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Deutschland
war zwischen 1947 und 1989 einer der wichtigsten internationalen
Brennpunkte im »Kalten Krieg. Auf
deutschem Boden - in West und Ost - zeigte
sich die "kalte" Konfrontation der Militärbündnisse in besonderer Weise. Nicht zuletzt
hier
entschied sich in verschiedenen
Deutschland-
bzw. Berlin-Krisen der Nachkriegszeit, ob die beiden
großen Supermächte USA und Sowjetunion, trotz ihres unüberwindbar
scheinenden ideologischen und machtpolitischen Gegensatzes, eine globale
militärische Auseinandersetzung vermeiden konnten, welche die ganze Welt
in den Abgrund führen konnte.
Auch wenn die politische Welt vom Kalten Krieg gekennzeichnet war,
konnte sich Deutschland, und das gilt in letzter Konsequenz für beide
deutsche Staaten, weiter entwickeln. Während sich die Waffenarsenale
auf beiden Seiten in einem Rüstungswettlauf ohnegleichen vergrößerten,
die Bedrohungslage, in Panzern, Divisionen, Atomsprengköpfen ausgedrückt,
Ängste vor einem sicheren
Overkill im Kriegsfall anhaltend schürte, erfuhren
Deutschland und Europa in der gleichen Zeit eine Entwicklung von
Wohlstand, wie er bis dahin nicht zu finden gewesen war. Im Westen
vollzog sich eine Demokratisierung des gesellschaftlichen und
politischen Lebens, entwickelte sich auf den Grundlagen des mehr und
mehr verbürgten Wohlfahrtsstaates eine Zivilgesellschaft, welche den
westlichen Demokratien eine vergleichsweise hohe Stabilität im Innern
gaben. Aber auch im Osten konnten sich im Kalten Krieg
Modernisierungsprozesse durchsetzen, die das Leben der Menschen
verbesserten (Industrialisierung, Alphabetisierung, soziale
Sicherungssysteme), auch wenn sie unter den diktatorischen
sozialistischen Regimen von oben verordnet und bürokratisch vollzogen
worden sind. (vgl.
Kaelble 2011) Indessen dauerte es einige Zeit bis die politische,
ökonomische und gesellschaftliche Krise, welche die europäischen Staaten
in Ost und West in der Nachkriegszeit durchmachten, überwunden werden konnte.
Deutschland wie auch Europa als Ganzes waren dabei geprägt von einer
Ambivalenz von Krise und Aufbruch, "von Krise und neuen, sich als
dauerhaft erweisenden Weichensteillungen". (ebd.,
S.45)
Das Schaubild soll die
Grundlinien und Grundstrukturen der Entwicklung auf deutschem Boden vom
Bruch der Anti-Hitler-Koalition nach dem Zweiten Weltkrieg ausgehend bis
zu den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in einem kurzen
Gesamtüberblick darstellen und zugleich den Blick auf die Konsequenzen
dieser Entwicklung bis in unsere Tage öffnen (Ost-Erweiterung der NATO, Ende
einer bipolaren Welt der großen Blöcke in West und Ost).
Auch wenn das obige Schaubild den Akzent auf die militärische
Blockbildung und die daraus erwachsende Gefahr einer militärischen
Konfrontation legt, ist der Kalte Krieg mehr als das. Über die
militärische Konfrontation ist er natürlich auch "ein Konflikt, in dem
es ebenso um Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur ging." (Kaelble 2011,
S.25)
Ob die "Teilung der Welt in einander absolut feindlich gegenüberstehende
Machtblöcke [...], die sich wechselseitig bedroht fühlten" (Loth
1990, S.116f.), zwangsläufig kommen musste, ist auch in der
historischen Forschung umstritten. Lange Zeit bestimmte, wie es Eric
Hobsbawm (1995,
S.298) formulierte, "eine Art ideologisches Tennismatch" die Debatte
darüber, ob die Sowjetunion oder die USA die Hauptverantwortung für die
Entwicklung zum Kalten Krieg zu tragen hätten. Lange Zeit standen sich
daher auch in der Forschung zwei Richtungen gegenüber: Die so genannte
traditionelle Auffassung machte vor allem in der westlichen Literatur
den sowjetischen Expansionismus, die revisionistische Auffassung den auf
dem politischen und ökonomischen System des Kapitalismus in den USA
beruhenden ökonomischen Imperialismus der Vereinigten Staaten
verantwortlich. (vgl.
Loth (1980,
S.9-18)
So betont z. B.
Loth (1990,
S.116f.), dass die USA zunächst keineswegs beabsichtigt hatten, "sich in
Europa auch politisch dauerhaft zu engagieren". Und ebenso sei die
Sowjetunion trotz ihres Festhaltens an einem revolutionären
Selbstverständnis bei ihrer Interessensicherung in Osteuropa durchaus
pragmatisch und flexibel gewesen. Jedenfalls, so Loth weiter, "(war) an
eine Ausweitung des sowjetischen Einflussbereiches über den Machtbereich
der Roten Armee hinaus (...) im Rahmen konkreter Perspektiven überhaupt
nicht zu denken, so dass die tatsächliche sowjetische und kommunistische
Politik hier alles andere als systemgefährdend war." Und, so
Winkler
(2014, S.25): "Der «Generalissimus» (ein Titel, den der sowjetische
Diktator seit Ende Juni 1945 führte), glaubte zudem, sich Zeit lassen zu
können." Für die Entstehung
des Kalten Krieges trägt nach Loth vor allem die US-Regierung
Verantwortung, da sie "aufgrund ihrer strukturellen Überlegenheit (...)
die größeren Möglichkeiten (besaßen), die tatsächliche Gestaltung des
künftigen sowjetisch-amerikanischen Verhältnisses zu bestimmen." So
hätten sie unter anderem, die sowjetischen Sicherheitsinteressen in
Osteuropa eindeutiger anerkennen können, die Initiative zu einer
internationalen Atomwaffenkontrolle ergreifen und der Sowjetunion und
dem Osten Europas wirtschaftlich so unter die Arme greifen können,
das beide Seiten davon hätten profitieren können. Wenn die USA einen
derartigen nicht-konfrontativen Kurs friedlicher Verständigung
eingeschlagen hätten, so
Loth
(ebd.), dann wäre auch die "Asymmetrie in der
Sicherheitslage beider Mächte" abgebaut worden. "Indem die amerikanische
Regierung", so Loths Resümee, "die sowjetische Sicherheitssphäre de
facto nicht anerkannte und die atomare und wirtschaftliche
Überlegenheit, wenn auch vergeblich, zur Revision der in Osteuropa
geschaffenen Lage einzusetzen versuchte, initiierte sie 1945 einen
Mechanismus wechselseitiger Fehlwahrnehmungen und Konflikteskalation:
Die amerikanischen Entscheidungsträger missdeuteten die
Sicherheitspolitik der Sowjetunion als Beleg für prinzipiell
unbegrenzten sowjetischen Expansionismus und reagierten mit der
Verweigerung weiterer Kooperation; die sowjetische Führung missdeutete
diese Kooperationsverweigerung als Beleg für einen notwendigerweise
aggressiven Charakter des expandierenden US-Kapitalismus und reagierte
mit weiterer Verhärtung ihrer Sicherheitspolitik. Dieser Circulus
vitiosus ist in den Jahren nach 1945 nicht mehr unterbrochen worden; und
so wurde die Blockbildung dann mehr und mehr definitiv."
Natürlich ist auch dieser Deutung von namhaften Historikern widersprochen
worden, die für die Entstehung des Kalten Krieges vor allem Stalins
Sowjetunion verantwortlich machten. Heute wird der Schuldfrage
in der historischen Forschung keine so große Bedeutung mehr beigemessen, "da unter den damals
gegebenen Umständen beide Supermächte aus unterschiedlichen Gründen
starke Motive für den Eintritt in den Kalten Krieg besaßen." (Kaelble 2011,
S.27)
In einer Situation, in der die europäischen Staaten selbst angesichts
der allgemeinen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Krise außerstande waren, eine Friedensordnung in eigener Regie
hinzubekommen, füllten die beiden neuen Supermächte das entstandene
Machtvakuum, indem sie mit ihren "gegensätzlichen globalen
Missionsprogrammen" (ebd.)
auch in Europa gegeneinander antraten: "die USA mit der wirtschaftlichen
Liberalisierung und Demokratisierung, die UdSSR mit der wirtschaftlichen
Modernisierung durch staatliche Planung und der Diktatur der
Kommunistischen Partei." (ebd.)
Dabei waren diese gegensätzlichen Programme kein Produkt der
Nachkriegsentwicklung, sondern spielten, solange man im Kampf mit
Nazi-Deutschland gemeinsame Sache machte und machen musste, eben keine
entscheidende Rolle. Als ihre Gegensätzlichkeit nach dem Krieg offen
zutage trag, machten sich beide Supermächte daran, ihre eigene
Sicherheit global und auf europäischem Boden zu perfektionieren. Die
Sowjetunion tat dies mit dem Aufbau eines Schutzschildes von
Satellitenstaaten im Osten Europas und die Amerikaner mit der von ihrem
Präsidenten Truman 1947 verkündeten »Containment-Politik
(→Die
Truman-Doktrin (1947), mit der sie das
weitere Ausbreiten des sowjetischen Einflusses auf der Welt verhindern
wollten. (vgl. ebd..)
Dessen ungeachtet kann die oben zitierte Darstellung
Loths
(ebd.) doch für sich verbuchen, die
"Automatismen" offenzulegen, die entstehen, wenn in der Außenpolitik
unterschiedliche Deutungen (Interpunktionen) von Ereignissen und Motiven
ihre Dynamik entfalten können. Zugleich ist es auch ein Fingerzeig
darauf, selbst bei sich entwickelnden Konflikten die
Kommunikationskanäle so lange als nur irgend möglich offen zu halten,
ohne die die jeweils unterschiedlichen Deutungsperspektiven der
Konfliktparteien allzu schnell einem Interpunktionsschema folgen: Ich
tue nur, weil du tust und du tust nur, weil ich tue. Ein Blick auf
zeitgenössische Konflikte, die sich im Gefolge der Osterweiterung der
NATO nach 1999 zwischen dem westlichen Verteidigungsbündnis und Russland
(z. B. Krim-Annexion durch Russland und der Ukraine-Konflikt 2014)
ergeben haben, legen dafür ein beredtes Zeugnis ab. Unter anderen
politischen und gesellschaftlichen Vorzeichen lassen sich darin aber
durchaus auch Analogien erkennen. Denn ähnlich wie Stalin nach dem
Zweiten Weltkrieg der Wiederauferstehung des so genannten "»Cordon sanitaire", dem Sicherheitsgürtel von antikommunistisch und
antisowjetisch ausgerichteten Staaten Ost- und Mitteleuropas durch die
Installierung sowjetfreundlicher Regime einen Riegel vorschob und die
von der Roten Armee besetzten Gebiete im Osten Europas zu einem
"Schutzschild" machte, "der das Ursprungsland des Kommunismus wirksam
vor Expansionsbestrebungen der «imperialistischen» Westmächte abschirmte
und ihm zugleich die Möglichkeit gab, seine Position in Europa
längerfristig weiter auszubauen" (Winkler
2014, S.30f.), so widerstrebt wohl dem heutigen Russland (2014),
dass durch die Ost-Erweiterungen der NATO ab 1999, wenngleich auf dem
Selbstbestimmungsrecht der betreffenden Nationen beruhend, das westliche
Verteidigungsbündnis bis an die Grenzen Russlands herangerückt ist.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
07.12.2014
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