Zu diesen Gebieten kommt noch das linksrheinisch gelegene Mömpelgard
(frz. Montbéliard) hinzu, das zwar zum »Haus
Württemberg, staatsrechtlich aber nicht zum Herzogtum gehört. Aber
dennoch sind die Bindungen des protestantischen Mömpelgard an Württemberg
wegen des gemeinsamen Bekenntnisses groß, zumal das Mömpelgard, sogar zehn
Jahre vor Württemberg reformiert, eine religiöse Enklave in einem ansonsten
rein katholischen Umfeld darstellt.
Aus diesem Grunde entsendet die
Grafschaft auch keine Abgeordnete in die Ständeversammlung, den Landtag, von
Württemberg. Vollständig von französischem Gebiet umgeben, besteht ständig
Gefahr, von Frankreich einverleibt zu werden.
Mit der Einsetzung so
genannter Reunionskammern will der
französische König
»Ludwig XIV. (1638-1715)
solche Gebietsansprüche legitimieren. Er gibt 1679 diesen Gerichtshöfen den
Auftrag, jene Gebiete zu ermitteln, welche früher einmal zu den von
Frankreich seit dem Westfälischen Frieden (1648) erworbenen linksrheinischen
Herrschaften gehört haben. Als die Reunionskammern 1680 zum Schluss kommen,
dass im Grunde das ganze Elsaß zu Frankreich gehört habe, lässt der
Sonnenkönig seine Truppen kurzerhand in solche Gebiete, darunter auch in die
Reichsstadt Straßburg, einmarschieren und annektiert sie.
Da Mömpelgard das
Gleiche droht, erklärt der während der Unmündigkeit »Eberhard
Ludwig (1676 - 1733) regierende und für seine Frankreichvorlieben
bekannte »Herzog-Adminstrator
Friedrich Carl (1652-1698), dass er das Vorgehen der französischen
Gerichtshöfe anerkenne. Im Februar 1681 leistet er dem französischen König
als Lehnsherrn für Mömpelgard den Lehnseid. (Vann
1986, S.130)
Das deutsche Reich, zu dem Württemberg gehört
ist zu dieser Zeit "ein Flickenteppich wie eh und je, eine ungestaltete
Fläche ohne Mitte und klare Grenzen" (Schulze
1987, S.208).
Allerdings ist es im Gegensatz zu dem in seiner Bezeichnung geführten
Begriff "deutscher Nation" keineswegs mit dem identisch, was man in dieser
Zeit beginnt, vage als
Deutschland
zu bezeichnen.
"Deutschland", das ist im Allgemeinen eigentlich nur eine
Imagination, ist gebunden an die Vorstellung einer unsichtbaren,
unpolitischen und staatenübergreifenden "Kulturnation".
Die Kriterien, die
bestimmen, ob man dieser "Kulturnation" mit ihrem kosmopolitischen Anspruch
kultureller Weltbeglückung angehört oder nicht, sind wenig distinktiv,
anders gesagt: schwammig.
Das ändert sich auch dann nicht, wenn sich die
Größen deutscher Geistesgeschichte daran machen, das Deutsche zu bestimmen.
So weiß auch
Friedrich Schiller, dass "die Majestät des Deutschen (...) nie
auf dem Haupt seiner Fürsten (ruht). Abgesondert von dem Politischen hat der
Deutsche sich einen eigenen Wert gegründet, und wenn auch das Imperium
unterginge, so bliebe die alte Würde unangefochten. Sie ist eine sittliche
Größe, sie wohnt in der Kultur und im Charakter der Nation, der von ihren
politischen Schicksalen unabhängig ist." (zit. n.
Wehler 1987, S. 45)
Das
"Heilige Römische Reich Deutscher Nation" ist ein multinationales Gebilde,
das zwar in der Mitte Europas eine gewaltige Ländermasse umfasst, aber im
Gegensatz zu dem zur gleichen Zeit existierenden zentralisierten
Flächenstaat Frankreich, ein "hochpluralistisches Konglomerat" darstellt,
"eine schier unentwirrbare Gemengelage von großen absolutistischen
Territorialstaaten, von ständisch mitregierten Landesfürstentümern,
theokratischen Herrschaften mit geburtsaristokratischen Leitungsgremien,
halbautonomen Städten mit patrizischen Geschlechteroligarchien, Adelssitzen
mit privatwirtschaftlichem Charakter, obskuren Zwergobrigkeiten - eine wahre
»Milchstraße von Reichsritterschaften und Reichsstädten, Abteien und
Bistümern, Mark-, Land- und Rauhgrafschaften«". (Wehler
1987, S.45)
Württemberg gehört dabei zu den einflussreicheren Staaten dieses monströsen
Staatengebildes, dem seit 1440 ein
▪
Habsburger als quasi
erblicher Kaiser vorsteht.
Wenngleich der Kaiser nach den Wirren des
▪
Dreißigjährigen Krieges
(1618-1648) nicht viele Möglichkeiten besitzt, in die
Innenpolitik der einzelnen Staaten und Herrschaften einzugreifen, die großen
Mächte lassen sich ohnehin nicht dreinreden, zeigt das Reich dennoch "eine
fortdauernde Vitalität" (Vann
1986, S. 146) insbesondere gegenüber den mittleren und kleineren
Herrschaften im Reich.
Dafür liefert gerade auch die württembergische
Geschichte geeignete Beispiele. So geht z. B. die Absetzung des wegen seiner
Vorliebe für Frankreich bekannten »Herzog-Adminstrators
Friedrich Carl (1652-1698) Ende Januar 1693 auf das Eingreifen des
habsburgischen
Kaisers »Leopold
I. (1640-1705) zurück, der damit auf die Gerüchte reagiert, Friedrich Carl
könne nach seiner Gefangennahme durch die Franzosen, dann aber sehr
zuvorkommenden Aufnahme am Hof
Ludwigs XIV.
(1638-1715), eine kaiserfeindliche Allianz
mit Frankreich schmieden (vgl.
ebd.)
Und auch
▪ Herzog Carl Eugen (1728-93)
werden in seinen fortwährenden Auseinandersetzungen mit den Ständen vom
Kaiser bzw. den kaiserlichen Behörden die Grenzen seiner Macht aufgezeigt.
Im ▪
Erbvergleich von 1770, der durch Vermittlung des Kaisers zustande kommt,
zwingt er den Herzog die bürgerlichen Rechte seiner Untertanen und die
Verfassung (Alt-)Württembergs, wie sie im ▪
Tübinger Vertrag 1514 niedergelegt
war, endgültig zu akzeptieren.
Und noch ein Weiteres zeigt die besagte
"Vitalität des Reiches" auf. Sobald nämlich der Prozess gegen Carl Eugen am
▪
Reichshofrat eröffnet ist, spielen konfessionelle Gesichtspunkte, die im
Vorfeld noch die Garantiemächte der ▪
Religionsreversalien in Württemberg auf
den Plan gerufen hatten, eigentlich keine Rolle mehr.
Einmal mehr hatte das
Reich damit bewiesen, dass es die Fähigkeit besaß, "eine konfessionelle
Politik zu neutralisieren. [...] Es ging um eine Frage des
Verfassungsrechts, und dabei stellte sich ein katholischer Kaiser - zum
Nachteil eines katholischen Territorialfürsten - hinter eine Vereinbarung
zugunsten der Protestanten." (ebd.,
S.267)
Insgesamt gesehen bleibt der Einfluss des Kaisers auf das ganze
Gebilde des Alten Reiches, das "einer archaischen Hohlform" ähnelt (ebd.,
S. 48), jedoch ziemlich gering.
In dieser "erlauchten Republik von
Fürsten“, wie der Preußenkönig »Friedrich
II.(1712-1786) das Reich nennt, spielen die Großmächte
Preußen und Österreich die erste Geige. Ihr »Siebenjähriger
Krieg (1756-63), an dem
Württemberg auf der Seite des theresianischen Österreich (»Maria
Theresia von Österreich 1717-1780), gegen das Preußen
Friedrichs des Großen (= Friedrich II.) kämpft, endet im
»Frieden von
Hubertusburg im Februar 1763 mit dem weiteren Ausbau der
preußischen Großmachtstellung.
Neben den beiden Großmächten Österreich und Preußen haben noch jene von
Herzögen oder Kurfürsten repräsentierten Territorialstaaten wie Württemberg,
Bayern, Hessen-Darmstadt und Mecklenburg das Sagen im Reich, das auch
winzige Einheiten umfasst, die die Größe eines mittleren Landgutes kaum
übertreffen.
Der Partikularismus dieser Staaten, Klein- und Kleinstaaten steht
gesellschaftlichen und ökonomischen Modernisierungsprozessen im Wege. Die
bürgerliche Emanzipation und in deren Zuge, die Entwicklung einer neuartigen
sozialen Mobilität haben es schwer in diesen dezentralen, oft noch im
Feudalismus fest verankerten Strukturen und die zwischen den Staaten
herrschenden Zollschranken tun ihr Übriges dazu, dass bürgerliches
Wirtschaften kein Motor eines gesellschaftlichen Wandels werden kann.
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Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793)
▪
Konkurrenzkampf und Prasserei: Absolutistische Repräsentation
von Macht
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Fürst und Land - Verfassung in Württemberg
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Versailles in Schwaben: Ludwigsburg zur Zeit Carl Eugens
▪
Höfische Festkultur zur Zeit Carl Eugens
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
10.09.2023