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"Schulentwicklung ist kein
Selbstzweck", betont H. Meyer (1996): "Ihre einzige Legitimation
liegt darin, das Lehren und Lernen humaner und erfolgreicher zu machen."
Diese pointierte Aussage markiert sowohl den wesentlichen
Ansatzpunkt als auch die Ziele, die Schulentwicklung im Gegensatz
zu Organisationsentwicklung verfolgt. Schulentwicklung ist nach diesem
Verständnis im Wesentlichen ein Lösungsweg pädagogischer Aufgaben im
Zuge einer inneren und äußeren Schulreform. Schulentwicklung ist
stets pädagogische Schulentwicklung.
Mit 5 Thesen beschreibt Johannes
Bastian (1997a,
S. 6-11) die wesentlichen Aufgabengebiete der pädagogischen
Schulentwicklung und Schulreform:
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"Die Expert(innen) für Schulentwicklung sitzen in den Schulen. Und: Wer
Schulentwicklung fördern will, der sollte zunächst einmal nachschauen, was
sich dort tut. Dann wird er unter anderem feststellen, dass die neuen
Fragen der Schulentwicklung nicht selten die alten Fragen innerer
Schulreform sind.
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Interesse an Schulentwicklung kann sich in der
'Normalschule',
insbesondere dann entfalten, wenn sie klein anfängt, wenn sie Hilfen zur
Bewältigung der Alltagsprobleme anbietet, wenn sie bei den Interessen an
Unterrichtsreform ansetzt - kurz: wenn sie sich in die lebendige Tradition
innerer Schulreform einreiht und diese mit dem Blick auf die ganze Schule
weiterführt.
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Ausgangssituationen, Problemlagen und Interessen
in Schulen sind
unterschiedlich und verlangen nach unterschiedlichen Ansätzen. Welches
Konzept der eigenen Ausgangssituation und der eigenen Perspektive
angemessen ist, sollte jede Schule selbst prüfen und entscheiden.
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Ausgangspunkte, Unterstützungssysteme und die jeweilige
'Schulentwicklungsphilosophie' von Organisationsentwicklung und
pädagogischer Schulentwicklung unterscheiden sich deutlich. Beide Wege
haben jedoch ein gemeinsames Ziel: Sie wollen allen an Schule Beteiligten
helfen, ihren eigenen Entwicklungsprozess reflektiert, so weit wie möglich
aus eigener Kraft und in gemeinsamer Absprache zu gestalten.
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Pädagogische Schulentwicklung geht analytisch davon aus, dass das
Hauptproblem und Hauptinteresse von Lehrer(inne)n in einer schulinternen
Verbesserung der Unterrichtskultur liegt. Sie knüpft deshalb an diesen
Interessen an Veränderungen der institutionellen Bedingungen der
Einzelschule an. Sie setzt dabei auf einen selbst initiierten und / oder
von außen gestützten Bildungsprozess, in dem die Mitglieder der Schule
durch problemformulierendes und problemlösendes Handeln miteinander
lernen. Pädagogische Schulentwicklungsprozesse haben damit einen hohen
Übereinstimmungsgrad mit Projektlernprozessen. In diesem
Verweisungsverhältnis von Unterrichtsreform, Institutionsentwicklung und
Selbstbildung liegt der theoretische Kern pädagogischer Schulentwicklung."
Die
Unterschiede zwischen pädagogischer
Schulentwicklung und Organisationsentwicklung, die Bastian
Bastian (1997a)
hervorhebt, werden unter dem Blickwinkel ihres jeweiligen
Ausgangspunktes und dem jeweils intendierten Prozessverlauf besonders
deutlich (→Weitere
Vergleichspunkte):
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Pädagogische
Schulentwicklung
(nach
J.
Bastian, 1997)
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Organisations-
entwicklung
(nach
Dalin, Rolff,
Buchen 1995)
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Ausgangspunkt
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Interesse an Innovationen bei der
Unterrichtsgestaltung
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Interesse
an den daraus resultierenden individuellen (Person, Lehrerrolle) und institutionellen Änderungen
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Prozessverlauf
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Selbstbildungsprozess der Beteiligten
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Zusammenhang
von gutem Unterricht, Förderung der Mündigkeit von Schülern und
institutionellen Rahmenbedingungen
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So unterschiedlich wie oben dargestellt scheinen Schulentwicklung und
das aus der Wirtschaft stammende Konzept der Organisationsentwicklung
(OE) für
Heinz Klippert (1997, S.12f.) nicht zu sein. Den schließlich ziele OE
auch darauf ab, "die systematische Vitalisierung,
Aktualisierung, Aktivierung und Erneuerung einer Organisation von innen
heraus mit dem Ziel, die anstehenden Problemlösungsprozesse zu effektivieren.
OE setzt somit auf Selbsterneuerung sowie auf sensibles und engagiertes
Zusammenarbeiten der Organisationsmitglieder, damit die vorhandenen
Problemlösungs- und Erneuerungspotentiale wirksam mobilisiert werden, OE
ist grundsätzlich langfristig angelegt und hat einen relativ komplexen
Zuschnitt. Innoviert und verbessert werden soll die Organisation als
Ganzes."
So unstrittig für Klippert ist, dass der "OE-Ansatz in sich stringent
ist und auch von seinem Menschenbild her Zustimmung verdient"
(ebd.),
sieht er doch große Probleme bei der Implementierung von OE-Prozessen in
der Schule, da die "die Zahl der Kollegien, die mehrheitlich bereit
sind, derart umfängliche und belastende Schulentwicklungsprogramme
anzugehen und durchzustehen, erfahrungsgemäß gering (ist)." Das Szenario
der Organisationsentwicklung, das er entwirft, lässt, so jedenfalls
das Menetekel Klipperts, kaum andere Rückschlüsse zu.
"Vielschichtig und langwierig" seien die Klärungs-,
Abstimmungs- und Innovationsprozesse im Rahmen einer
Organisationsentwicklung, heißt es da, und weiter: "Da werden Probleme gesucht und
natürlich auch in großer Vielzahl gefunden. Da werden Befragungen
durchgeführt und umfangreiche Daten gesammelt, Daten ausgewertet und
Datenfeedbacks organisiert, Entscheidungen angebahnt und Prioritäten
gesetzt, Kontroversen geführt und Konflikte ausgetragen, Ziele geklärt und
Ziele vereinbart, Aktionen geplant und Arbeitsgruppen gebildet,
Steuergruppen installiert und konkrete Vorhaben implementiert, Strukturen
diskutiert und Projekte evaluiert etc. Kurzum, die Konferenz- und
Arbeitsbelastung während dieser OE-Prozesse erreicht rasch ein Ausmaß, von
dem viele gutwillige Lehrkräfte abgeschreckt werden, weil sie sich durch
die vielschichtige "Sisyphusarbeit" überfordert sehen."
(ebd.)
Inzwischen ist freilich ist die pädagogische Schulentwicklung eine
bildungspolitische Aufgabe auf verschiedenen Ebenen geworden (Ebene der
Ministerien/Schulaufsicht - Makroebene, Ebene der Bildungsregionen -
intermediale Ebene, Ebene der Einzelschule und individueller Netzwerke -
Mesoebene) und Schulentwicklung wird an manchen Pädagogischen
Hochschulen und Universitäten als Master-Studium angeboten (z. B. »Masterstudium
Schulentwicklung an der PH Weingarten). In den Bundesländern sind z.
T. gesonderte Landesinstitute für Schulentwicklung eingerichtet worden
(z. B. »Baden-Württembergisches
Landesinstitut für Schulentwicklung).
Mit dem »OES-Konzept
(Operativ Eigenständige Schule) an beruflichen Schulen in
Baden-Württemberg, das 2007 begonnen und seit 2010 an allen beruflichen
Schulen des Landes durchgeführt wird, hat Baden-Württemberg ein Modell
geschaffen, das zur "Stärkung der pädagogischen und fachlichen
Erstverantwortung der beruflichen Schulen" beitragen soll und in dessen
Mittelpunkt "die Sicherung und Entwicklung der Unterrichts- und
Schulqualität" steht. Neben dem Aufbau eines systematischen
Qualitätsmanagements wird dabei auch an eine Erweiterung der
betriebswirtschaftlichen Gestaltungsräume der Schulen gedacht.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
26.11.2013
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