als oberster Lehnsherr durchsetzen. Sein Sohn
»Otto I. (d. Große, 936-979)
vergrößerte das Reich im Osten und festigte es im Innern. Im Jahr 962
erlangte er die »römische Kaiserkrone. Dafür garantierte er dem
Papst den Bestand des Kirchenstaats. Damit wurde das
→Heilige Römische Reich
Deutscher Nation begründet, das von 962 bis 1806 staatsrechtlich
existierte, allerdings in diesen Zeiten eine ganz unterschiedliche
politische Bedeutung besaß. Als es 1806 aufgelöst wurde, war es
jedenfalls nur noch ein Torso, der sich politisch völlig überlebt hatte.
Schon in den Wirren der Religionskriege hatten nämlich
Landesfürsten sich aus der
Lehnsbindung an Kaiser und König befreit und die volle Herrschaft über
ihr Staatsgebiet gewonnen. Diese Territorialisierung des bis dahin noch
immer im wesentlichen auf einem Lehnsverhältnis beruhenden Reiches
besiegelte das Ende des Feudalstaates. Nach dem
»Westfälischen Frieden
von 1648 löste sich das Heilige Römische Reich de facto auf,
zergliederte sich in fast 1300 Fürstentümer und Herrschaften,
auch wenn es formell noch bis 1806 mit einem kaiserlichen Oberhaupt und
einigen zur Bedeutungslosigkeit verurteilten Reichsinstitutionen weiter
existierte. Die Herrschaft der neuen Landesherren ging im Prozess der so
genannten »Territorialisierung
sogar so weit, dass sie
sogar das Recht erlangten, mit ausländischen Mächten Bündnisse
abzuschließen. Im Innern ihrer Territorien erlangten die Landesfürsten
oft die absolute Macht, die sie von
Gott ableiteten und der Mitwirkung der »Stände bei politischen
Entscheidung einen Riegel vorschob.
Vom Deutschen Bund zum Deutschen Reich
Nach der Herrschaft »Napoleons
I. (1769-1821) über Europa gründeten 35 Fürsten und 4 Reichsstädte
auf dem »Wiener
Kongress (1814/15) den »Deutschen
Bund, der "nur ein, nach außen und innen machtloser,
völkerrechtlicher
Staatenbund"
war. (Model/Creifelds
15. Aufl. 1976, S.25) Er bestand von 1815 bis 1866. Unter dem
Vorsitz Österreichs tagte der Bundestag, der eine Konferenz von
Gesandten der Mitgliedstaaten darstellte, in Frankfurt a. M. Der
machtpolitische Gegensatz zwischen Österreich und Preußen nahm indessen
zu und führte nach dem
»österreichisch-preußischen
Krieg 1866 zum Austritt Österreichs aus dem Deutschen Bund. Unter
preußischer Führung schlossen sich daraufhin per Vertrag der König von
Preußen,18 norddeutsche Staaten und die drei Hansestädte Hamburg, Bremen
und Lübeck zum »Norddeutschen
Bund
(1866-1870) zusammen. Mit der Annahme der Verfassung des Bundes
durch den zu diesem Zweck in allgemeiner, gleicher, direkter und
geheimer Wahl gewählten Reichstag wurde der Norddeutsche Bund ein
Bundesstaat mit konstitutioneller Grundlage. Außer dem Reichstag
waren der Bundesrat und das Bundespräsidium, das der preußische König
innehatte, die wichtigen Bundesorgane. Nach dem »deutsch-französischen
Krieg im Jahre 1870/71 schlossen sich die süddeutschen Staaten dem
Norddeutschen Bund an.
Am 18.1.1871 nahm der preußische König »Wilhelm
I. (1797-1888) im »Spiegelsaal
von Versailles den Titel eines
Deutschen Kaisers an und begründete damit das
Deutsche Reich, das von 1871 bis zum Ende des »Ersten
Weltkriegs 1918 bestand. Das Deutsche Kaiserreich, dessen →Verfassung
am 16.4.1871 in Kraft trat, war ein →Bundesstaat,
der auf einem Vertrag zwischen den 22 deutschen Fürsten und den 3
Hansestädten beruhte. Zu seinem Staatsgebiet gehörte ferner »Elsass-Lothringen.
Die Bundesstaaten des Deutschen Reichs "waren nicht nur
Verwaltungsbezirke, sondern hatten das Recht der Gesetzgebung; jedoch
ging das Reichsrecht auf den dem Reich vorbehaltenen Gebieten (insbes.
Auswärtiger Dienst, Reichspost, Reichsmarine) dem Landesrecht vor. Das
Heer war grundsätzlich Sache der Bundesstaaten. Die direkten
Steuern wurden von den Ländern erhoben, während das Reich auf die
indirekten Steuern und die Zölle angewiesen war und von den
Bundesstaaten sog. Matrikularbeiträge
erhielt ('Kostgänger der Länder'). Bayern und Württemberg
genossen Reservatrechte (z.B. Post)." (ebd.,
S.27)

(Quelle: Wikipedia: By ziegelbrenner [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html),
CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/) or
CC-BY-SA-2.5-2.0-1.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5-2.0-1.0)],
via Wikimedia Commons)
Das Deutsche Reich in der Zeit der Weimarer Republik
In der →Weimarer
Republik (1919-1933), dessen
→Verfassung am 14.8.1919 in Kraft trat, war das Deutsche Reich ein →Bundesstaat,
in dem die staatlichen Funktionen zwischen Reich und Ländern aufgeteilt
war. Insgesamt gab es 17 deutsche Länder bzw. Städte. Im Deutschen
Kaiserreich hatte es noch 22 Staaten und 3 freie Städte gegeben. Die
Reduzierung war dabei darauf zurückzuführen, dass sich die 8
verschiedenen
thüringischen Staaten im Jahr 1920 zum Land »Thüringen
zusammentaten (»Sachsen-Weimar-Eisenach,
»Sachsen-Gotha,
»Sachsen-Meiningen,
»Sachsen-Altenburg,
»Schwarzburg-Rudolstadt,
»Schwarzburg-Sondershausen
und den »Volksstaat
Reuß) Der »Freistaat
Coburg schloss sich Bayern an. Darüber hinaus wurde »Waldeck
mit Preußen vereinigt. Im Vergleich zur Verfassung von 1871 hatten die
Länder allerdings nicht mehr das gleiche Gewicht. So wurde wegen des
erhöhten Finanzbedarfs des Bundes eine Reichfinanzverwaltung geschaffen,
die ab 1919 neben den indirekten auch die direkten Steuern (z.B.
Einkommens-, Körperschafts- und Vermögenssteuer) und die neu eingeführte
Umsatzsteuer erhob. Auch das Heerwesen oblag fortan allein dem Reich.
Und auch die Bedeutung des Reichsrates als Vertretung der Länder
war deutlich geringer als die des Bundesrates im Kaiserreich, der
seinerzeit noch unter eindeutiger preußischer Vorherrschaft gestanden
hatte. Fortan konnte das ihm eingeräumte Vetorecht bei Gesetzen, die der
Reichstag verabschiedet hatte, vom Reichstag mit einer 2/3-Mehrheit
überstimmt oder sogar durch einen Volksentscheid durchkreuzt
werden. Trotz der deutlichen geminderten Bedeutung der Länder bei der
Gesetzgebung, blieben sie weiterhin Träger der Verwaltung und hielten
die Polizeigewalt inne. Allerdings konnte der Reichspräsident mit
Notverordnungen gemäß →§48
der Weimarer Reichsverfassung direkt in die Länder hineinregieren.
Die nationalsozialistische Diktatur
Unter der →nationalsozialistischen
Diktatur (1933-1945) wurde im Zuge der »Gleichschaltung
von Staat und Gesellschaft auch das Verhältnis zwischen Reich und
Ländern vollkommen umgestaltet. Zur Gleichschaltung der Länder, bei der
die Länderparlamente zunächst aufgelöst und unter Zugrundlegung des »Reichstagswahlergebnisses
vom 5. März 1933 neu zusammengesetzt wurden, wurden »Reichsstatthalter
eingesetzt, welche die Liquidierung des föderativen Systems im Reich
"im Sinne eines zentralistischen Unitarismus" (Model/Creifelds
15. Aufl. 1976, S.35) umsetzten. Als Reichsorgane hatten die neuen
Länderregierungen das Recht, unter Ausschaltung der Länderparlamente
Gesetze zu verabschieden. 1934 verloren die Länder ihre
Eigenstaatlichkeit völlig und wurden in Verwaltungsbezirke des Reiches
umgewandelt. Dabei wurden die Landesparlamente ersatzlos beseitigt und
die den Ländern zustehenden Hoheitsrechte auf das Reich übertragen. Per
Gesetz wurde der Reichsrat aufgehoben. Für Preußen freilich gab es eine
Sonderregelung. Es wurde durch verschiedene Maßnahmen zur "Hausmacht des
Reiches' umgestaltet", insbesondere durch die Übertragung der Befugnisse
des Reichsstatthalters auf den Reichskanzler und die fast durchgehende
Verbindung der preußischen Ministerien mit den Zentralinstanzen des
Reiches. (vgl.
Eckhardt/ v. Rosen - v. Hoewel 1949/1971, S.160). Da die Strukturen
des nationalsozialistischen Regimes sehr komplex angelegt waren, das
Modell des reinen "Führerstaates" die NS-Wirklichkeit kaum abbildet,
kann auch die folgende Auflistung der Gliederung des "»Großdeutschen
Reiches" am Ende die "außerordentlich buntscheckig"
(ebd., S.164) angelegten Organisationsformen in den
Landesverwaltungen und Reichsgauen nur unzureichend wiedergeben, wie die
jeweiligen Organisationsformen ineinander gegriffen haben oder nicht.
Neben den anderen von Nazi-Deutschland eroberten und annektierten
Gebieten (»Protektorat
Böhmen und Mähren, »Generalgouvernement,
»Eupen,
»Malmedy, »Elsass,
»Lothringen,
»Luxemburg
etc.) gliederte es sich zuletzt in 14 Länder, in denen "die
Landesverwaltung bisheriger Art" weiterbestanden hat: »Preußen,
»Bayern,
»Sachsen,
»Württemberg,
»Baden,
»Thüringen,
»Hessen,
»Mecklenburg,
»Braunschweig,
»Oldenburg,
»Bremen,
»Anhalt,
»Lippe
und »Schaumburg-Lippe.
Dazu kamen 10 Reichsgaue: »7
Alpen- und Donau-Reichsgaue (»Wien,
Kärnten,
Niederdonau, Oberdonau, Salzburg, Steiermark und Tirol-Vorarlberg),
der »Reichsgau
Sudetenland und die »Reichsgaue
Danzig-Westpreußen und
»Wartheland.
Dazu kamen noch das »Saarland
und die »Hansestadt
Hamburg.
Der Föderalismus in der Bundesrepublik Deutschland
Nach dem »Zweiten
Weltkrieg waren sich die alliierten Siegermächte in West und Ost nur
insoweit über die künftige Staatsordnung in Deutschland einig, dass die
Großen Drei (USA, GB und Sowjetunion) auf der »Konferenz
von Jalta (1945) eine Staatsordnung für Deutschland als Ganzes
festlegten, die eine zu große Machtkonzentration verhindern sollte. Doch
schon auf der
»Potsdamer
Konferenz der Siegermächte im August 1945 nach der
bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reichs war klar, dass aller
feierlichen Proklamationen zum Trotz Deutschland als Ganzes auf Dauer
nicht von den alliierten Siegermächten gemeinsam gestaltet werden würde.
Dazu gingen die Ansichten der westlichen Alliierten und die der
Sowjetunion Stalins zu sehr auseinander. Nachdem in den Besatzungszonen
sich ab 1946 die ersten Ansätze einer deutschen Staatlichkeit von den
wiederbelebten Ländern ausgegangen war und sich die Gegensätze zwischen
West und Ost weiter vertieften, entschieden die westlichen Alliierten
(USA, GB und Frankreich) gemeinsam mit den deutschen Nachbarstaaten
Niederlande, Belgien und Luxemburg auf verschiedenen »Londoner
Sechsmächtekonferenzen im Frühjahr 1948, dass der künftige deutsche
Staat ein Bundesstaat sein sollte. Mit den so genannten »Frankfurter
Dokumente beauftragten sie die
Ministerpräsidenten der Länder die Staatsgründung im Westen in Angriff
zu nehmen. Für die bundesstaatliche Struktur des neuen Staates sprach
die lange Geschichte, die der Föderalismus auf deutschem Boden hatte.
Zudem erwartete man sich von der Aufteilung staatlicher Funktionen
zwischen Bund und Ländern, eine Gewaltenhemmung und damit eine
Beschränkung politischer Macht. Darüber hinaus sollte die föderative
Gliederung des Staates auch ermöglichen, dass - wie 1990 nach der Wende
geschehen - weitere Länder diesem Bundesstaat beitreten konnten.
Die bundesstaatliche Struktur der Bundesrepublik
Deutschland nach 1949 machte den Bund deutlich stärker als die Länder. So werden die meisten Gesetze
vom Bundestag beschlossen, auch wenn den Ländern das Recht eigener
Gesetzgebung in manchen Bereichen überlassen blieb. Manche Gesetze
bedürfen auch der Zustimmung der Länder, ehe sie in Kraft treten können.
Dafür dass der Bund nach 1949 noch mehr Kompetenzen erhielt als z. B. in der
Weimarer
Republik, wurden aber die Mitspracherechte der Länder im
Bundesrat erweitert, der als deutsche Besonderheit aus Vertretern der
Landesregierungen zusammengesetzt ist.
Die Finanzverfassung von Bund und Ländern beeinflusste die Entwicklung
des föderalistischen Systems in der Bundesrepublik Deutschland bis heute
in besonderer Weise. So mussten, ehe es zum heutigen System des
Länderfinanzausgleichs kam, die ärmeren Länder vom Bund unterstützt
werden, der damit Einfluss auf die Landespolitik nehmen konnte. Außerdem
bestand die Gefahr, dass der Bund Gesetze beschloss, die bei ihrer
Ausführung und Anwendung von den Ländern und Kommunen zu bezahlen waren,
obwohl ihnen dazu aufgrund der entsprechenden Bundesgesetzgebung kaum
Möglichkeiten blieben. Der eigentlich auf Kooperation angewiesene
Föderalismus in Deutschland (kooperativer Föderalismus) hatte dabei die
Tendenz durch die Politikverflechtung der verschiedenen Ebenen von Bund
und Ländern zu einem reinen Exekutivföderalismus zu werden, bei dem die
Verflechtung und Verzahnung von politischen Entscheidungsprozessen auf
Bund- und Länderebene so groß zu werden drohte, dass die
Länderparlamente mehr und mehr an Bedeutung verloren. Die Spielräume der
einzelnen Länder waren ohnehin schon durch die Vereinbarungen zur
Kooperation unter den Ländern eingeschränkt, die z. B. in der
Kultusministerkonferenz dafür sorgen, dass mit der länderübergreifenden
Formulierung von Bildungsstandards einheitliche Kriterien im Schulwesen,
bei Schulabschlüssen jedweder Art gewährleistet werden. Dabei gehen die
Meinungen darüber sehr auseinander. Während die einen darin eine
unnötige Gleichmacherei sehen, der verhindert, das sich die Länder im
Wettbewerb um das beste Bildungssystem behaupten, glauben die anderen,
dass nur durch eine langfristige Beseitigung des Bildungsföderalismus
verhindert werden kann, dass die Bildungssysteme nicht völlig
auseinanderdriften. Die befürchtete Konsequenz: Die Länder würden über
kurz oder lang die in ihnen erlangten Bildungsabschlüsse nicht mehr
gegenseitig anerkennen.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
18.06.2016
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