Im Mittelalter, in dem in der Malerei zwar jede körperliche Blöße verhüllt und vermieden
wurde, wusste man "doch in anderen
Bereichen [...] »nackte Tatsachen« durchaus zu schätzen." (Bologne
2001, S.2)
Nacktheit jedenfalls war bis ins
Spätmittelalter hinein wenig
tabuisiert, auch wenn die
Kirche Nacktheit und Schamlosigkeit immer
wieder zur "Sünde" erklärte und auch die Lust als "sündhaft"
geißelte. (vgl.
Scheuch
2004, S.13.f.)
Für die meisten Menschen
dieser Zeit aber war der Anblick nackter Menschen nichts Besonderes
und dementsprechend nicht peinlich.
In vielen Haushalten schlief
man, bis die Pestwellen dem ein Ende bereiteten, nackt gemeinsam mit
der ganzen Hausgemeinschaft in einem Bett.
In öffentlichen »Badehäusern
als Einrichtungen der Körperpflege, Orten zur Behandlung von
Krankheiten und sich einfach zu treffen, deren Zahl ab dem im 17.
Jahrhundert aber aus verschiedenen Gründen rückläufig war, hatten
beide Geschlechter offenbar wenig Hemmungen sich zu entblößen,
soweit man dies auch aus zeitgenössischen Darstellungen schließen
kann.
Kinder mussten wohl nicht eigens sexuell aufgeklärt werden,
weil die Erwachsenen selbst die Mauern um nackte Körper und sexuelle
Handlungen noch nicht so hochgezogen hatten, dass sie zu einer "dichte(n)
Mauer der Heimlichkeit um den Heranwachsenden"
(Elias
1997, Bd. 1, S.342) wurden, die selbst das Sprechen über Sexualität jenseits das Triebhafte sublimierender Formen auch dann noch
beträchtlich erschwerte, als dieses Thema längst
ausschließlich in den familiären Bereich abgedrängt war.
Aber auch
dort zog ja im Laufe der Geschichte das obligatorische
Nachthemd ein, das die Kinder wohl nur dann
zu sehen bekamen, wenn einer der beiden Eltern einmal das für die
Kinder zu einer Art Tabuzone erklärten separaten Elternschlafzimmer
in diesem Aufzug verließ, das ansonsten "die angeblich schmutzigen Vorgänge vor den reinen Kinderblicken" (Heimgartner
2004) fernhalten sollte.
Das
öffentliche »Badehaus
war im Mittelalter und zu Beginn der frühen Neuzeit ein Ort für die
Körperpflege und zur Behandlung von
Krankheiten.
Diese nahm der Bader vor, der seinen Kundinnen und Kunden die Haare
schnitt und die Bärte schor, sie zur Ader ließ und schröpfte.
Aber auch kleiner medizinische Eingriffe gehörten zu seiner
Handwerkskunst: So öffnete er Abszesse, befreite Läusen und
sonstigen Parasiten und zog, wenn nötig, auch schmerzende Zähne. In
Einzelfällen nahm er auch Amputationen ganzer Gliedmaßen vor. Dort,
wo die Pest oder andere Seuchen wüteten, wurde er oftmals auch dazu
verpflichtet, als sogenannter »Pestarzt
Kontakt zu den Infizierten zu halten und sie mit seinen natürlich
ganz und gar unwirksamen Methoden zu behandeln.
Neben ihrer Bedeutung für die Körperpflege und die Gesundheit der
Menschen gehörten Badehäuser auch als beliebte gesellschaftliche
Treffpunkte zur Alltagskultur in Städten.
Ihre Vorläufer waren die in den römischen Thermen vorhandenen
Schwitzbäder, die an verschiedenen Orten im Mittelalter noch in
Betrieb waren.
Die Badehäuser die angesichts der Funktionen, die sie im
Alltagsleben
einnahmen, durchaus von öffentlichem Interesse waren,
waren der Kirche und städtischen Behörden oft ein Dorn im Auge. Die
Tatsache, dass der Badebetrieb darin durchaus auch nicht nach Geschlechtern
getrennt war, war in ihren Augen nicht nur ein Affront gegen Sitte und
Moral, sondern auch ein Verhalten, das den Fortbestand des Gemeinwesens
beeinträchtigte.
Das lag auch daran, dass Badehäuser oft, wohl nicht ganz zu Unrecht,
einen schlechten Ruf hatten. Sie trugen, wie auch das Bad
schlechthin, "den Stempel der Erotik" (Duby
1999, S.346). Jedenfalls scheint ihr Besuch so "riskant gewesen
gewesen zu sein", dass "mancher eifersüchtige Ehemann (...) in
seiner Privatwohnung ein Dampfbad einbauen (ließ)." (ebd.)
Das kam auch ihren Frauen entgegen, die ohnehin in der Regel ihre
Toilette unbeobachtet" im stillen Kämmerlein" verrichten wollten.
Wo es ging, versuchten die städtischen Obrigkeiten unter dem Beifall
der Kirche, zumindest die Trennung der Geschlechter wieder
durchzusetzen. Schon 1295 stand das Badehaus Männern und Frauen nur
an unterschiedlichen Wochentagen offen. Wer sich darüber
hinwegsetzte, dem wurden die abgelegten Kleider weggenommen und er
musste "nackt oder auch nur im Hemd heimkehren", was "schlimmer
(war) als eine Geldbuße." Bologne
2001, S.18f.).In anderen Orten wurde eine räumliche Trennung
vorgenommen.
Trotz alledem, die Badehäuser wurden mehr und mehr auch ein Ort, an
dem sich Verliebte und nicht verheiratete Liebende verabredeten und
sich "Augenblicke der Intimität" (Duby
1999, S.347) erschleichen konnten.
So kam es offenbar auch immer wieder dazu, dass auch
Badehausbetreiber in der Tatsache, unverheiratete Paare "gemeinsam
in die gleichen Wannen" (Naphy
2003, S. 76) zu lassen, kein Problem sahen, selbst wenn die
Behörden dies eigentlich untersagten. Auch wenn sie, wie im Rahmen
einer Gerichtsverhandlung zu diesem Thema in Genf 1558 einräumten,
"dass die Dinge kompliziert werden könnten, wenn ein Paar bade und
jemand hinzukäme", gaben sie doch an, das Ganze nicht für unziemlich
zu halten, "da das »Paar« eine
Einheit bilde und daher nichts Schlimmes passieren würde". (ebd.)
Eine Argumentation, denen sich die Behörden allerdings nicht
anschließen wollten.
Auch wenn das Nacktbaden vor allem in den Städten protestantischer
Länder schon seit der Renaissance vielerorts eingeschränkt wurde (Bologne
2001, S.33), war Nacktbaden
in vielen europäischen Ländern
in Seen und Flüssen für die einfache Bevölkerung bis
ins 19. Jahrhundert hinein durchaus noch üblich.
Was den Unmut der Obrigkeiten auslöste, war aber weniger die
Tatsache, dass sich Männer und Frauen im Adams- und Evakostüm
zeigten, sondern die allseits beklagte Sittenlosigkeit, die darin
herrschte und die Prostitution, die in vielen dieser Badehäuser
praktiziert wurde. Verheiratete Frauen waren darin angesichts der
geltenden christlichen und gesellschaftlichen Normen in der
städtischen Gesellschaft aber wohl eher die Ausnahme, Ausdruck einer
Doppelmoral, die den Männern die freizügige Begegnung mit anderen
unverheirateten Frauen aber ermöglichte. Einen Kleiderzwang für Badegäste gab es
jedenfalls nicht.
Diese Klagen beziehen sich aber sicher nur auf einen Teil der
Badehäuser und Dampfbäder, denn "das gemischte Bad bedeutete nicht
von vornherein Sittenverfall" (ebd.,
S.30) und wer dahin ging, gab sich noch lange nicht der "Unzucht"
hin, auch wenn die "Ruhebetten in vielsagender Nähe zu den
Badezubern" standen. (ebd.)
Dass
im Zuge der weiteren Entwicklung immer mehr Badehäuser geschlossen
wurden, lag nicht nur an den städtischen Sittenwächtern. Viele
wurden einfach unrentabel, weil das Holz sich verteuerte. Zudem
änderten sich auch Gewohnheiten: Statt ins Badehaus zur Körperpflege
zu gehen, ging man zur Leibwäsche über, die mit einem weitaus
geringeren Aufwand durchgeführt werden konnte.
Die Schließung der
meisten Badehäuser bis Ende des 16. Jahrhunderts wurde vor allem dadurch beschleunigt, dass durch die seit dem 16.
Jahrhundert belegten epidemisch verbreiteten Geschlechtskrankheiten
(z. B. »Syphilis) die neue Schamhaftigkeit wegen des Seuchenschutzes
noch juristisch flankiert wurde.
Dass die
Badehäuser, wo sich die Menschen in großer räumlicher Nähe lokale
Treiber von Seuchen waren, war jedenfalls auch den Zeitgenossen
klar, selbst wenn sie keine genauen Vorstellungen über die
Übertragung bestimmter Krankheiten besaßen und sich oft vehement
dagegen gewehrt haben.
So wurde die »Syphilis,
eine Geschlechtskrankheit, die immer wieder grassierte, nicht durch
"unzüchtige" Handlungen der
Badegäste, sondern durch das von den
Badern ausgeführte »Schröpfen
verbreitet, das besonders beliebt war.
Dabei wurde den
Badegästen beim beliebten »blutigen
Schröpfen, einer Form des
»Blutenlassens
nach alter Tradition, z. B. mit einer
»Blutlanzette
der Rücken aufgekratzt, dann das Schröpfglas mit Unterdruck
aufgesetzt. Dieser sorgte dann dafür sorgte, dass das Blut stärker
aus diesen verletzten Hautpartien herausfloss. (vgl.
ebd.)
Neben dem Nacktbaden in den Badehäusern gingen die Menschen aber
auch draußen zum Baden und taten dies im Allgemeinen nackt. Im Meer,
an Seen oder Flüssen, über all entledigten sich Menschen ihrer
Kleidung offenbar ohne jede Scham, um, selbst im Besein zahlreicher
Schaulistiger, zu baden.
Mit der Renaissance kommt es im Zuge immer weiter verbreitenden
Maßnahmen zur Regulierung und Disziplinierung des Verhaltens der
Menschen im Allgemeinen und im Bereich der Sexualität im Besonderen,
aber immer mehr zu Verboten des Nacktbadens in der Öffentlichkeit.
In Paris duldete man im 16. Jahrhundert zwar noch eine Weile, wenn
Männer am Seine-Ufer nackt ins Wasser stiegen, während nacktbadende
Frauen, die, wie ein Zeitgenosse monierte, mit
ihrem Anblick »ein Feuer bei den Zuschauern« entzündeten, das zur »Promiskuität
führe, schon früher auf Anordnung der Obrigkeit verfolgt werden. (vgl.
ebd.)
Im Gegensatz zu den lange geduldeten Badehäusern wurde das
wilde Nacktbaden also in vielen
Regionen untersagt. Wer erwischt wurde, wo es untersagt war, musste
mit empfindlichen Strafen rechnen, die sicher auch eine abschreckende Wirkung entfalteten.
So
mussten 1541 acht Personen, die beim Nacktbaden im Main erwischt
worden waren, für vier Wochen ins Gefängnis bei Wasser und Brot. (ebd.)
Im Visier der Verfolger waren dabei meistens nacktbadende Frauen,
weil ihr Anblick bei den männlichen Zuschauern "ein Feuer
entzünde(te)", wie ein sich darüber seitenlang monierender
Zeitgenosse nicht verhehlen konnte. (ebd.,
S.34)