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Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793)
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Konkurrenzkampf und Prasserei: Absolutistische Repräsentation
von Macht
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Versailles in Schwaben: Ludwigsburg zur Zeit Carl Eugens
Am 22. Januar 1789 schrieb der Artillerieunteroffizier Franz
August Treffz, der als württembergischer Söldner des an die »Niederländische
Ostindien-Kompanie vermieteten
»Kapregiment (1786-1808) durch den württembergischen Herzog ▪
Carl Eugen (1728-1793)
an die Südspitze Afrikas gelangt war, den folgenden Brief an seinen
Vater.
Es war »einer
von insgesamt 9 Schiffstransporten mit württembergischen Söldnern,
die bis zum 11. Mai 1788 mit insgesamt 1.832 Soldaten ihren
Bestimmungsort erreichten. Auf der "Rijnoord" ging nach der
Einschiffung am 20.11.1787 von Rammekens bei Vlissingen los. Vom 20.
Dezember 1787 lag das Schiff in Dartmouth in England fest bis zum
29. Januar 1788, von wo es dann seine Reise nach Kapstadt antrat.
Dort traf es nach 200 Tagen bzw. 7 Monaten am 4. Juli 1788 ein. Die
ganze Schiffpassage stand von Anfang an unter einem schlechten
Stern: Zunächst geriet sie im Ärmelkanal in einen 16 Tage dauernnden
schweren Sturm. Bei der Landung in England wäre das Schiff fast an
den Felsen zerschellt uns gesunken. Aber auch nach dem Aufbruch aus
Dartmouth musste sie einen weiteren, sechs Tage dauernden Sturm
überstehen. Als sich danach die Wetterlage beruhigte, herrschte 54
Tage Flaute. Als das Schiff Anfang im Juni 1788 in Sichtweite seines
Ziels an der Südküste Afrikas gekommen war, konnte es wegen der dort
herrschenden Norweststürme nicht in Kapstadt landen und musste nach
False Bay weitersegeln. Aber auch dort geriet das Schiff wieder in
einen mächtigen Sturm, der das Schiff wieder vom Land wegtrieb. Er
37 Tage nach der erstmaligen Sichtung desTafelbergs konnte die "Rijnoord"
endlich landen. Bis dahin litt fast die ganze Besatzung an Skorbut
und zahlreiche Soldaten waren gestorben. Die Soldaten waren von den
Strapazen der Reise so geschwächt, dass nur »12
der auf der Passagierliste stehenden 219 Soldaten deine Woche
nach ihrer Ankunft zum Dienst antreten konnten.
"Cap der Guten Hoffnung den 22ten Januar 1789
Liebster Vater!
Welch ein vergnügter Tag war nicht der 2te Dec. 1788, welch ein
freudiger Tag für uns beide, das wir Nachricht von unsern werthesten
Eltern erhielten, und noch viel vergnügter, da ich aus Ihren
Schreiben erfahren habe daß sie nebst meinen, mir so lieben
Geschwisterich noch alle gesund sind . – Nun auch wein wenig von
meiner Reiße zur See. Von Vlißingen fuhren wir eden 20ten Nov. ab,
einige Tage hatten wir guten Wind, doch bald wurde uns diese Guhat
geraubt, und wir bekamen noch im Canal fürchterliche Stürme, so daß
wir Engelland, nahe bei der Stadt Brixen in die Torbay einlaufen
mußten. Hier lagen wir nicht lange ruhig, so erhob sich ein
fürchterlicher Sturm, welcher 3 mahl 24 Stund dauerte, und mit jedem
Augenblick drohete unser alter Kasten Rheenord (ein Kaufmanns-Schif)
entweder zum Untergang oder zum scheidern. Bei diesem Sturm
verlohren wir 3 Anker 2 zerrissen der 3te wurde gekapt, der 4te
unser Nothanker, nebst der göttlichen Vorsehung, hielte also den
Sturm aus, bei dieser Gelegenheit wollten uns 6 Engelländer zu Hilfe
kommen als sie nahe bei dem Schif waren schlug die Chaluppe um und 4
von denen, welche Nothleidende helfen wolten ertrunken, 2 davon
erreichten noch das Schif und so hielten wir unsere
Weihnachtsfeiertage, endlich blickte der Himmel wieder günstig auf
uns durch so viele Todesangst halb tode Soldaten herab wir hatten
heiteres Wetter und die umliegende Berge waren ein wenig mit Schnee
bedeckt; weil wir hier nicht sicher lagen so wurden die Anker
gelichtet und segelten 8 Stunden weiter in den Hafen von Tartmuth,
wo wir vor Wind und Wetter sicher waren, in diesem Hafen lagen wir 5
Wochen vor Anker, unser Schif wurde ausgebeßert und aufs neue mit
Provision versehen. Nun etwas von der Stadt Tarmutz – es ist eine
schöne Stadt mit platten Dächern gebaut sie liegt ganz an einem
Berge, die Einfarth in die Stadt durch den Hafen ist mit einem
schönen Castel bevestiget wo wir hart daran vorbey fuhrenn, daselbst
waren Lebensmittlen zu kaufen, da unser Schif nun fertig war, daß
wir unter Seglen gehen konnten, so lichteten wir unsere Anker und
stachen nun beherzt und mit gutem Soldaten Muth in die See, wir
gaben nun Engelland das Vale mit 11 Canon Schüße, wir bekamen zur
Gratifikation ebensoviele vom Castel zurück. Wir kamen in die
Spanische See hier war uns ein Sturm nichts neues mehr den wir
hatten ihn alle Tage, bei einem Sturm fiel der beste Matrose (es war
ein Schwed) von dem oberen Mast über Bord, und wurde durch das
fürchterlichste Element vergraben. Von da unter die Linie. Hier war
es unausstehlich heiß, bei Nacht hatten wir noch ein wenig
Erquickung hier war 2 Nacht hinter einander die See ganz illuminirt
als wenn wir in lauter Feuer seegelten, die Ursache davon weiß ich
nich zu sagen, Officirs Capitain und Steuerleute haben selbst über
diesen Vorfall critisirt, einige Tage hernach wurde u. Stechmast
durch eine Windhoße zerbrochen unser Schif wurde immer mit einem Zug
von Hayfische und Nordcayers begleitet, welche die Tote welche über
Bord geworfen worden sofort erwischten und partaschirten. Wie wir
über die Linie kamen so hatten wir immer schlechten Wind wir wurden
verschlagen daß wir noch 90 Meile an die Küste von Brasilien in
America hatten, nun auf einmahl guten Wind, alles frolokt, geschwind
gedreht, und drisch nach Cap zu, endlich – den 25ten Maj früh um 6
Uhr erhob sich ein Jubelgeschrei alles schreit Hura!! Hura! nun sind
wir bald in Africa, und alles dankt und singt wir näherten also uns
dem vesten Land wir waren – nahe dabey so bekamen wir widrigen Wind
wir mußten wieder in die See seeglen und seegelten noch 14 Tage in
der See herum bald sahen wir Land, bald wieder keins daß ist
verdrießlich, wann man Land sieht und kan nicht hin kommen.
Den 8ten Junij 1788 warfen wir Anker in der Bai Falß, hier wurden
wir den 2ten Tag ausgeschift, was krank war blieb hier im Spital die
gesunden worunter ich auch war marschirten nach der Cap ein Weg von
7 Stunden auf der Reiße starben 217 Mann Soldaten 38 Mann, Matrosen
waren 39 von diesen starben 5 Mann und unser Obersteuermann starb
auch, es war ein braver Mann Gott hab sie alle seelig!
Nun von der Stadt Cap –. Sie ist eine sehr schöne mit blaten Dächern
nach englischer Art sehr regulaire gebaute Stadt, in einigen
Hauptstraßen sind sehr schöne Aleen von Eichbäumen besonders ist
berühmt die 1.) das Gouvernement welches in dem so berühmten
Compagnie Garten stehet es ist nach dem neuesten Geschmak der
Architectur gebaut und wird alle Tage noch verbessert. 2.) Der
Compagnie Garten ist nicht wie ihn Colbeck beschreibt ein
Blumengarten sondern mehr ein Küchengarten, welcher mit schönen
Aleen von Eichbäumen und Lorbeer besetzt ist, der obere Theil
bestehet 3.) in einem Thiergarten, wo ein Vogel Strauß, ein wilder
Büffel, Hirsch, Rehe, Bundeböck, Steinböck, und allerhand Arten von
Wasser und Landvögel welche das heiße Africa liefert zu sehen sind.
4.) Das Compagnie Sklavenhauß wo über 600 Sklaven von allerhand
Nationen zu sehen sind, als Malararen, Masambicuas, Sinesen,
Hottentoten, Moricier, Malagasen u. s. w. diese sind alle im Dienste
der Ostindischen Compagnie. Übrigens hat ein Bürger nachdeme sein
Vermögen oft 6, 10, 15, 60, 80, wohl biß 100 Sklaven um den Feldbau
zu besorgen, andere sind Schneider, Schmid, Dreher, u. s. f. und
dieß ist der vornehmste Handel auf der Cap. Längß der Tafel bay wo
die Stadt hart daran liegt, ist alles mit sehr vesten und schönen
Battrien besetz nehmlich 1.) Amsterdam welches die vesteste ist, und
noch ganz neu, hat 2 Lag Canonen. 2.) Charne. 3.) La Moull. 4.)
Bürgerbatrie. 5.) Imhof. 6.) Linie. 7.) Fort Knoche, und alle Tage
werden an neuen gearbeitet.
5.) Das Castel ist sehr vest und mit Wassergräben umzogen. 6.)
Unsere Casern ist sehr schön und ohnstrittig eine Casern wo man
vielleicht selten in Deutschland finden wird. –
Doch lang ist Cap für einen Soldaten das irrdische Paradiß nicht,
wie man es in Deutschland abschildert, doch man hat genug wen man
gesund ist und genug zu thun hat man, will man sich mit Ehre und
Rechtschaffenheit durchschlagen.
Alles grüßt Ihnen vom Herr Capitain Schmidgall, Kapf, vom Herrn
Lieut. Steckerwald, Hellwag und von meinen alten africanischen Vater
Jörger viele tausend Empfehlungen, mein Alter hat herzliche Freude
über diesen Gruß gehabt, von Amsterdam habe ich noch keine Nachricht
erhalten.
Grüßen und küssen Sie alle meine liebe Geschwistrich, besonders
meine liebe Ahne zu Auenstein, Frau Tante zu Heilbronn, Herrn Vatter
zu Adelshofen nebst den Angehörigen, den Herrn Zollnachgeher, auch
den Jäger Schwarz zu Wildeck, Herrn Renthmeister zu Abstatt und
alles was nach mir fragen wird. Ich habe einen Mann hier kennen
lernen der von Kembach ist, sein Nahme ist Nicolaus Thim er hat das
Kieferhandwerk beim Schollbrunner Büttner in der Eichelgaß gelernt,
er ist Oberkiefer in dem Compagnie Werkhauß und thut mir viel Gutes.
Ich muß schließen leben Sie wohl, gesund, glücklich, so wie es mein
Herz wünscht, bleiben Sie ferner der für seinen Sohn so gut gesinnte
Vater wie bis daher, 5 Jahre werden doch bald herum seyn und alsdann
werde ich meinen liebsten Vater wieder umarmen können ich bin und
bleibe derjenige der Sie auch im heißen Africa liebt und täglich in
mein Gebet einschliesset
Franz August Treffz.
Unteroffizier bei der Artillerie."
(aus. Der Verschollene. Briefe des Kapsoldaten Franz August Treffz.
1789-1819, Bd. I, Stuttgart 1944, S.21, zit. n.
Lahnstein (Hg.) 1977, S.542-547)
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Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793)
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Konkurrenzkampf und Prasserei: Absolutistische Repräsentation
von Macht
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Versailles in Schwaben: Ludwigsburg zur Zeit Carl Eugens
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Höfische Festkultur zur Zeit Carl Eugens
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
10.09.2023