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Carl Eugens Auseinandersetzung mit den Ständen

Überblick

 
GESCHICHTE
Grundbegriffe der Geschichte Europäische Geschichte Frühe Neuzeit (1350-1789) Zeitalter der Renaissance (ca.1350-1450)   Zeitalter der Entdeckungen (1415-1531) Reformation und Glaubenskriege (1517-1648)  Absolutismus und Aufklärung (ca. 1650-1789) Die Entstehung des frühmodernen Territorialstaats im Absolutismus  Repräsentation von Macht im höfischen Absolutismus ÜberblickLudwig XIV. (1638-1715) und der Hof von Versailles Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793) Didaktische und methodische Aspekte Überblick Zeittafel Württemberg und das Reich Fürst und Land: Dualistischer Ständestaat in Württemberg Überblick Entstehung des Dualismus von Fürst und Land Die Oligarchie der EhrbarkeitStrukturen des Dualismus von Herrschaft und Landschaft Selbstverständnis und Ziele von Fürst und Ständen Katholisches Herrscherhaus im protestantischen Land [ Carl Eugens Auseinandersetzung mit den Ständen Überblick Die Auseinandersetzung um die Erziehung des unmündigen Herzogs Versuche zur Ausdehnung der fürstlichen Macht Zwangsaushebungen und Vermietung von Söldnertruppen Kapregiment 1786-1806 ]Herzöge und Könige von Württemberg 1628-1918 Carl Eugen von Württemberg: Kurzbiographie Versailles in Schwaben: Ludwigsburg zur Zeit Carl Eugens Pädagogische Gründungen Carl Eugens Quellen Bausteine   Beginn des bürgerlichen Zeitalters  ▪ Deutsche Geschichte
 

Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793)
Konkurrenzkampf und Prasserei: Absolutistische Repräsentation von Macht
Fürst und Land: Dualistischer Ständestaat in Württemberg- Verfassung in Württemberg
Versailles in Schwaben: Ludwigsburg zur Zeit Carl Eugens
Höfische Festkultur zur Zeit Carl Eugens

Der schon schon im ▪ Tübinger Vertrag von 1514 angelegte Antagonismus von Fürst und Land hat auch die Regierungszeit von ▪ Carl Eugen (1728-1793) nachdem er ▪ als Sechzehnjähriger für volljährig erklärt worden ist, in den Jahren 1744 bis 1793 geprägt. 

  • Auf der einen Seite der herzogliche Landesherr mit seiner Regierung, dem Initiative und die Bewältigung landespolitischer Aufgaben allein obliegen.

  • Auf der anderen Seite setzt das Recht zur Geld- bzw. Steuerbewilligung, das allein in die Hände der Landschaft gelegt ist, einem eigenmächtigen Vorgehen des fürstlichen Monarchen enge Grenzen.

Die Herrschaft der Fürsten in Württemberg war sehr zu ihrem Leidwesen doch beträchtlich eingeschränkt, zumal jeder neue Herzog, bevor ihm gehuldigt wurde, die im ▪ Tübinger Vertrag von 1514 verbrieften Rechte der Landschaft bestätigen musste.

Für einen württembergischen Herzog, der sich an der ▪ absolutistischen Herrschaft des französischen Sonnenkönigs »Ludwig XIV. (1638-1715) und seiner Hofhaltung in im »Schloss von Versailles und seiner Nachfolger orientierte, auch wenn er nie eine ähnlich starke Position erlangen konnte, waren dies natürlich Einschränkungen, die ▪ seinem eigenen Selbstverständnis und dem von ihm anvisierten absolutistischen Konzept von Herrschaft grundlegend widersprachen.

So gab es auch immer wieder Versuche der württembergischen Herzöge, ihre Macht gegenüber der ▪ Landschaft, den Ständen bzw. der Ehrbarkeit, und der ▪ Reichsritterschaft im Lande auszuweiten, von durchschlagendem Erfolg konnte dabei allerdings nicht die Rede sein.

Zu der von »Herzog Carl Alexander (1664-1737) angestrebten ▪ Verfassungsänderung, mit der dieser den Dualismus von Fürst und Land, das Machtverhältnis von Fürst und Ehrbarkeit, neu bestimmen wollte, kommt es zu seinen Lebzeiten nicht mehr.

Als er Im März 1737 stirbt und hinterlässt er seine 21 Jahre jüngere Frau »Maria Augusta Sophia von Thurn und Taxis (1706-1756) mit den gemeinsamen 5 Kindern, die zu dieser Zeit zwischen 2 und 9 Jahren alt sind. ▪ Carl Eugen (geb. 1728), der älteste der vier Söhne wird im minderjährigen Alter von neun Jahren Thronfolger,

Die schon schwelenden Auseinandersetzungen zwischen Herrschaft und Landschaft gehen dabei weiter. Dabei geht es auch um die ▪ Vormundschaft, unter die der minderjährige katholische Thronfolger gestellt werden soll.

Mit Hilfe Friedrichs des Großen setzt »Maria Augusta Sophia von Thurn und Taxis (1706-1756) im Januar 1744, einen Monat vor seinem sechzehnten Geburtstag, die vorzeitige Volljährigkeitserklärung von ▪ Carl Eugen (geb. 1728) durch den aus dem bayerischen Geschlecht der »Wittelsbacher stammenden »Kaiser Karl VII. (1697-1747) durch und damit seine Regierungsfähigkeit.

Auf dem Weg nach Hause in sein Herzogtum verlobt sich ▪ Carl Eugen mit der noch nicht einmal zwölfjährigen Ansbacher Prinzessin »Elisabeth Friedrike Sophia von Brandenburg-Bayreuth (1732-1780).  Diese Verbindung findet angesichts des evangelischen bzw. reformierten Glaubensbekenntnisses der künftigen Herzogin auch die Zustimmung der württembergischen ▪ oligarchischen Ehrbarkeit, zumal sie sich wegen der besonderen Beziehungen des neuen Herzogs zu Preußen eine "Verminderung des österreichischen Einflusses auf das württembergische Herzogtum" erhofft (Sting 2005, S.482f.).

Wie sein Vater Carl Alexander unterzeichnet der junge Herzog die ▪ Religionsreversalien und erkennt den ▪ Tübinger Vertrag von 1514 an, ohne wohl im Geringsten abschätzen zu können, wie sehr ihn diese Akte in seiner Hofhaltung und Regierungspraxis einschränken würden.

Allerdings trachtet Carl Eugen, nichtzuletzt wegen seiner ▪ verschwenderischen Hofhaltung und seiner absolutistischer Repräsentationslust unterworfenen "Bauwut", die ihn stets von der Bewilligung von Finanzmitteln durch die Landstände abhängig machten, schon bald darauf, eigene Finanzquellen zu erschließen. Dabei ging er dazu über ▪ Privatkredite in beträchtlicher Höhe aufzunehmen und das lukrative Geschäft durch ▪ Vermietung von Soldaten an ausländische Mächte zu betreiben (Subsidienverträge).

Aber auch nach dem Ende des Krieges ist Carl Eugen nicht bereit, die Ausgaben für sein Heer dauerhaft zu senken. Mehr noch: Durch seine erwachende Vorliebe für die Kunst, das Theater, das Ballett und die Oper, sowie seine unzähligen Feste führt er ein überaus verschwenderisches Leben, das er mit seinem absolutistischen Herrschaftsanspruch und Imponiergehabe stets als gerechtfertigt ansieht. Und immer geht es dabei ums Geld, das zu bewilligen ihm die Landstände angesichts der ihnen während des Krieges auferlegten Lasten nicht bereit sind.. Doch das Kriegsregiment hatte Carl Eugens Position gegenüber den Ständen gestärkt, zumal er schließlich gegen die Garantiemächte der Religionsreversalien zu Felde gezogen war. Während des Krieges hatte er den schwächelnden Landständen zudem das so genannte Staats- und Kabinettsministerium mit von ihm abhängigen Mitgliedern wie dem Grafen Montmartin vorgesetzt, mit dessen und Oberst Riegers Hilfe er seine massiven Geldforderungen und seinen Hunger nach Soldaten durchsetzen kann. 1759 scheut er sich nicht, den Gebäudekomplex der Landschaft von Soldaten der Stuttgarter Garnison umstellen zu lassen, um die Herausgabe von 30.000 Gulden aus der Landeskasse zu erzwingen. Und noch ein weiteres Mal ist Oberst Rieger im Auftrag des Herzogs, aber ohne Einsatz von Truppen, damit im gleichen Jahr erfolgreich. Aber je mehr Geldquellen der Herzog und seine Beamten auch immer jenseits jeder Legalität für Carl Eugen sprudeln lassen, so sehr wächst auf der anderen Seite der Unmut der Ehrbarkeit über die Missachtung ihrer Rolle. Und auch die evangelischen Garantiemächte können nach einiger Zeit ihr Gewicht wieder deutlicher in die Waagschale werfen. Doch der Herzog scheint, abgeschirmt von "heimtückischen Schmeichlern" (ebd., S. 452) wie »Friedrich Samuel von Montmartin (1712-1778 (im Februar 1758 berufen) und Kaspar Lorenz Wittleder († 1769) (1757 zum Rat berufen) , die veränderte Wirklichkeit nicht wahrzunehmen. Systematisch arbeitet er daraufhin, die württembergische Ehrbarkeit zu entmachten, will dazu die württembergischen Ämter der Zentralregierung unterstellen und durch neu zu schaffende Unterämter, die von ihm ernannten Unteramtmänner verwaltet werden sollen, will er sich stärkeren Einfluss auf die Amtsversammlungen schaffen. (vgl. ebd.),alles in allem eine weitere "Kriegserklärung" an die Adresse der württembergischen Ehrbarkeit, ebenso wie das von dieser abgeschmetterte herzoglich Konzept einer sozial abgestuften Vermögenssteuer. Trotz ihrer wiederholten Kränkung und offenen Missachtung kann sich die Ehrbarkeit aber nie zu einer Revolte gegen den Herzog mit dem Ziel seiner Absetzung entschließen. Das liegt zum einen an ihrem Verständnis von Loyalität, zum anderen an ihrem langen Atem, der es zulässt, solange zu warten, bis sich ihre Beschwerden in einem wieder zur Ruhe gekommenen Europa auch auf dem Rechtswege würden durchsetzen können. So dauert es nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges auch nicht lange, bis sich die Gesandten der Garantiemächte am Stuttgarter Hof die Klinke in die Hand geben, um sich über die Beschwerden der Stände ein eigenes Bild machen zu können. Im Juli 1764 reichen die württembergischen Landstände am Reichsgericht Klage gegen ihren Herzog ein und geben damit den Startschuss zu einem für das Reich einmaligen Rechtsstreit von Untertanen gegen ihren regierenden Landesfürsten. (vgl. Walter 1987, S.241f., vgl. Sting 2005, S.453) Drei Forderungen soll Carl Eugen der Anklage nach erfüllen. Er soll

  • den von ihm inhaftierten Landschaftskonsulenten »Johann Jakob Moser (1701-1785), einem der Wortführer der württembergischen Ehrbarkeit, aus seiner Haft auf dem Hohentwiel entlassen, wo ihn Carl Eugen seit 1759 festgehalten hat

  • auf repressive Maßnahmen gegen die Landschaft verzichten

  • seine Versuche einstellen, die neue Vermögenssteuer mit Hilfe von Soldaten eintreiben zu lassen

Zunächst zeigt sich der Herzog eher unerbittlich. Er kündigt die Verlegung seines Hofes nach Ludwigsburg an, lässt die Gesandten der Garantiemächte mehr oder weniger "abblitzen" und verschärft sogar noch die Methoden zur Steuereintreibung. Doch als schon nach zwei Monaten, am 6. September 1764 ein vorläufiges Dekret aus dem kaiserlichen Wien eintrifft, das den Forderungen der Landschaft Recht gibt, muss Carl Eugen, der jede Unterstützung in Europa verloren hatte, wenn auch zögerlich, einlenken. Am 25. September entlässt er Moser wieder in die Freiheit und beruft am gleichen Tag, allerdings später als es das Dekret gefordert hatte, den Landtag ein, den er freilich einige Wochen untätig tagen lässt, ehe er ihm seine Forderung nach 800.000 Gulden für Militär und die Wiedererrichtung des Mitte November teilweise abgebrannten Stuttgarter Schlosses auf den Tisch legt.

Herzog Carl Eugen (1728-93) bekommt es mit dem württembergischen Landtag insbesondere zwischen 1763 und 1779 (= Siebenjähriger Landtag) zu tun. Im Verfassungskampf, der nicht nur im Plenum des Landtages und in den Ausschüssen, sondern auch vor dem Reichshofrat in Wien geführt wird, geht es am Anfang zwar hauptsächlich um das Militärwesen, im Allgemeinen allerdings um die Abwehr absolutistischer Ansprüche des Herzogs durch die Stände. Mit dem Erbvergleich von 1770, der von England, Preußen und Dänemark garantiert wird, muss der Herzog die alten Rechte der Landstände neu bestätigen und den Landtag und die Ausschüsse als "corpus repraesentativum des gesamten lieben Vaterlandes" anerkennen. In der Folgezeit kann der Landtag indessen seine gewonnene Popularität nicht in politische Stärke umsetzen, sondern verspielt jene durch seine Tendenz zu einem eigenen Absolutismus, durch Geheimniskrämerei und Vetternwirtschaft. (vgl. ebd., S.19)
Im Erbvergleich muss der Herzog auch die traditionelle Bedeutung des Geheimen Rats anerkennen und versprechen "den Geheimen Rat beständig zu erhalten, und selbigen mit qualifiziertem und dem Lande selbst wohl affektionierten Personen, sie S.H. Durchlaucht solche nach Ihrem freien Belieben dazu erkiesen und verordnen werden, denen Landesverträgen und Reversalien gemäß zu besetzen, auch dabei auf Landeingesessene, wenn sie hiezu tüchtig nach gleichmäßigem Inhalt der Landcompactaten vorzüglich gnädigste Reflexion zu machen und dass derselbe dahin verpflichtet sein solle gnädigster Herrschaft und allgemeiner Landschaft Nutzen zu schaffen, Schaden und Nachteil aber zu warnen und zu wenden." Zudem versichert der Herzog "in allen Staats- und Landesangelegenheiten denselben collegialiter vernehmen, dessen Rath und Gutachten dabei erfordern und dasjenige so denen Landesverträgen gemäß ist, entschließen zu wollen." (CL. I, grav. II, subm. 2, §1 und §3, zit. n. Wintterlin 1907, S.171) Der Erbvergleich ordnet zudem alle übrigen Kollegien dem Geheimen Rat unter und legt fest, dass Berichte über Angelegenheiten, die vom Herzog zu entscheiden sind, zunächst an den Geheimen Rat zu gehen haben. Erst dann werden sie mit dem Antrag des Geheimen Rats zu der betreffenden Angelegenheit an den Herzog zur Entscheidung weitergeleitet (§4). Diese Regelung gilt indessen nicht für den Kriegsrat, der dem Herzog auch weiterhin direkt unterstellt bleibt. Allerdings können die Geheimen Räte nach dem Erbvergleich nun jederzeit die Berichte der Gesandten aus dem Ausland und dem Reich einsehen (§5). Die neue "Geschäftsverteilung" wirkt sich noch weiter aus: Seit dem Erbvergleich wird kein Unterschied mehr gemacht zwischen Reservatssachen, Angelegenheiten, die vom Herzog zu entscheiden sind, und Sachen, über die die jeweils zuständigen Kollegien in eigener Verantwortung selbst entscheiden können. Fortan muss der Herzog von allen Entscheidungen unterrichtet werden und er kann alle Entscheidungen an sich ziehen, sofern er das will. Im Allgemeinen verfährt man jedoch so, dass der Geheime Rat bei der Weiterleitung einer Angelegenheit an den Herzog dessen Antwort in Form eines Dekrets an den Geheimen Rat vorformuliert und nur noch zur Unterschrift vorlegt. (vgl. ebd.)

ERLÄUTERUNGEN

Das württembergische Amt stellt eine "Institution zwischen Gemeinde und Staat" dar, die als Körperschaft sowohl dem Staat als auch den Bewohnern des Bezirks verantwortlich ist.  Für die Zentralregierung und als Mitglied der Landschaft (z. B. als Wahlkreis für den Landtag) ist das Amt eine Verwaltungsbehörde, für die Einwohner des Bezirks eine politische Körperschaft mit autonomer Verwaltung, die Grundbesitz erwerben, Steuern erheben (den sog. "Amtsschaden") und für Gesundheit, Arme, die Feuerwehr und die Instandhaltung von Wegen und Brücken sorgt. (vgl. Vann 1986, S.220)

*Grävenitz-Partei:

Die im mecklenburgischen Güstrow geborene »Wilhelmine von Grävenitz (1686-1744) ist über 20 Jahre lang die Mätresse von Herzog Eberhard Ludwig (1676-1733) gewesen; von ihrem älteren Bruder Wilhelm Friedrich von Grävenitz (1679-1754), der als Kammerjunker am Hof des Herzogs ist, wird sie an den württembergischen Hof gebracht und dort vom Hofmeister Schafforst, der seit 1693 Hofmarschall und Geheimer Rat ist, als Teil einer Intrige, die seine eigene Machtposition flankieren soll, mit dem Herzog, der eine reine Vernunftehe eingegangen war, "verkuppelt". Auf seiner Flucht vor der Franzosen im Jahre 1707 in die Schweiz gibt der Herzog seiner Mätresse ein Eheversprechen und lässt sich Ende Juli des gleichen Jahres in dem württembergischen Örtchen Oberhausen bei Bodelshausen von einem Theologiestudenten "kirchlich zur rechten Hand" trauen. Der Herzog, der die Anerkennung dieser Doppelehe durch den Geheimen Rat erwartet, erhebt Wilhelmine von Grävenitz zur Gräfin von Urach und setzt ihr in einem Ehevertrag jährlich 10.000 Gulden und eine jährliche Zahlung (Apanage) für möglicherweise geborene Kinder aus, um ihr und ihnen einen standesmäßiges Leben zu ermöglichen. Doch nicht nur seine Ehefrau Johanna Elisabetha gerät darüber in Aufregung und verweigert die Scheidung, sondern auch im ganzen Land herrscht darüber helle Empörung. Die Klage, die Elisabetha und ihr Vater beim Kaiser In Wien gegen diese Doppelehe führen, zwingen Eberhard Ludwig, um einer Amtsenthebung zu entgehen, einer Ungültigkeitserklärung der Ehe mit Wilhelmine von Grävenitz im Juni 1708 zuzustimmen. Doch damit ist die Affäre für den Herzog nicht zu Ende. Mit einer Scheinehe kann er die vom Kaiser vom württembergischen Hof verbannte Märtresse wieder zurückholen. Der verschuldete Witwer Johann Franz Ferdinand Graf von Würben ist gegen entsprechendes Handgeld und der Ernennung zum Landhofmeister, Geheimrat und Kriegsratpräsidenten ohne Ausübung seiner Ämter, aber gegen Bezahlung versteht sich, bereit, Wilhelmine von Grävenitz offiziell zu heiraten und dann für immer vom württembergischen Hof zu verschwinden. In der Folgezeit erlangen Wilhelmine von Grävenitz, ihre Familie und ihre wichtigsten Gefolgsleute wie der Dr. jur. Johann Heinrich von Schütz (1669-1732) und der Oberhofmeister K. C. von Thüngen den maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke im Land. Mit von Schütz und von Thüngen richtet Wilhelmine von Grävenitz das neue Geheime Kabinetts- und Konferenzministerium ein, das sogar dem Geheimen Rat vorgeordnet wird. Als von Thüngen 1724 stirbt, bilden nur noch von Schütz und die Mätresse des Herzogs das Konferenzministerium. Systematisch gehen beide daran, einheimische Familien wie die der Mensungen, Rühle und Forstner aus ihren Ämtern der Regierung zu drängen und ihre Positionen mit Mitgliedern der eigenen Familie oder Günstlingen zu besetzen. (vgl. Sting 2005, S. 508ff.)
Dabei erweist sich Wilhelmine von Grävenitz, deren "Partei" ab 1711 "eine fast unumschränkte Macht" innehat (ebd., S.510) in manchen Angelegenheiten (z. B. der Schutzbrief-Gewährung für Juden in ihrer Grafschaft Freudental) durchaus "toleranter und pragmatischer als die alteingesessene Bevölkerung mit ihren Ressentiments gegen alles Fremdgläubige." (Oßwald-Bargende 1992, S.178, zit. n. Sting 2005, S. 510) Als "maîtresse on titre" oder ""maîtresse regnante" (bestallte oder regierende Mätresse) des Fürsten steht Wilhelmine von Grävenitz im politischen und gesellschaftlichen Leben Württembergs zwar ganz oben, aber zugleich mehrt sie mit ihrer Politik Tag um Tag auch das Lager ihrer Gegner, die je länger sie agiert, auf ihren Sturz und den Zusammenbruch ihrer Günstlingswirtschaft hinarbeiten. Als es im Frühjahr 1731 zum Bruch zwischen ihr und dem Herzog kommt, ist das sicher für viele Zeitgenossen nicht mehr überraschend, zumal auch die äußeren Reize der mittlerweile auch ins Alter gekommenen Mätresse ihre Wirkung auf den Herzog verloren haben mögen. Jedenfalls söhnt sich Herzog Eberhard Ludwig im Sommer 1731 mit seiner Gemahlin Elisabetha wieder aus und nach dem Tod seines Sohnes Friedrich Ludwig Ende November des gleichen Jahres lässt er seine langjährige Mätresse endgültig fallen. Er verbannt sie auf ihre Besitzungen, lässt sie nach ihrer unerwünschten Rückkehr an den Hof sogar verhaften und mehrere Monate auf dem Hohenurach in Haft halten, ehe sie auf Vermittlung des Kaisers freigelassen wird. Über Heidelberg und Mannheim zieht sie weiter nach Berlin, wo sie sich unter den Schutz des Preußenkönigs stellt und nahezu in Vergessenheit geraten im Oktober 1744 stirbt. Acht Jahre zuvor (1736) hatte sie ihre letzten Besitzungen in Württemberg, ihre Güter Freudental und Unterboihingen, und ihre Rechte auf Wetzheim, sowie 100.000 Gulden, die die Landschaft ihr geschuldet hatte, gegen eine Abfindung von 152.300 Gulden abgetreten. Ihre urprüngliche Forderung nach 300.000 Gulden hatte die Landschaft abgelehnt. Ihre Begründung: Für das Mensch wird nichts bezahlt. (vgl. Sting 2005, S. 511)

 

 

Ursache dafür ist das kostspielige, in der Konkurrenz der europäischen Höfe stehende Repräsentationsbedürfnis des Fürsten, das Kosten verursacht, die das Steueraufkommen und Wirtschaftskraft des Landes immer wieder um ein Vielfaches übersteigen.

 

Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793)
Konkurrenzkampf und Prasserei: Absolutistische Repräsentation von Macht
Fürst und Land - Verfassung in Württemberg
Versailles in Schwaben: Ludwigsburg zur Zeit Carl Eugens
Höfische Festkultur zur Zeit Carl Eugens

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 10.09.2023

   
 

 
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