Home
Nach oben
Zurück
 

 

Formelle Petitionen

E-Petition an den Deutschen Bundestag

 
 
Noch sind die verschiedenen Formen der elektronischen Partizipation nicht unbedingt en vogue, aber die Anzahl der Menschen, die sich dieses Mittels bedienen, nimmt zu. Das gilt auch für die formellen E-Petitionen, die auf der Grundlage des im Grundgesetz als Grundrecht gewährten Petitionsrechts, den »Petitionsausschuss, des »Deutschen Bundestags erreichen. Dabei stehen die formellen E-Petitionen auch im Kontext mit informellen E-Petitionen, die auf zahlreichen Plattformen von Bürgerbewegungen, Aktivistennetzwerken, Non-Profit-Organisationen, Sozialunternehmen unterschiedlichster Art eingestellt und gezeichnet werden können. Auch wenn beide Petitionstypen unterschiedliche Partizipationspfade beschreiten, stehen sie doch im Kampf um öffentliche Aufmerksamkeit auch in gewisser Konkurrenz zueinander. Dabei unterscheiden sie sich bei genauem Hinsehen sehr voneinander.

Das Petitionsrecht gehört zu den im Grundgesetz verbürgten Grundrechten. In Artikel 17 GG ist das Grundrecht wie folgt definiert:

"Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden"

 


Jeder Mann oder jede Frau, jedes Kind, Deutsche und Menschen anderer Herkunft, selbst dann wenn sie nicht in Deutschland leben, kurz und gut: wirklich jedermann, gleich welcher Staatsangehörigkeit, darf sich in Deutschland mit seinem/ihrem Anliegen, direkt an den Deutschen Bundestag wenden. Wenn man sich über etwas aufregt, man sich über etwas beschweren will oder nur einen Verbesserungsvorschlag machen will, eine Einzelpetition solchen Inhalts direkt an die Volksvertretung zu richten (Legislativpetition), ist Grundrecht aller Bürgerinnen und Bürger (GG Art. 17) in Deutschland. Eine Petition (lat., Bittschrift. Gesuch, Eingabe) kann sich dabei auf einen politischen Sachverhalt beziehen, es kann aber auch darum gehen, dass sich jemand von einer Behörde ungerecht behandelt fühlt. Meistens hat ein Petent, wie man die Person nennt, die eine Petition stellt, auf anderen Wegen, oft mit vielen Enttäuschungen, versucht, sein Problem zu lösen. Wichtig: Die Inanspruchnahme des Petitionsrechts darf sich dabei auf den Petenten nicht nachteilig auswirken.
Hat man seine Petition an den »Deutschen Bundestag adressiert (auch auf der Länderebene und auf »europäischer Ebene möglich), landet sie beim so genannten »Petitionsausschuss, dessen 28 Mitglieder nach dem Verhältnis der Sitze der Parteien im Bundestag von den jeweiligen Fraktionen in den Ausschuss entsendet werden. Der Petitionsausschuss ist verpflichtet, die Eingaben (Petitionen) entgegenzunehmen. Das bedeutet allerdings nicht, dass das darin formulierte Anliegen auch von den Mitgliedern dieses Gremiums mündlich erörtert wird. Hier handelt der Ausschuss von Fall zu Fall, wenn es sich um eine Einzelpetition handelt, oder macht sein Vorgehen bei einer öffentlichen Petition davon abhängig, wie viele Personen in welchem Zeitraum eine Petition mitunterzeichnet haben (z.B. Online-Petition). Grundsätzlich gilt, dass eine Petition in Schriftform aufgesetzt und ihren Verfasser auch namentlich aufführen muss. Ist sie soweit formal korrekt, muss sie zwar beschieden werden, aber ohne dass dafür eine Begründung gegeben werden muss. Nimmt sich der Petitionsausschuss einem Anliegen an und hält es für berechtigt, kann er die zuständigen Behörden zu einer Stellungnahme zwingen. Weisungen kann er ihnen allerdings nicht erteilen. Aus diesem Grunde treffen Petitionsbescheide auch in einem vorliegenden Fall keine verbindlichen Entscheidungen und stellen auch keine Verwaltungsakte dar.

Seit dem Jahr 1980 wird die Anzahl der eingereichten Petitionen aufgelistet. (s. Tabelle:  Waren es 1980 noch 10.735 ist es 2013 knapp ein Drittel mehr. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger versuchen sich offenbar mit Petitionen Gehör zu verschaffen, den Petitionsausschuss des Bundestags als eine Art Korrekturmechanismus einzusetzen, um Bitten und Beschwerden vorzutragen oder um auf Missstände hinzuweisen.

Jahr

Eingegangene Petitionen

tägl. Durchschnitt

1980 10.735 43,29
1990 16.497 66,79
2000 20.666 83,00
2010 16.849 66,33
2013 14.800 59,20
(Quelle: Jahresbericht des Petitionsausschusses 2014, S.90)

Von den 13.765 natürlichen Personen, die Petitionen beim Deutschen Bundestag im Jahr 2013 eingereicht haben, waren 67,85% männlichen und 25,16% weiblichen Geschlechts. (vgl. ebd., S.93) Von den Petitionen, die den Weg in die parlamentarische Beratung gefunden haben, das ist in etwa die Hälfte der eingegangenen Petitionen, wurden in der parlamentarischen Beratung ca. einem Drittel (30,25%) nicht entsprochen. Die andere Hälfte der Petitionen wurden ohne parlamentarische Beratung durch Rat, Auskunft, Verweisung, Materialübersendung usw. erledigt (32,33% aller eingegangenen Petitionen), 11,61% wurden, weil das Vorbringung des Anliegens "ohne Anschrift, anonym, verworren, beleidigend usw." erfolgte, ohne parlamentarische Beratung beschieden. Und etwa 10% der beim Petitionsauschuss des Deutschen Bundestages eingegangen, von diesem aber nicht parlamentarische beratenen Anliegen, wurden an die jeweilige Volksvertretung der Länder abgegeben. (vgl. ebd., S.97)

Seit dem Jahr 2005 hat die E-Demokratie mit ihren digitalen Möglichkeiten und Plattformen im Internet (Wikis, Blogs, sozialen Netzwerken etc.) auch den Deutschen Bundestag erreicht. Seitdem können Petitionen auch online eingereicht werden. Voraussetzung dafür: Petitionen müssen nicht mehr, wie früher gefordert, handschriftlich unterzeichnet sein. Und immer mehr Bürgerinnen und Bürger (über 50 Prozent davon sind zwischen 40 und 65 Jahre alt) machen inzwischen von Online-Petitionen Gebrauch.
Neu ist seitdem auch die Möglichkeit, öffentliche Petitionen einzureichen. Solche Petitionen, für deren Einreichung man sich – mit E-Mail-Adresse und Postadresse - registrieren muss, müssen verschiedenen Kriterien entsprechen, wenn sie veröffentlicht werden wollen (vgl. »Richtlinien für die Behandlung von öffentlichen Petitionen (pdf):

  • Das Anliegen muss von allgemeinem Interesse sein.

  • Es darf sich weder als Ganzes noch in Teilen nicht erkennbar auf Personen beziehen.

  • Anliegen und Begründung müssen knapp und allgemein verständlich in deutscher Sprache formuliert sein.

  • Es werden nur Themen veröffentlicht, bei denen eine sachliche Diskussion zu erwarten ist.

  • Das Anliegen darf nicht gegen die Menschenwürde verstoßen.

  • Es darf keine offensichtlich falschen, entstellenden oder beleidigenden Meinungsäußerungen enthalten.

  • Das Anliegen darf nicht offensichtlich unsachlich sein und/oder der Verfasser darf nicht von offensichtlich falschen Voraussetzungen ausgehen.

  • Mit einer Online-Petition darf man nicht zu Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten auffordern oder Maßnahmen verlangen, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen das Sittengesetz verstoßen.

  • Die Formulierung des Anliegens darf keine geschützten Informationen enthalten, die in Persönlichkeitsrechte von Personen (z.B. durch Namensnennung) eingreifen. Ebenso wenig dürfen damit kommerzielle Produkte oder Verfahren beworben werden. Werbung in diesem Sinne ist untersagt.

  • Der Petitionstext darf keine Links auf andere Webseiten enthalten.

  • Das Anliegen muss "sich einer der Würde des Parlaments" angemessen Sprache bedienen.

Sind diese Kriterien erfüllt und stehen einer Veröffentlichung nicht weitere Hindernisgründe entgegen (z.B. eine Belastung des sozialen Friedens, der internationalen Beziehungen oder des interkulturellen Dialogs), wird sie nach einer etwa dreiwöchigen Prüfung durch den Ausschussdienst, der den Petitionsausschuss in seiner Arbeit unterstützt, zugelassen und veröffentlicht. Mit dem Zeitpunkt der Zulassung gilt dann eine Frist von 6 Wochen, während der der Petitionstext online gestellt wird. Während dieses Zeitraums kann die Petition von allen unter Angabe ihres Namens unterzeichnet werden. Misst man den „Erfolg“ einer Online-Petition daran, dass die Petenten vom Petitionsausschuss des Bundestags eingeladen und angehört werden, muss die Online-Petition in den ersten vier Wochen nach ihrer Einreichung bzw. Freischaltung 50.000 Unterstützer gefunden haben. So geschieht dies aber nur im Regelfall. Denn selbst bei Erreichen des Quorums können sich die Abgeordneten des Petitionsausschusses mit einer Zweidrittel-Mehrheit gegen die Beratung einer Petition in einer öffentlichen Sitzung entscheiden. Genauso ist es auch möglich, dass eine Petition öffentlich beraten wird, obwohl sie das nötige Quorum nicht erreicht hat. Maßgeblich ist letztlich stets der Inhalt der Petition. Die Grenze von 50.000 Unterstützern in der Vier-Wochen-Frist erreichen allerdings nur sehr wenige Petitionen. Dafür genügt schon ein Blick in das »Petitionsforum des E-Petitionen-Portals des Deutschen Bundestags.
Im »Jahresbericht des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages (2014) werden für das Jahr 2013 34 Massen- oder Sammelpetitionen aufgeführt, die mehr als 5.000 Unterzeichner gefunden haben. Dabei werden unter  Massenpetitionen Eingaben in größerer Zahl mit demselben Anliegen verstanden, deren Text ganz oder im Wesentlichen übereinstimmt. Sammelpetitionen sind dagegen Unterschriftensammlungen mit demselben Anliegen oder öffentliche Petitionen, die auf der Internetseite des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages mitgezeichnet wurden. Lediglich 17 der im Jahr 2013 eingereichten Online-Petitionen gewannen mehr als 5.000 Online-Mitunterzeichner, wobei manche von ihnen dazu weitaus mehr Offline-Mitunterzeichner fanden. Dass im Falle der Petition mit dem Titel "Verpflichtung der Internet-Anbieter, alle Datenpakete im Sinne der Netzneutralität gleich zu behandeln", mit 76.530 elektronischen Mitzeichnungen vorne liegt , kann natürlich nicht verwundern, trifft ihr Anliegen doch mitten ins Herz der netzaffinen Unterstützergemeinde. Bei der Petition "Abschaffung der Luftverkehrssteuer", die insgesamt mit 148,987 Mitunterzeichnern auf dem 1. Platz der öffentlichen Petitionen mit mehr als 5.000 elektronischen Mitzeichnungen landete, zeichneten die öffentliche Petition etwa ein Drittel online mit (42.762). Zwei Drittel (106.235) unterstützten die Petition durch andere Formen der Mitzeichnung (z.B. Offline-Unterschriften-Listen u.ä.). (vgl. ebd. S.107)
Grundsätzlich hängt die parlamentarische Prüfung einer Petition allerdings nicht von der Anzahl der Unterstützer ab, sondern das in Art. 17 GG gewährte Petitionsrecht gilt für die Einzelpetition ebenso wie für eine öffentliche Petition.

Was verleitet Bürgerinnen und Bürger dazu, sich mit einer Online-Petition an den Bundestag zu wenden, dessen Petitionsausschuss offenbar ein zentrales Element der E-Demokratie (Richter/Bürger 2014, S.255) geworden ist? Warum zeichnen immer mehr von ihnen online die darin ausgedrückten Anliegen? Natürlich hat es auch mit Clicktivism zu tun, mit der Offerte der sozialen Medien, die auch in diese früher "abgeschirmten" Partizipationspfade politischer Willensbildung eindringen, mit einem Mausklick eine Sache zu unterstützen. Und ebenso sind Online-Petitionen Formen der Vergesellschaftung, liefern Kitt für den Zusammenhalt der Menschen. Diese schließen sich zusammen und entwickeln ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das in unserer individualisierten Gesellschaft jeder für sich immer wieder neu herstellen muss. Offensichtlich erhoffen sich die Petenten aber vor allem, dass ihr Anliegen auf die öffentliche Agenda gesetzt wird, dass es Aufmerksamkeit erregt und sie sich auf diese Weise aktiv in den Prozess der politischen Willensbildung einbringen können. Indem sie den Petitionsausschuss als „Kummerkasten der Nation“ verstehen, machen sie diesen auch zu einem Seismografen, der Meinungen und Stimmungen in der Bevölkerung aufzeichnet. Online-Petitionen geben ihnen die Chance, sich öffentlich zu artikulieren und wenn, wie im Fall des E-Petitionsportals des Deutschen Bundestags, auch noch die Möglichkeit besteht, im User-Forum „Diskussionszweige“ mit anderen sprießen zu lassen, öffnet sich ein weiterer Aktions- und Kommunikationsraum zivilgesellschaftlicher Beteiligung und sozialer Vernetzung. Die kommunikativen und partizipativen Angebote, die auch das E-Petitionsportal des Deutschen Bundestages enthält (Forum und die Möglichkeit mit einem oder den Petenten per E-Mail Kontakt aufzunehmen) sind dazu richtige Schritte, um die Online-Petitionen dabei zu stärken, einen vorhandenen Diskurs über ein bestimmtes Thema in Gang zu bringen, zu begleiten oder zu fördern. Und: Wer eine öffentliche Petition einstellen lässt, wirbt damit, ob ihr Anliegen zur parlamentarischen Anhörung kommt oder nicht, für seine Sache, aktiviert und mobilisiert andere, es ihm gleichzutun. Und am Ende bekommt die Petenten auch noch eine Vielzahl anderer Daten zur Auswertung, an denen sie das erreichte Ergebnis mit ihren Erwartungen abgleichen und Erfolg oder Misserfolg ihrer u. U. auch andernorts verfolgten Cross-Media-Marketing-Strategie messen können.
Doch nicht nur staatliche Petitionsportale, die Petitionen im Sinne des Grundgesetz-Artikels 17 aufnehmen und der Prüfung und Weiterbearbeitung zuführen, betreiben das "Geschäft" mit Petitionen. Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von Online-Petitionsportalen im Internet, die ihren Nutzern bestimmte Partizipationspfade anbieten. Sie bieten z. B. über die Zeichnung einer Petition hinaus E-Mails und Newsletter an und unterstützen die Petenten mit ihrem Braintrust, dem in Blogs und Wikis dafür gesammelten Wissen. Zudem bieten sie auch die Möglichkeit, sich international zu vernetzen und schaffen damit eine transnationale zivilgesellschaftliche Öffentlichkeit. Angesichts der globalen Probleme der Menschheit eine Möglichkeit also, sich in Europa mit den Klimaflüchtlingen aus Ozeanien zu vernetzen und gemeinsam die Stimme für den Klimaschutz zu erheben.
So oder so: Online-Petitionsplattformen wie die des Deutschen Bundestags oder die privater Betreiber wie z. B. »Aavaz.org, »Campact.de, »Change.Org, »MoveOn.org oder »OpenPetition.org können herkömmliche Formen der politischen Partizipation nicht ersetzen und sie tun es offensichtlich auch nicht. Wer sich öfters an Online-Petitionen beteiligt, legt sich nämlich keineswegs auf die faule Haut, wenn andere sich in Parteien engagieren, Bürgerinitiativen gründen, Info-Stände machen oder an Demonstrationen teilnehmen. Im Gegenteil, wer sich online politisch betätigt, das haben Studien ergeben, der ist auch mit einer nahezu doppelt so großen Wahrscheinlichkeit bei solchen offline-Aktionen dabei. Dieses Ergebnis ist auch ein gutes Gegenargument für die immer wiederkehrende Behauptung, dass Online-Petenten sich vor allem das Gefühl verschaffen wollen, etwas Gutes zu tun (»Slacktivism), das man sonst gerne mit einer politischen Botschaft auf der eigenen Kleidung, mit der Beteiligung am Boykott einer bestimmten Supermarkt-Kette oder eines Versandunternehmens zur Schau trägt, auch wenn man weiß, dass das so gut wie keinen Einfluss darauf hat, was in der Politik passiert.
Noch freilich steht der Beweis aus, dass dies der wachsenden Zahl von Online-Petitionen wirklich besser gelingt. Schließlich ist dafür auch politisches Interesse nötig, das vielen Menschen in unserer Gesellschaft abhanden gekommen ist. Trotzdem: Ein Zeichen dafür, was die Menschen bewegt, sind sie allemal und auch eine Chance ihren Nutzern einen breiten und leicht begehbaren Weg zur politischen Partizipation im Zeitalter des Mitmachwebs anzubieten. Parteien und Politiker sollten jedenfalls ein Auge darauf haben.

(Quellen:

Weiterführende Links:

Gert Egle, www.teachsam.de,  24.3.04)

     
     
   Arbeitsanregungen:
  1. Sortieren Sie die dargestellten Formen nacheinander a) nach ihrem Grad
     

 
     
  Überblick ] [ E-Petition Bundestag ]  
       

          CC-Lizenz
 

 

Creative Commons Lizenzvertrag Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International License (CC-BY-SA) Dies gilt für alle Inhalte, sofern sie nicht von externen Quellen eingebunden werden oder anderweitig gekennzeichnet sind. Autor: Gert Egle/www.teachsam.de