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Grundrechte

Art. 17 GG: Petitionsrecht


Von der Untertanenbitte zum Grundrecht: Kurzer historischer Abriss zum Petitionsrecht

Sich mit einem Anliegen an höchste Vertreter bzw. Organe staatlicher Gemeinwesen richten zu dürfen, ist eine alte Tradition. Seine Ursprünge gehen bis auf die »Römische Kaiserzeit zurück. Als Recht wurden gut zu begründenden und sich auf Belange von allgemeinem Interesse zu beziehenden Eingaben in Deutschland erstmals im »Allgemeinen Preußischen Landrecht (1794) unter der Herrschaft »Friedrichs des Großen (1712-1786) fixiert und ihre sorgfältige Prüfung zugesichert. Mit der »Paulskirchenverfassung von 1848, die nach der gescheiterten »Revolution (1848/49) nicht verwirklicht wurde, sollte jedem Deutschen das Recht gewährt werden, sich mit einem Anliegen einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen an Volksvertretungen und den Reichstag zu wenden. Ein besonderer Ausschuss, Petitions-Ausschuss genannt, sollte sich diesen Angelegenheiten widmen. Auch in den Verfassung des »Deutschen Kaiserreiches von 1871 und der »Weimarer Reichsverfassung von 1919 ist das Petitionsrecht enthalten. Unter der »NS-Diktatur (1933-1945) "wurde das Petitionsrecht seiner kritisch oppositionellen Potenz beraubt; demokratisch legitimierte, durchsichtige Prüfverfahren waren außer Kraft gesetzt. Das Petitionsrecht verlor für das Individuum seine schützende Funktion gegenüber staatlicher Willkür. Schlimmer noch: »Hartnäckigen Quenglern« drohte »Schutzhaft«"1) In der »DDR (1949-1990) gab es zwar seit 1960 ein Eingabewesen, doch diente dies "nicht der externen Kontrolle der Verwaltung". Stattdessen haftete diesem System des Rechtsbehelfs gegen Entscheidungen der Verwaltung "der Ruf an, dass mit ihnen Gnade statt Recht gewährt werde." 2)
1949 wurde das Petitionsrecht im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland erstmals als unantastbares Grundrecht verbürgt (Art 17 GG). Seit 1975 ist auch der Petitionsausschuss des Bundestags im Grundgesetz institutionalisiert (Art. 45c GG) Da die repräsentative Demokratie in Deutschland den Bürgerinnen und Bürgern von der Ausübung ihres Wahlrechtes kaum Möglichkeiten bietet, direkt auf politische Entscheidungsprozesse Einfluss zu nehmen, plebiszitäre Elemente wie Volksentscheide von Fragen der Länderneuregelung einmal abgesehen, darin keine Rolle spielen, soll "das Petitionsrecht dem gestiegenen Bedürfnis nach Mitsprache in öffentlichen Dingen entgegen(kommen) und (...) zur Mitverantwortung, Gestaltung und Fortentwicklung des politischen Lebens und Rechtssystems an(regen)."3)

Das Petitionsrecht im Grundgesetz

Das Petitionsrecht ist eines der im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verbürgten Grundrechte. In Artikel 17 des Grundgesetzes ist formuliert:

"Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden."
Jeder Mann oder jede Frau, jedes Kind, Deutsche und Menschen anderer Herkunft, selbst dann wenn sie nicht in Deutschland leben, kurz und gut: wirklich jedermann, gleich welcher Staatsangehörigkeit, hat damit das Recht, sich in Deutschland mit seinem/ihrem Anliegen, direkt an den Deutschen Bundestag zu wenden. Wenn man sich z. B. über eine Entscheidung einer Behörde beschweren will oder einen Verbesserungsvorschlag von allgemeinem Interesse machen will, kann man sich einzeln oder in einer Gruppe an die Volksvertretung wenden und damit auf einem bis ins Einzelne festgelegten Weg in seiner/ihrer Sache vorstellig werden (Legislativpetition).
Eine Petition (lat., Bittschrift. Gesuch, Eingabe) kann sich dabei auf einen politischen Sachverhalt beziehen, es kann aber auch darum gehen, dass sich jemand von einer Behörde ungerecht behandelt fühlt. Oft hat ein Petent, wie man die Person nennt, die eine Petition stellt, auf anderen Wegen, manchmal mit vielen Enttäuschungen, versucht, ein Problem zu lösen. Mit der Petition will er sich dann noch einmal Gehör verschaffen. Wichtig: Die Inanspruchnahme des Petitionsrechts darf sich dabei auf den Petenten nicht nachteilig auswirken.  

Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages

Der Bundestag ist nach Art. 45c GG verpflichtet, einen Ausschuss einzurichten, "dem die Behandlung der nach Artikel 17 an den Bundestag gerichteten Bitten und Beschwerden obliegt." Dieser Ausschuss trägt den Namen »Petitionsausschuss. Der Ausschuss hat 28 Mitglieder (2014), die nach dem Verhältnis der Sitze der Parteien im Bundestag von den jeweiligen Fraktionen in den Ausschuss entsendet werden. In die Ausschussarbeit involviert sind ca. 80 Personen. 
Der Petitionsausschuss ist verpflichtet, Eingaben (Petitionen) entgegenzunehmen. Petitionen können als Einzelpetition oder als Massen- oder Sammelpetition auf unterschiedlichen Wegen an den Petitionsausschuss gelangen. Dabei versteht man unter Massenpetitionen Eingaben in größerer Zahl mit demselben Anliegen, deren Text ganz oder im Wesentlichen übereinstimmt. Sammelpetitionen sind dagegen Unterschriftensammlungen mit demselben Anliegen oder öffentliche Petitionen, die auf der Internetseite des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages mitgezeichnet wurden. Petitionen müssen schriftlich erfolgen und müssen vom jeweiligen Petenten gezeichnet werden. Wenn Sie als Einzel-, Sammel- oder Massenpetitionen an die Postadresse des Petitionsausschusses gehen müssen sie von den Petenten unter Angabe ihrer Wohnadresse eigenhändig unterschrieben sein. Bei E-Petitionen, die seit 2005 ebenfalls möglich sind, muss man sich anderweitig legitimieren (s.u.)
Aus der Verpflichtung zur Annahme einer Petition kann aber nicht abgeleitet werden, dass ein Petent einen Rechtsanspruch darauf geltend machen kann, dass sein vorgebrachtes Anliegen auch von den Mitgliedern des Gremiums mündlich erörtert wird. Hier handelt der Ausschuss letzten Endes von Fall zu Fall. Maßgeblich ist zwar stets der Inhalt der Petition, in der Praxis wird es wohl bei öffentlichen Petitionen auch darauf ankommen,  wie viele Personen in welchem Zeitraum eine Petition mit unterzeichnet haben (z.B. E-Petition). Ist die Petition formal korrekt eingereicht, hat der Petent Anspruch darauf einen Bescheid zu erhalten, aus dem hervorgeht, ob der Petitionsausschuss in der Sache tätig sein wird oder nicht. Eine Begründung muss er dafür nicht geben.
Natürlich sind die Möglichkeiten des Petitionsausschusses, einer bestimmten Eingabe zum Erfolg zu verhelfen beschränkt, zumal er sich letztlich nur als Scharnier zwischen Bürger und Staat oder als eine Art Notrufsäule betrachtet. Privatangelegenheiten, Rechtstreitigkeiten von Privatpersonen kann der Petitionsausschuss nicht behandeln. Diese gehören vor die Gerichte. Und Gerichtsurteile können vom Petitionsausschuss nicht überprüft werden. Nimmt sich der Petitionsausschuss eines Anliegens an und hält es für berechtigt, kann er die zuständigen Behörden zu einer Stellungnahme zwingen. Weisungen kann er ihnen allerdings nicht erteilen. Was die staatlichen Behörden verfügt haben, kann der Petitionsausschuss also nicht aufheben oder irgendwie abändern, weil er selbst keine verbindlichen Entscheidungen fällen oder Verwaltungsakte anordnen kann. Wohl kann er aber die Regierung, die betreffenden Regierungsbehörden ersuchen, gefällte Verwaltungsentscheidungen erneut zu überprüfen und zu Gunsten des Petenten zu ändern. Ebenso kann er den Gesetzgeber auffordern, die vorhandene Gesetzeslage zu prüfen. Insgesamt gesehen verschafft die Tatsache, dass der Petitionsausschuss nicht allein von der Rechtmäßigkeit einer behördlichen Entscheidung ausgehen muss, wie dies Gerichte tun, sondern auch deren Zweckmäßigkeit beurteilen kann. Aus diesem Grund kann der Petitionsausschuss bei der Beurteilung einer behördlichen Entscheidung die Fakten auch unter Umständen zu Gunsten eines Petenten gewichten.

Petitionen als Korrekturmechanismus

Seit dem Jahr 1980 wird die Anzahl der eingereichten Petitionen aufgelistet. (s. Tabelle)  Waren es 1980 noch 10.735, ist es 2013 knapp ein Drittel mehr. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger versuchen sich offenbar mit Petitionen Gehör zu verschaffen, den Petitionsausschuss des Bundestags als eine Art Korrekturmechanismus einzusetzen, um Bitten und Beschwerden vorzutragen oder um auf Missstände hinzuweisen. Ob Petitionen allerdings wirklich als Korrekturmechanismus fungieren und die ihnen zugeschriebenen positiven Wirkungen entfalten können, wird von Kritikern bezweifelt. Sie mahnen unter anderem an, dass Petitionen vom Bundestag ernsthafter behandelt werden müssten, als dies derzeit der Fall sei.

Jahr

Eingegangene Petitionen

tägl. Durchschnitt

1980 10.735 43,29
1990 16.497 66,79
2000 20.666 83,00
2010 16.849 66,33
2013 14.800 59,20
(Quelle: Jahresbericht des Petitionsausschusses 2014, S.90)

Von den 13.765 natürlichen Personen, die Petitionen beim Deutschen Bundestag im Jahr 2013 eingereicht haben, waren 67,85% männlichen und 25,16% weiblichen Geschlechts. (vgl. ebd., S.93) Von den Petitionen, die den Weg in die parlamentarische Beratung gefunden haben, das ist in etwa die Hälfte der eingegangenen Petitionen, wurden in der parlamentarischen Beratung ca. einem Drittel (30,25%) nicht entsprochen. Die andere Hälfte der Petitionen wurden ohne parlamentarische Beratung durch Rat, Auskunft, Verweisung, Materialübersendung usw. erledigt (32,33% aller eingegangenen Petitionen), 11,61% wurden, weil das Vorbringung des Anliegens "ohne Anschrift, anonym, verworren, beleidigend usw." erfolgte, ohne parlamentarische Beratung beschieden. Und etwa 10% der beim Petitionsauschuss des Deutschen Bundestages eingegangen, von diesem aber nicht parlamentarische beratenen Anliegen, wurden an die jeweilige Volksvertretung der Länder abgegeben. (vgl. ebd., S.97)

Öffentliche E-Petitionen

Seit dem Jahr 2005 hat die E-Demokratie mit ihren digitalen Möglichkeiten und Plattformen im Internet (Wikis, Blogs, sozialen Netzwerken etc.) auch den Deutschen Bundestag erreicht. Seitdem können Petitionen auch online eingereicht werden. Sie schaffen damit ganz neue Möglichkeiten der →E-Partizipation in der Demokratie und →E-Demokratie der Bundesrepublik Deutschland.. Voraussetzung dafür: Petitionen müssen nicht mehr, wie früher gefordert, handschriftlich unterzeichnet sein. Und immer mehr Bürgerinnen und Bürger (über 50 Prozent davon sind zwischen 40 und 65 Jahre alt) machen inzwischen von E-Petitionen Gebrauch.
Neu ist seitdem auch die Möglichkeit, öffentliche E-Petitionen einzureichen. Solche Petitionen, für deren Einreichung man sich – mit E-Mail-Adresse und Postadresse - registrieren muss, müssen verschiedenen Kriterien entsprechen, wenn sie veröffentlicht werden wollen (vgl. »Richtlinien für die Behandlung von öffentlichen Petitionen (pdf):

  • Das Anliegen muss von allgemeinem Interesse sein.

  • Es darf sich weder als Ganzes noch in Teilen nicht erkennbar auf Personen beziehen.

  • Anliegen und Begründung müssen knapp und allgemein verständlich in deutscher Sprache formuliert sein.

  • Es werden nur Themen veröffentlicht, bei denen eine sachliche Diskussion zu erwarten ist.

  • Das Anliegen darf nicht gegen die Menschenwürde verstoßen.

  • Es darf keine offensichtlich falschen, entstellenden oder beleidigenden Meinungsäußerungen enthalten.

  • Das Anliegen darf nicht offensichtlich unsachlich sein und/oder der Verfasser darf nicht von offensichtlich falschen Voraussetzungen ausgehen.

  • Mit einer Online-Petition darf man nicht zu Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten auffordern oder Maßnahmen verlangen, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen das Sittengesetz verstoßen.

  • Die Formulierung des Anliegens darf keine geschützten Informationen enthalten, die in Persönlichkeitsrechte von Personen (z.B. durch Namensnennung) eingreifen. Ebenso wenig dürfen damit kommerzielle Produkte oder Verfahren beworben werden. Werbung in diesem Sinne ist untersagt.

  • Der Petitionstext darf keine Links auf andere Webseiten enthalten.

  • Das Anliegen muss "sich einer der Würde des Parlaments" angemessen Sprache bedienen.

Sind diese Kriterien erfüllt und stehen einer Veröffentlichung nicht weitere Hindernisgründe entgegen (z.B. eine Belastung des sozialen Friedens, der internationalen Beziehungen oder des interkulturellen Dialogs), wird sie nach einer etwa dreiwöchigen Prüfung durch den Ausschussdienst, der den Petitionsausschuss in seiner Arbeit unterstützt, zugelassen und veröffentlicht. Mit dem Zeitpunkt der Zulassung gilt dann eine Frist von 6 Wochen, während der der Petitionstext online gestellt wird. Während dieses Zeitraums kann die Petition von allen unter Angabe ihres Namens unterzeichnet werden. Misst man den „Erfolg“ einer Online-Petition daran, dass die Petenten vom Petitionsausschuss des Bundestags eingeladen und angehört werden, muss die Online-Petition in den ersten vier Wochen nach ihrer Einreichung bzw. Freischaltung 50.000 Unterstützer gefunden haben. So geschieht dies aber nur im Regelfall. Denn selbst bei Erreichen des Quorums können sich die Abgeordneten des Petitionsausschusses mit einer Zweidrittel-Mehrheit gegen die Beratung einer Petition in einer öffentlichen Sitzung entscheiden. Genauso ist es auch möglich, dass eine Petition öffentlich beraten wird, obwohl sie das nötige Quorum nicht erreicht hat. Maßgeblich ist letztlich stets der Inhalt der Petition. Die Grenze von 50.000 Unterstützern in der Vier-Wochen-Frist erreichen allerdings nur sehr wenige Petitionen. Dafür genügt schon ein Blick in das »Petitionsforum des E-Petitionen-Portals des Deutschen Bundestags.
Im »Jahresbericht des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages (2014) werden für das Jahr 2013 34 Massen- oder Sammelpetitionen aufgeführt, die mehr als 5.000 Unterzeichner gefunden haben. Lediglich 17 der im Jahr 2013 eingereichten öffentlichen E-Petitionen gewannen mehr als 5.000 Online-Mitunterzeichner, wobei manche von ihnen dazu weitaus mehr Offline-Mitunterzeichner fanden.
Dass im Falle der Petition mit dem Titel "Verpflichtung der Internet-Anbieter, alle Datenpakete im Sinne der Netzneutralität gleich zu behandeln", mit 76.530 elektronischen Mitzeichnungen vorne liegt , kann natürlich nicht verwundern, trifft ihr Anliegen doch mitten ins Herz der netzaffinen Unterstützergemeinde. Bei der Petition "Abschaffung der Luftverkehrssteuer", die insgesamt mit 148,987 Mitunterzeichnern auf dem 1. Platz der öffentlichen Petitionen mit mehr als 5.000 elektronischen Mitzeichnungen landete, zeichneten die öffentliche Petition etwa ein Drittel online mit (42.762). Zwei Drittel (106.235) unterstützten die Petition durch andere Formen der Mitzeichnung (z.B. Offline-Unterschriften-Listen u.ä.). (vgl. ebd. S.107)
Grundsätzlich hängt die parlamentarische Prüfung einer Petition allerdings nicht von der Anzahl der Unterstützer ab, sondern das in Art. 17 GG gewährte Petitionsrecht gilt für die Einzelpetition ebenso wie für eine öffentliche Petition.

Anmerkungen

1) "Von der Untertanenbitte zum politischen Bürgerrecht" - Einführung in das Petitionsrecht. Aus der wechselvollen Geschichte des Petitionsrechts (Webseite des Deutschen Bundestages)
2) ebd.

3) ebd.

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 11.12.2014

     
    
   Arbeitsanregungen:
  1. Visualisieren Sie den Text in Form einer Infografik.

  2. Diskutieren Sie die Frage, ob und auf welche Art und Weise Petitionen „dem gestiegenen Bedürfnis nach Mitsprache in öffentlichen Dingen entgegen(kommen) und (...) zur Mitverantwortung, Gestaltung und Fortentwicklung des politischen Lebens und Rechtssystems an(regen).“

  3. Lassen sich über Petitionen plebiszitäre Elemente quasi durch die Hintertüre in das repräsentative politische System der Bundesrepublik Deutschland einbauen?
     

 
     
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