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Eltern, Lehrer und Lehrerinnen, Erzieherinnen und Erzieher sind sich in der
Frage der Auswirkungen des
Fernsehkonsums im
Vorschulalter mitunter schnell einig: Die
Medien,
insbesondere das
Fernsehen, sind schuld an Verhaltensauffälligkeiten
(Konzentrationsprobleme, Hyperaktivität, Aggression) und an vielen sonst
wahrgenommenen Problemen in Familie und Kindergarten (z.B.
"Montagssyndrom") und in der Gesellschaft im Ganzen (z.B.
Gewaltproblematik). Derartige Urteile greifen freilich viel
zu kurz. Denn bei diesen Problemen kommen immer eine ganze Reihe von
Faktoren zum Zuge. Monokausale Schuldzuweisungen führen hier nicht weiter.
Allerdings sorgen auch die z. T. sehr widersprüchlichen und im
Grundsätzlichen miteinander konkurrierenden Ansätze und Richtungen der
Medienforschung
(Wirkungsforschung,
qualitative Medienforschung) dafür, dass heute diese, morgen jene
Pressemeldung von immer wieder neuen, endlich wissenschaftlich
unbestreitbaren Forschungsergebnissen spricht. Ohne die nötige Komplexität
des Themas darzustellen, werden dann meist mehr oder weniger griffige, zu
griffige (!) Ergebnisse und Konzepte präsentiert.
Gegen solche kausalen Pauschalattributionen
ist, wie Ulrike Six (1998) darstellt, Grundsätzliches einzuwenden:
"Medienwirkungen setzen sich [...] aus
verschiedenen Elementen einer komplexen Wirkungsdynamik zusammen, die
neben formalen und inhaltlichen Merkmalen auf Seiten des Medienproduktes,
längerfristigen und aktuellen Merkmalen des Mediennutzers, seiner
Nutzungsweise und seiner Kontextbedingungen sowie der akuten
Nutzungssituation die für Wirkungen enorm wesentlichen Rezipienten-Aktivitäten
einschließt."
(Ulrike
Six 1998, S.95f.)
Die Auswirkungen des
Fernsehkonsums im
Vorschulalter dürfen nicht als
reine Einbahnstraße nach dem Muster eines
Reiz-Reaktionsmodells
betrachtet werden. Aus diesem Grunde wird von
kompetenzorientierten
und kindzentrierten Ansätzen der
Medienerziehung
das aktive Zutun des die Medien rezipierenden Kindes im Rahmen eines
konstruktiven
Prozesses hervorgehoben. Dies geschieht in Übereinstimmung mit moderner Lerntheorie und kognitiver
Psychologie:
"Auch kindliche Mediennutzer sind keineswegs nur passive und den
Medien hilflos ausgelieferte Rezipienten, für die Annahmen wie
beispielsweise 'Zeichentrickfilme machen Kinder aggressiv' generell gelten
könnten. Vielmehr tritt zwischen das jeweilige (und erheblich zu
differenzierende) Medienmaterial und die potentiellen Wirkungen immer der
aktive Rezipient: ein Individuum mit seinen jeweiligen Erfahrungen und
Dispositionen, aktuellen Befindlichkeiten und Motivationen sowie seinen
Milieu- und sonstigen Kontextbedingungen." (ebd.)
Ein Kind kann bei der Auswahl und Wahrnehmung von
Medieninhalten z.B. folgende Aktivitäten oder eine Auswahl von
diesen Aktivitäten zeigen:
-
Einbeziehen eigener Gedächtnisleistungen
-
Einbeziehen vorheriger Erwartungen
-
Einbeziehen von bisherigen (Medien-)Erfahrungen
-
Benutzen von Medienerlebnissen für eigene
lebensweltlich wichtige Themen
-
Umdeuten von medial vermittelten Informationen oder
u. U. deren Verzerrung
Diese und ähnliche Rezeptionsaktivitäten sind u. a. bedingt
von
-
den handlungsleitenden entwicklungsbedingten und
individuellen Themen der Kinder (z.B. "Großwerden")
-
den begrenzten kognitiven und emotionalen
Verarbeitungsmöglichkeiten jüngerer Kinder (altersbedingte
Verarbeitungsmöglichkeiten)
-
der begrenzten Aufmerksamkeitsspanne (dadurch
"gestreute Aufmerksamkeit", d.h. bruchstückhaft aufgenommenes
Medienmaterial wird mit eigenen Vorstellungen geschlossen)
(vgl.
Six,
Ulrike 1998, S.96)
Was Vorschulkinder verstehen können und
wovon dieses Verstehen abhängt, kann mit Hilfe von Theorien zur kognitiven,
affektiven und moralischen Entwicklung von Kindern analysiert werden.
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