|
Um
Parteiensysteme zu beschreiben und zu
analysieren kann man eine Typologie oder Klassifikation erstellen.
Damit will man die Vielfalt der Parteiensysteme auf wenige Idealtypen reduzieren.
Auf diese Weise kann eine Typologie Übersicht und Ordnung in einer
herrschenden Vielfalt von Erscheinungsformen schaffen.
Parteiensystem-Typologien gehen davon aus, dass sich die realen Parteiensysteme
in vielem so ähnlich sind, dass sie sich unter einem Idealtyp
zusammenfassen lassen.
Einen anderen Weg geht man, wenn man Parteiensysteme unter dem
Blickwinkel ihrer charakteristischen Merkmalen
beschreibt und analysiert. Beide Vorgehensweisen haben ihre Stärken
und Schwächen. Typologien sind allerdings anschaulicher, da ihr
Schwerpunkt auf der Beschreibung liegt.
(vgl. Ladner 2004, S.44)
Das ist wohl auch einer didaktischen Gründe, die Typologien, nicht nur
des Parteiensystems, immer wieder zum Gegenstand des Unterrichts macht.Typologien von Parteiensysteme werden
auf der Grundlage unterschiedlicher Kriterien gebildet, die zugleich den
Blickwinkel ihrer jeweiligen Beschreibung und Analyse der
Parteiensysteme angeben. Solche Kriterien sind
Das Kriterium der Zahl der Parteien in einem Parteiensystem
Vergleichsweise leicht lässt sich eine Typologie der Parteiensysteme
mit dem Kriterium der Anzahl der Parteien bilden, die zu einem
Parteiensystem gerechnet werden. Allerdings erschöpft sich die Analyse
nicht in der simplen Zahlenarithmetik. Wäre dies der Fall, dann würde
der Ansatz schließlich kaum Erkenntnisse über Parteiensysteme bringen.
Damit das Zahlkriterium zur Typenbildung brauchbare Ergebnisse bei der
Analyse von Parteiensystemen liefern kann, muss es wie bei anderen
Typologien auch mit "Kriterien wie Ideologie, Programmatik,
Aktionsformen, Konkurrenzsystem, Koalitionsbildung, Wahlsystem,
soziostrukturelle Charakteristika der Wähler- und Mitgliederbasis in
Verbindung gebracht werden können." (ebd.)
Ob es sinnvoll ist, den Typus
Einparteiensystem zu bilden, ist in der Wissenschaft strittig.
Für Oskar Niedermayer (2007, S.114) ist dies "ein Widerspruch in sich".
Aus diesem Grund wird mit dem
Kriterium der Zahl vor allem zwischen einem klassischen
Zweiparteiensystem und einem Mehrparteiensystem unterschieden. In der
Bundesrepublik Deutschland gibt es ein
Mehrparteiensystem, in dem es zahlreiche politische Vereinigungen
mit Parteistatus gibt, zahlreiche Parteien an Wahlen auf Bundes- und
Landesebene (elektorales
Parteiensystem) teilnehmen und mehr als zwei Parteien Abgeordnete im
Bundestag haben (parlamentarisches
Parteiensystem).
Unter dem Kriterium der Zahl ist z. B. der Typ des
Zweiparteiensystems interessant,
weil darin der Parteienwettbewerb in besonderer Weise gestaltet
ist. Wo sich zwei Parteien in einem bipolaren Parteiensystem
gegenüberstehen, gehören Absprachen und
Kooperation der beiden Parteien nämlich zur Ausnahme.
Eine bipolare Struktur kann sich aber auch bei
Mehrparteiensystemen,
vor allem im Rahmen einer Links-rechts-Polarität, ausbilden. In einem
solchen Fall stehen sich, je homogener jeweiligen Blöcke ausfallen,
mehrere Parteien in zwei Lagern gruppiert gegenüber. (vgl.
ebd., S.37)
Ein solches Mehrparteiensystem war z. B. das 2009 entstandene "bipolare
Fünfparteiensystem im Zustand unabgeschlossener Formierung" (Rudzio
(2011, S.128) Auf Bundesebene standen sich eine linkere und eine
rechtere Parteiengruppe (SPD, Grüne und Linke vs. CDU/CSU und FDP)
gegenüber.
Stärkeverhältnis und Unterschiede und Gemeinsamkeiten in wichtigen
politischen Fragen als Kriterien
Zu anderen Klassifikationen gelangen Ansätze, die die
Stärkeverhältnisse zwischen den Parteien und ihre Unterschiede
und Gemeinsamkeiten in wichtigen politischen Fragen als Kriterien
der Typenbildung wählen.
Ein Typus solcher Art ist z. B. das Mehrparteiensystem mit einer
dominanten Partei (Blondel 1968).
Auch die Typen-Trias von
Smith (1989, S.14, zit. n.
Ladner 2004,
S.38f.) fällt darunter, die folgende Typen von Parteiensystemen
unterscheidet:
Die Richtung der Parteienkonkurrenz als Kriterium
Die Art der Konkurrenz unter den Parteien nimmt ein weiterer
typologischer Ansatz zum Kriterium Parteiensysteme unter Idealtypen
zusammenzufassen und zu analysieren. Dabei bedeutet Richtung, ob sich
die Parteien im Parteiensystem aufeinander zubewegen, sich das
Parteiensystem zwischen zwei Polen - meistens als ideologisch bedingte
Links-rechts-Polarität verstanden -
also zentripetal verhält, oder sich
die Parteien aufgrund ihrer ideologischen Distanz von einander
wegbewegen, das System also vor allem
zentrifugale Strukturen aufweist. Auf diese Art und Weise lassen
sich Aussagen über die
ideologische Distanz der Parteien zueinander und den
Grad der
Polarisierung eines Parteiensystems machen. Daraus lässt sich
dann z. B. auch abschätzen, ob das System darauf angelegt ist, dass die
Parteien kompromissbereit und/oder koalitionsfähig sind. Das hängt aber
neben der Polarisierung auch von der
Fragmentierung des jeweiligen Parteiensystems ab. Während sich
die Fragmentierung durch die zum Parteiensystem zählenden Parteien und
durch die Kräfteverhältnisse zwischen ihnen ermitteln lässt, wird die
Polarisierung auf der Grundlage der Analyse von programmatischen
Äußerungen der Parteien (z. B. Grundsatz- oder Wahlprogramme) oder auf
der Basis von Umfragen erhoben, die Aufschluss über die
Wertorientierungen ihrer jeweiligen Wähler geben.
Der bekannteste Ansatz zur Analyse von Parteiensystemen auf der
Grundlage ihrer Polarisierung und Fragmentierung stammt von Giovanni
Sartori (1976).
Er unterscheidet folgende 5 Typen von Parteiensystemen (vgl.
Ladner 2004,
S.39)
-
Einparteiensysteme (Formen: totalitär, ideologisch,
hegemonial, autoritär, pragmatisch, pragmatisch hegemonial)
-
Zweiparteiensysteme, die eine tiefe Fragmentierung und eine
zugleich geringe ideologische Distanz kombinieren. Der Wettstreit
dieser beiden Parteien ist dennoch zentripetal angelegt, weil ja in
der Regel die eine die andere Partei bei der Regierungsausübung
gänzlich ablösen will.
-
Der
gemäßigte Pluralismus
kennzeichnet ein Parteiensystem dann, wenn drei Bedingungen erfüllt
sind:
-
eine vergleichsweise
geringe ideologische Distanz der Parteien zueinander
-
eine bipolare
Konfiguration der Parteien oder verschiedener Lager von Parteien
bei der Koalitionsbildung
-
ein
Parteienwettkampf, der zentripetal verläuft
Das Parteiensystem der
Bundesrepublik Deutschland ist ein in diesem Sinne
moderat-pluralistisches Parteiensystem.
- Ein
segmentiert-pluralistisches Parteiensystem ist sehr stark
fragmentiert. Dennoch ist die Parteienkonkurrenz aber nicht
zentrifugal, weil sie in ihrer Auseinandersetzung nicht zu den
Extremen tendieren und grundsätzlich bereit sind, zur
Regierungsbildung miteinander gemeinsame Sache zu machen. In einem
solchen System können sich die Parteien auf ihre eigenen Anhänger
verlassen, die bestimmten Teilgruppen in der Bevölkerung angehören.
- Der polarisierte
Pluralismus zeichnet sich durch eine hohe Zahl von Parteien
aus. Parteiensysteme, die dazu zählen, müssen:
-
Anti-System-Parteien
haben, die in einer Fundamentalopposition zum gesamten
politischen System stehen und ideologisch sehr weit voneinander
entfernt stehen.
-
Die
Fundamentalopposition
der Anti-System-Parteien muss bilateral
ausfallen, also von zwei Seiten aus geführt werden, in der Regel
von der extremen Linken und der extremen Rechten.
In Deutschland war dies z.B. in der
Weimarer
Republik der Fall, wo die
Kommunisten (KPD) und die
Nationalsozialisten (NSDAP) die beiden Pole links und rechts
besetzten. Sie gehörten auch zu den
relevanten Parteien und waren am Ende in allen Bundes- und
Landesparlamenten vertreten. Die rechts- und linksextremen
Parteien in der Bundesrepublik von heute zählen indessen zu den
Kleinstparteien und damit nicht zum Parteiensystem i. e. S.
-
Der
Parteienwettkampf in einem
solchen Parteiensystem verläuft
zentrifugal.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
06.08.2016
|
|