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Carl Eugens Auseinandersetzung mit den Ständen

Die Auseinandersetzung um die Erziehung des unmündigen Herzogs

 
GESCHICHTE
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Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793)
Konkurrenzkampf und Prasserei: Absolutistische Repräsentation von Macht
Fürst und Land: Dualistischer Ständestaat in Württemberg- Verfassung in Württemberg
Versailles in Schwaben: Ludwigsburg zur Zeit Carl Eugens
Höfische Festkultur zur Zeit Carl Eugens

Als »Herzog Carl Alexander (1664-1737) im März 1737 stirbt, hinterlässt er seine 21 Jahre jüngere Frau »Maria Augusta Sophia von Thurn und Taxis (1706-1756) mit den gemeinsamen 5 Kindern, die zu dieser Zeit zwischen 2 und 9 Jahren alt sind. ▪ Carl Eugen (geb. 1728), der älteste der vier Söhne, wird im minderjährigen Alter von neun Jahren Thronfolger.

Die Rache der Stände am Hofjuden von Herzog Carl Alexander

Die schon schwelenden Auseinandersetzungen zwischen Herrschaft und Landschaft, die wegen Machtansprüche Carl Alexanders und seiner ausufernden Finanzbedarfs zustande gekommen waren, hatten mit den illegalen Finanzaktionen seines Geheimen Finanzrates »Joseph Süß Oppenheimer (1698-738) den ganzen Hass der Stände und der ▪Ehrbarkeit auf sich gezogen.

Dieser belieferte als »Hof- und Kriegsfaktor den Hof mit Luxuswaren aus aller Herren Länder, kaufte für das Heer Munition und Proviant im Ausland, verschaffte seinem Herrn Kapital an allen Bank- und Börsenplätzen Europa, machte sich Gedanken, wie er aus dem Land selbst mehr für seinen Herrn herausholen konnte, um dessen Hofhaltung und Unternehmungen zu finanzieren. Das Amt wurde an den verschiedenen Höfen oft von Juden ausgeübt, die zu dieser Zeit auch als Hofjuden bezeichnet worden sind. Das Hofjudentum leistete dabei einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur ▪ Entwicklung des frühmodernen Staates im Absolutismus und seiner »merkantilistischen Wirtschaftsform. (Stern 2001, S.12)

Gewöhnlich spielte die Religion des Hofjuden keine große Rolle. Joseph Süß Oppenheimer, der später nach seiner Verhaftung Jud Süß genannt wurde - die Nazis drehten 1940 einen »antisemitischen Propagandafilm mit diesem Titel - , stellte sich wie alle Amtsträger seiner Art ganz in den Dienst seines Herrn und stellte ihm, so wie dies die Hofjuden gewöhnlich taten, in einer besonderen persönlichen und menschlichen Beziehung zwischen Fürst "alle seine Kapazitäten leistungsbereit und aufopfernd seinem Fürsten zur Verfügung." (ebd.,  S.15) Das unbedingte Vertrauensverhältnis, das dieser Beziehung zugrunde lag, resultierte dabei offenbar nicht nur aus den gemeinsamen Interessen, sondern bei allem sonst Trennenden aus dem Leben "in der gleichen Isolation: der Fürst, auf Grund seiner Unnahbarkeit und Allmacht, der Hofjude auf Grund seiner Religion und Herkunft, die ihn von der übrigen Gesellschaft ausschloss."  (ebd.)

»Joseph Süß Oppenheimer (1698-738) war ein »kurpfälzischer Schutzjude, der im Gegensatz zu nur zeitweise Zugereisten, als Ortsansässiger unter dem Schutz der Obrigkeit stand. waren, In seinem Dienst für »Herzog Carl Alexander (1664-1737) sehr erfolgreich und stand für eine moderne »merkantilistische Wirtschafts- und Handelspolitik, die auch ihn selbst reich machte. Ohne jeden jeden Skrupel verschaffte er seinem Herrn durch "Ämterkauf, Münzverschlechterung, jede Form von Bestechung und gesetzloser Bereicherung" (Walter 1987, S.35) die nötigen finanziellen Mittel.

Nach dem Tod von »Herzog Carl Alexander (1664-1737) am 12. März 1737 und in der Zeit der Vormundschaftsregierung für seinen Thronfolger ▪ Carl Eugen (1728-1793) entlud sich der ganze aufgestaute Hass der ▪ Ehrbarkeit gegen Joseph Süß Oppenheimer.

Schon in der Nacht vom 12. auf den 13. März 1737 wurde er verhaftet und auf die Festung Hohenneuffen gebracht. Man bildete eine Inquistionskommission gegen ihn, setzte ihn unzähligen Verhören aus, kerkerte ihn nach der Eröffnung eines Kriminalprozesses Ende März ab dem 30. April 1737 auf dem »Hohenasperg ein. Verhaftungen und Verhöre, die zum Teil mit Folter verbunden waren, zogen sich bis zum Jahresende hin.

Nach dem Todesurteil wegen "Hochverrats" gegen ihn - man konnte ihm keines der ihm sonst zur Last gelegten Tatbestände (Majestätsbeleidigung, Beraubung der staatlichen Kassen, Amtshandel, Bestechlichkeit, Schändung der protestantischen Religion und sexuellen Umgang mit Christinnen) zweifelsfrei als Verbrechen nachweisen - wird er am 4. Februar oben auf dem zwölf Meter hohen Galgen -  je höher der Galgen, desto schimpflicher die Strafe - öffentlich vor zehntausenden von Zuschauern auf dem Marktplatz von Stuttgart hingerichtet.

Die Leiche des Hingerichteten blieb sechs Jahre lang in einem Käfig hängen, bis Carl Eugen 1744 die sterblichen Überreste an Fuß des Galgens verscharren ließ. Das Exempel, das die Ehrbarkeit an Joseph Süß Oppenhauer hatte exerzieren lassen, hatte ausgedient.

Der Streit um die Vormundschaft des Thronfolgers

Als »Herzog Carl Alexander (1664-1737) stirbt, sind dessen Pläne einer ▪ Verfassungsänderung, mit der er den ▪ Dualismus von Fürst und Land, das Machtverhältnis von Fürst und der oligarchischen ▪ Ehrbarkeit, zu seinen Gunsten neu bestimmen wollte, vom Tisch und die Stände wegen der Unmündigkeit seines gerade mal neun Jahre alten Sohnes und Thronfolgers ▪ Carl Eugen (1728-1973) sind für einige Zeit obenauf.

Auf Drängen der Landstände trat der Herzog »Carl Rudolf von Württemberg-Neuenstadt (1667-1742) als Neffe des Vaters von Carl Alexander, der als nächster männlicher Verwandter (»Agnat) dafür in Frage kam, die Vormundschaft an, die er aber aus Krankheitsgründen schon im August des folgenden Jahres 1768 wieder ab- und an Herzog »Carl Friedrich II. von Württemberg-Oels (1690-1761) abgab, die dieser bis zum Regierungsantritt Carl Eugens im 1744 ausübte. Beide Landesadministratoren kamen den Landständen entgegen, so dass sich das Verhältnis von Fürstenhaus und Land in dieser Zeit deutlich entspannte.

Bei der Erteilung der Vormund- und Regentschaft an diese beiden Herzöge, die den diesen Titel aber nur als eine Art Ehrentitel trugen, setzten sich die Landstände über das Testament des verstorbenen Herzogs hinweg. Dieser hatte nämlich verfügt, dass neben seinem Cousin »Carl Rudolf von Württemberg-Neuenstadt (1667-1742), seine Witwe »Maria Augusta Sophia von Thurn und Taxis (1706-1756) und der katholische Bischof von »Würzburg und »Bamberg, »Karl Graf von Schönborn (1674-1746), der 1737 als »Reichsvizekanzler für den habsburgischen Kaiser »Karl VI. (1685-1740) in Wien, der »Reichshofkanzlei, der obersten Behörde des »Heiligen Römischen Reiches vorstand, gemeinsam die Regentschaft übernehmen sollten. Allerdings war die Einsetzung eines ausländischen, dazu noch katholischen Mitregenten in Württemberg für die protestantischen Stände unannehmbar und auch verfassungsrechtlich nicht möglich. (vgl. Sting 2005, S.175).

Unumstritten war die die Regelung der Vormundschaft daher nicht, weil sich in der Frage der Mitregentschaft des Würzburger Bischofs ganz grundsätzliche Fragen für Württemberg und seine weitere Entwicklung stellten.

Gleich nach dem Tod »Herzog Carl Alexander (1664-1737) kommt es zu Auseinandersetzungen über die die Vormundschaft bei der sich zwei Parteien auch als konfessionelle Lager gegenüberstanden. Auf der einen Seite formierte sich die katholische Partei, angeführt von der Herzogin-Mutter »Maria Augusta (1706-1756) unterstützt vom katholischen Österreich und von Resten der Partei um den gestürzten Süß Oppenheimer

Auf der anderen Seite stellten sich die Landstände und der neue Administrator »Carl Rudolf von Württemberg-Neuenstadt (1667-1742), die sich nicht nur beharrlich weigerten, die Testamentsverfügung des verstorbenen Herzogs anzuerkennen, sondern auch in einer mehr oder minder konzertierten Aktion darangingen, die alten Parteigänger »Herzog Carl Alexanders (1664-1737) wie z. B. Süß Oppenheimer (sein Todesurteil wird von dem neuen Regenten unterzeichnet) und andere hohe Beamte der Vorgängerregierung und aus der höfischen Umgebung der Herzogin-Witwe aus dem Amt zu jagen oder zu verhaften. (vgl. Walter 1987, S.36)

Im Laufe des Jahres 1737 einigte man sich dann doch in einer Art Vergleich. Die Herzogin-Mutter durfte sich danach "Obervormünderin" nennen und auch "die Erziehung der Kinder, die Wahl der dazu nötigen Lehrer und Geistlichen  wurden ihr zugestanden" sowie "die freie Ausübung der katholischen Religion". (ebd. S.37) Ihren politischen Einfluss auf die Geschicke des Landes musste sie dafür allerdings preisgeben.

Da die Mutter des Thronfolgers aber ohnehin meistens auf Reisen im Ausland befand und das höfische Leben unter dem "ältlichen und trockenen Herzog von Württemberg-Neuenstadt" (ebd.) wenig abwechslungsreich war, begann für den neunjährigen ▪ Carl Eugen (1728-1973) eine neue Lebensphase. Von seinen ausschließlich protestantischen Lehrern hatte er sich mit Latein, Deutsch, Mathematik, Fechten, Klavierspiel, Mythologie, Geschichte der Baustile, Münzkunde und württembergischer Geschichte und Sittenlehre zu beschäftigen. (vgl. ebd.)

Das "Idealbild dieser Erziehung", die ihm dabei zuteil wurde. orientierte sich an dem Bild eines "gewandte(n) Hofmann(es)" (ebd. S.38), für den körperliche Ertüchtigung beim Fechten, Reiten oder Tanzen und das Erlernen höfischer Umgangsformen so wichtig war, wie eine solide Schulbildung.

Nach der Übergabe der Regentschaft an »Carl Friedrich II. von Württemberg-Oels (1690-1761) im Jahr 1738, in das auch das öffentliche Todesurteil gegen Süß Oppenheimer fiel, unternahm die Herzogin-Mutter aber erneut Vorstöße, um die Erziehung Carl Eugens und seiner Brüder dem Einfluss der protestantischen Landstände zu entziehen. Dazu entließ sie einige Beamte im Umfeld von Carl Eugen und ersetzte sie mit loyalen Gefolgsleuten, wie z. B. den Baron und Oberst der »Garde du Corps »Rudolph von Laubsky (1700-1754), der fortan für alle Erziehungsfragen der drei Prinzen verantwortlich wurde.

Die Erziehung Carl Eugens am Hof Friedrichs des Großen in Preußen 1641 bis 1644

Auch wenn Württemberg selbst nur eine ▪ Macht dritten Ranges war und im Konzert der Großmächte der Zeit nicht wirklich mitspielen konnte, war seine Rolle vor allem dann nicht unbedeutend, wenn die Großmächte aus verschiedenen machtpolitischen Interessen heraus in eine militärische Auseinandersetzung miteinander gerieten. Hier ging es für Württemberg aber immer auch darum, wenn es sich in solche Konflikte verwickeln ließ, nicht unter die Räder zu kommen und gegebenenfalls vor- und umsichtig zu taktieren.

Im »österreichischen Erbfolgekrieg (1740-1748)  sieht sich das Land einer durchaus kritischen Situation gegenüber und soll Farbe bekennen, ob es an der Seite der österreichischen Königin »Maria Theresia (1717-1780) und ihrer britischen und niederländischen Verbündeten oder an der Seite des brandenburg-preußischen Königs »Friedrich II. (1712-1786) und seiner Verbündeten (Bayern, Spanien, Sachsen, Frankreich, Schweden, Neapel, die Kurpfalz und Kurköln) stand, deren Herrscher alle Anspruch auf mindestens Teile des Reiches geltend machten.

Maria Theresia, die sich nach dem Aussterben aller männlicher Linien der Habsburger aufgrund verschiedner Regelungen (sog. »Pragmatische Sanktion und Erbfolgepakt) berechtigte Hoffnungen machte, als rechtmäßige Erbin der » habsburgischen Erblande zu gelten, sah sich aber nach dem Tod »Karls VI. (1685-1740) mit der Tatsache konfrontiert, dass zwar die weibliche Erbfolge grundsätzlich akzeptiert wurde, welche Frau aber die Nachfolge antreten sollte, Maria Theresia als Tochter Kaiser »Karls VI. (1685-1740). oder eine der Töchter seines 1711 verstorbenen älteren Bruders Kaiser »Joseph I. (1678-1711, Kaiser 1705-1711), dem Karl VI. auf den Thron gefolgt war. Josephs I. jüngste Tochter »Maria Amalia (1701-1756) war seit 1722 mit bayerischen »Wittelsbacher »Karl Albrecht (1697-1745), dem »Kurfürsten von Bayern, und die ältere »Maria Josepha (1699-1757) mit Friedrich August (1696-1763), dem »Kurfürsten von Sachsen verheiratet.

Beide Kurfürsten lehnten die »Pragmatische Sanktion ab, die die Erbfolge zugunsten Maria Theresia geregelt und nach langem Hin und Her auch international anerkannt war, und erhoben Anspruch auf die habsburgischen Erblande. Im Kampf um das Gesamterbe Habsburgs, das schon der junge Friedrich II, der kurz nach seiner Thronbesteigung Ende Mai Mitte Dezember 1940 in die das habsburgische Schlesien "in jugendlicher Ungeduld" und dem "Willen zum Ruhm" (Schilling 1994a, S.287) eingefallen war, um Preußen auf Kosten der Habsburger  zu vergrößern und und "eine Neuverteilung der politischen Gewichte in Deutschland und Europa" (ebd., S.288) vorzunehmen, war der Auftakt zu dem Österreichischen Erbfolgekrieg geworden, der mit dem Einmarsch bayrisch-französischer Truppen nach Oberösterreich im Sommer 1741 begann und mit dem Aachener Friede 1748 beendet wurde. Mit dem Ende "eines der letzten großen Erbfolgekriege Alteuropas" (ebd., S.296) - die Kaiserwürde war schon 1745 nach dem kurzen Zwischenspiel des Wittelsbacher Kaisertums »Karls VII. von 1742-45 an die Habsburger zurückgefallen - wurde auch die "Umstrukturierung des Mächteeuropas" (ebd., S.297) vollzogen, der den Dualismus im Alten Reich zwischen Preußen und Österreich ebenso begründete wie die Pentarchie der großen europäischen Mächte (Großbritannien, Frankreich, Österreich, Preußen, Russland), die bis ins 19. Jahrhunderte die Geschicke der europäischen Welt bestimmte.

Württemberg spielte in dieser Auseinandersetzung keine Rolle, fürchtete aber stets in die Auseinandersetzung zwischen Preußen und Österreich hineingezogen zu werden. Der Administator »Carl Friedrich II. von Württemberg-Oels (1690-1761) tat dazu alles, um "strikte Neutralität zu wahren" (Walter 1987, S.40), fürchtete aber offenbar, dass die Habsburger auch gegen seinen und der Landschaft Willen den unmündigen Carl Eugen an einen katholischen Hof bringen könnten, so wie es ja auch die Herzogin-Mutter gerne gehabt hätte. So wurde der Thronfolger zu seinem Schutz zunächst im August 1741 einmal auf die Festung Hohentwiel gebracht, die außerhalb des württembergischen Territoriums lag, und von da auf die Festung Hohenurach, ehe er Anfang November wieder nach Stuttgart zurückkehrte, wo inzwischen  Herzogin-Mutter, die eine Weile in Berlin gewesen war, in der Erziehungsfrage ihrer Söhne eine 180-Grad-Wendung vollzogen hatte.

Sehr zur Zufriedenheit des Administrators und der Stände verfolgte »Maria Augusta (1706-1756) nämlich fortan den Plan, den unmündigen Thronfolger und seine beiden Brüder am protestantischen Hof »Friedrichs II. (1712-1786) von Brandenburg-Preußen erziehen zu lassen. Dieser war gerade als Sieger aus verschiedenen Schlachten des 1. Schlesischen Krieges (1740-1742) gegen das habsburgische Wien hervorgegangen, und hatte ohnehin ein Interesse daran, auch unter den Staaten des Alten Reiches Freunde und Verbündete zu finden. Und das Land und die Herzogin-Mutter schuf schließlich auch mögliche dynastische Verbindungen mit dem zur Großmacht aufsteigenden Preußen, das damit "aus dem Schatten Habsburgs" herausgetreten war und seinen "Stern am Firmament der europäischen Mächte erstrahlen" (Schilling 1994a, S.288) ließ. Als der dreizehnjärige Carl Eugen von dem förmlichen Vertrag hörte, der dem württembergischen Thronfolger in Berlin ein Haus, ein Lustschloss (Oranienburg) und einen Jagdbezirk für den für diese Zeit neugebildeten Hofstaat, zu dem über 40 Personen zählten, hörte, scheint er offensichtlich sehr begeistert gewesen zu sein. (vgl. ebd., S.43f.)

Der Tagesablauf Carl Eugens in Berlin war auf die weitere Erziehung des Thronfolgers ausgerichtet, die nach einem von dem Geheimen Rat Johann Gerhard Bilfinger entworfenen und vom württembergischen Regenten und der Herzogin-Mutter gebilligten Erziehungsplan erfolgte und damit sowohl von katholischer als auch protestantischer Seite Zustimmung gefunden hatte. Der Erziehungspaln orientierte sich dabei grundsätzlich an der üblichen Standeserziehung, bei der gesellschaftlich-höfische Elemente gegenüber wissenschaftlichen Elementen den Vorrang genossen (Schilling 1994a, S.314) und an dem chevaleresken Curriculum der Ritterakademien in Tanz, Reiten und diplomatischen Finessen" (Schilling 1994a, S.337).

Besonderes Augenmerk lag dabei darauf, dass der jugendliche Herzog seine religiösen Pflichten nach dem katholischen Ritus sorgfältig erfüllte (längeres Morgengebet, Bibellektüre und täglicher Besuch der katholischen Messe und eine Stunde Religionsunterricht pro Tag). Aber auch Elemente der Aufklärungspädagogik hatten Eingang in den Erziehungsplan gefunden: mit der in den wichtigsten Originalsprachen stattfindenden Lektüre der von der Aufklärung so hochgeschätzten traditionell lehrhaft-moralischen Fabeln sollten ihm leicht zu erfassende moralische Grundsätze vermittelt werden. Dazu kam Staatsrecht und die Naturrechtslehre und die Vermittlung von Grundwissen in Mathematik, Geometrie und Erdkunde. Und schließlich stand auch die körperliche Ertüchtigung als sehr wichtiges "Fach" auf dem Plan. (vgl. Walter 1987, S.45ff.). Eine militärische Ausbildung erhielt Carl Eugen allerdings nicht, auch wenn er schon im Jugendalter ehrenhalber von »Friedrich II. (1712-1786). zum preußischen Generalmajor und von »Maria Theresia (1717-1780) von Österreich ein Dragonerregiment verliehen bekam. (vgl. ebd. S.52) So konsequent wie gedacht konnte der genau austarierte Erziehungsplan aber nicht umgesetzt werden.

Das lag auch daran, dass »Maria Augusta Sophia von Thurn und Taxis (1706-1756), die Anfang Februar 1742 mit großem Gefolge nach Berlin gekommen war, die Verlobung Carl Eugens mit einer Nichte des Preußenkönigs, der damals gerade zwölfjährigen »Elisabeth Friedrike Sophia von Brandenburg-Bayreuth (1732-1780), einfädelte. Fortan musste der württembergische Thronfolger, wo es nur ging, auf Empfängen und Hoffesten dabei sein, an der die "lebenslustige Witwe" (ebd. S.50) ohnehin großen Gefallen hatte. So fiel angesichts der neuen Umstände und der damit verbundenen Präsentationspflichten der strenge Unterricht nach dem Erziehungsplan immer wieder ins Wasser und Carl Eugen "(entwickelte) eine ausgesprochene Neigung für das höfische Gesellschaftsleben" (ebd. S.51), das ihm mit seinen "Hoffesten, Jagden, Redouten, Konzerten, Spazierritten, Opernbesuchen und Bällen" (ebd.) nicht nur erlebnisorientierte Abwechslung sondern auch vielfältige Möglichkeiten zur Selbstdarstellung bot, Verhalten, das in seinem Alter und in seiner Stellung ohnehin nichts Außergewöhnliches war.

Seit dem April 1743 bis zur Abreise Carl Eugens aus Berlin in sein Herzogtum am 8. Februar 1744 zog sich ein machtpolitisches Gerangel mit Intrigen verschiedener Kräfte um die Vormundschaft für Carl Eugen. Dabei ging es vor allem um die unterschiedlichen Interessengruppen im In- und Ausland (z. B. Frankreichs, denen eine zu enge Verbindung zwischen den protestantischen Mächten Preußen und Württemberg ein Dorn im Auge war und den Interessen Preußens und der Landschaft in Württemberg, die an dieser Verbindung nicht nur festhalten, sondern sie durch die Hochzeit des katholischen Carl Eugen mit der protestantischen »Elisabeth Friedrike Sophia von Brandenburg-Bayreuth (1732-1780) noch stärken wollten. Dass dabei die Herzogin-Mutter, "die ohnehin noch eine Rechnung mit der Regierung und den Landständen in Württemberg begleichen wollte" (ebd., S.54) erneut unter den Einfluss der antipreußischen Partei geriet und wieder die Interessen ihres katholischen Hauses in den Vordergrund zu stellen begann, war eigentlich nicht weiter verwunderlich. Mit den ja von den Ständen ausdrücklich gebilligten Heiratsvereinbarungen für Carl Eugen hatte sie schließlich ein Druckmittel gegen die Landstände in der Hand und drohte auch mit deren Annullierung.

Friedrich II. war aber längere Zeit nicht gewillt, den auf Rückkehr drängenden Carl Eugen wieder nach Württemberg ziehen zu lassen. Dass dies 1744 dennoch geschehen konnte, lag daran, dass alle Parteien von der frühzeitigen Mündigkeitssprechung des württembergischen Thronfolgers zu profitieren glaubten, die die Aufhebung der preußischen Vormundschaft und die vorzeitige Rückkehr Carl Eugens nach Württemberg ermöglichte.

Mit Hilfe Friedrichs des Großen setzt »Maria Augusta Sophia von Thurn und Taxis (1706-1756) im Januar 1744, einen Monat vor seinem sechzehnten Geburtstag, die vorzeitige Volljährigkeitserklärung von ▪ Carl Eugen (geb. 1728) durch den aus dem bayerischen Geschlecht der »Wittelsbacher stammenden »Kaiser Karl VII. (1697-1747) durch und damit seine Regierungsfähigkeit. Friedrich II. gab dem jungen Fürsten mit seinem ▪ Fürstenspiegel Ermahnungen und Ratschläge auf den Weg, die diesen vor möglichen Fehlern bewahren und offenbar eine Erziehung nachholen sollten, "die der Prinz in Berlin eben nicht erhalten hatte." (ebd., S.59)

Auf dem Weg nach Hause in sein Herzogtum verlobte sich ▪ Carl Eugen mit der noch nicht einmal zwölfjährigen Ansbacher Prinzessin »Elisabeth Friedrike Sophia von Brandenburg-Bayreuth (1732-1780).  Diese Verbindung fand angesichts des evangelischen bzw. reformierten Glaubensbekenntnisses der künftigen Herzogin auch die Zustimmung der württembergischen ▪ oligarchischen Ehrbarkeit, zumal sie sich wegen der besonderen Beziehungen des neuen Herzogs zu Preußen eine "Verminderung des österreichischen Einflusses auf das württembergische Herzogtum" erhoffte (Sting 2005, S.482f.).

Wie sein Vater Carl Alexander unterzeichnet der junge Herzog die ▪ Religionsreversalien und erkennt den ▪ Tübinger Vertrag von 1514 an, ohne wohl im Geringsten abschätzen zu können, wie sehr ihn diese Akte in seiner Hofhaltung und Regierungspraxis einschränken würden.

Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793)
Konkurrenzkampf und Prasserei: Absolutistische Repräsentation von Macht
Fürst und Land - Verfassung in Württemberg
Versailles in Schwaben: Ludwigsburg zur Zeit Carl Eugens
Höfische Festkultur zur Zeit Carl Eugens

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 10.09.2023

   
 

 
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