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Der Uses-and-Gratifications-Ansatz

Überblick


In den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts setzte sich die Medienforschung von den den älteren Ansätzen der Wirkungsforschung mit ihrem kausalen Allmachtsmodell und der medienzentrierten Betonung von Sender und Inhalt ab und wandte sich stärker dem Rezipienten zu, dem bei der Nutzung von Medien eine größere Autonomie zugebilligt wurde. Damit wurde auch der These von der Allmacht der Medien endgültig der Boden entzogen und die Medienwirkungsforschung erreichte mit den Arbeiten von Joseph T. Klapper (1949 und 1960) ihre 2. Phase: Die Phase der wirkungsschwachen Medien.

Fortan interessierte die Frage:" Warum nutzen Menschen die Medien und wenden sich ihren Inhalten zu?" Damit wurde die Fragestellung der älteren Wirkungsforschung "Was machen die Medien mit den Menschen?“ quasi auf den Kopf gestellt und dieser Wechsel in der Fragestellung stellte in gewisser Hinsicht einen Paradigmenwechsel in der Wirkungsforschung dar. (vgl. Katz u. a. 1974, vgl. Jäckel 2005, S.71) Damit wurden auch die Medieninhalte zusehends unwichtiger.

Der Mediennutzer erhält damit eine, allerdings begrenzt aktive, Rolle bei der Auswahl von Medien und Medieninhalten. Im Gegensatz zu den Ansätzen der älteren Wirkungsforschung, die im erweiterten Wirkungsmodell mit seinen intervenierenden Variablen dem Konzept der Selektivität lediglich die Rolle eines Störfaktors auf dem Weg der massenmedialen Botschaft zu ihrem Empfänger zugewiesen hat, wird der Mediennutzer nun zu einer Art Mitspieler, der Medien zur Steigerung seines psychischen Wohlbefindens nutzt.

Grundannahmen

Der Uses-and-Gratifications-Ansatz geht nach Jäckel (2005, S.74) von zwei Grundannahmen aus:

  • Medienangebote werden auf der Grundlage eines Zweck-Mittel-Denkens intentional und absichtsvoll genutzt, um bestimmte Ziele bei der Bedürfnisbefriedigung zu erreichen.

  • Der Rezipient wählt aus dem vorhandenen Medienangebot aus, welches Medienangebot für welche Art von Bedürfnisbefriedigung dienen soll. Dabei können zur Befriedigung eines bestimmten Bedürfnisses auch andere Handlungen vollzogen werden, die jenseits der Mediennutzung liegen.

Neuartige Rezipientenorientierung

Die neue Form der Rezipientenorientierung mündet in der Grundfrage, welchen Nutzen die Rezipienten aus den Medien ziehen. Dabei geht es im Kern darum, "welche Nutzungsfunktionen und überdauernden sozialen Bedeutungen den Medien in Form von Erwartungshaltungen zugeschrieben werden“ (Baacke u. a. 1991, S. 18)
Zuschreibungen dieser Art können nur von einem mehr oder minder aktiven Publikum vorgenommen werden. Und als Aktivität des Rezipienten stellt es ein aktives, zielgerichtetes und sinnhaftes Entscheidungshandeln des einzelnen im Rahmen seines sozialen Handelns dar. (vgl. Bonfadelli 2004, S.161)

Diese Auffassung darf jedoch nicht zur Annahme führen, Medienwirkungen könnten de facto völlig allein und willkürlich vom Rezipienten herbeigeführt werden, denn dieser ist  "in der Erfüllung von Bedürfnissen an Vorgaben gebunden, auf die er in der Regel keinen Einfluss hat.“ (Jäckel 2005, S. 72) Er kann nur aus einem vorhandenen Medienangebot wählen und die Bedingungen, unter denen die Medienrezeption stattfindet, liegt auch häufig außerhalb der willentlichen Kontrolle und Gestaltung durch den Rezipienten selbst.
Dennoch: Der Nutzen- und Belohnungsansatz fokussiert seine Aufmerksamkeit auf den Nutzer mit seinen spezifischen Interessen, Motiven und Präferenzen. Das hat ihm nicht ganz zu Unrecht die Kritik der Überbetonung des Individuums im Kommunikationsprozess eingebracht, dem er mit einer verstärkten Berücksichtigung des allgemeinen Handlungsrahmens, in dem die Medien genutzt werden, begegnete.
Insgesamt gesehen wird Mediennutzung im Uses-and-Gatifications-Modell trotz der gemachten Einwände als "absichtsgeleitetes Handeln“ gesehen. In einem solchen Konzept haben die Medien nur "instrumentellen Charakter“. Daher ergibt sich trotz der gerade formulierten Einwände, dass im Gratifikationsansatz die Medienwirkung letzten Endes vom Individuum selbst gesteuert wird. (vgl. Jäckel 2005, S. 72)

Nutzungserwartungen und Funktionen von Medien

Medien sind ihren Rezipienten nach dieser Auffassung auf vielfältige Weise von Nutzen. Dabei spielen allerdings nicht allein individuelle Erwartungshaltungen eine Rolle, sondern auch soziale Faktoren, die den Umgang mit den Medien maßgeblich beeinflussen können. Diese Funktionsvielfalt der Medien lässt sich in zwei Gruppen unterscheiden:
 

Primäre Funktionen
(zumeist intentiert)
Sekundäre Funktionen
(zumeist nicht-intendierte; hidden curriculum)
  • Information

  • Unterhaltung

  • Meinungsbildung

  • Herstellung geschlossener Medienwelten

  •  …

  • Ersatz für reale zwischenmenschliche Kommunikation

  • Prestige ("Bescheidwissen“)

  • selbstzweckhafte, auf nichts zielende Verbringung von Zeit

  • ...

Eines der Probleme des Nutzen-Ansatzes ist die Tatsache, dass er stets auf Bedürfnisse der Rezipienten zurückgreifen muss. Denneine letzten Endes befriedigende Klarheit darüber, was eigentlich Bedürfnisse des Menschen im Allgemeinen und "Medienbedürfnisse“ im Besonderen sind, gibt es leider nicht. So kann nicht hinreichend erklärt werden, "warum Medien-Rezipienten bestimmte Bedürfnisse haben und wie sie dazu kommen, bestimmte Inhalte als Mittel für die Befriedigung dieser Bedürfnisse anzusehen.“ (Baacke u. a. 1991, S. 19)

Kritikansätze

In der Kritik des Ansatzes wurde darüber hinaus auf folgende Punkte hingewiesen:

  • zu isolierte Betrachtung der Rezeptionssituation

    • Überbetonung des Individuums bei der Rezeption

    • zu geringe Berücksichtigung von Faktoren wie emotionale Zustände, Wissen und sozialer Kontext der Rezipienten

  • zu große Dominanz der zweckorientierten Perspektive bei der Mediennutzung (Finalismus)

  • Überschätzung der Fähigkeiten von Individuen, die Bedeutung und die Rangordnung von Interessen und Bedürfnissen adäquat zu erkennen

  • zu große Vernachlässigung der Medieninhalte

  • der Ansatz in der Forschungspraxis nur schwer umzusetzen sei (Bedürfniserhebungen beim Publikum)

(vgl. Vollbrecht 2001, S. 117, vgl. Jäckel 2005, S. 74)

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 01.08.2017

                  
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