Aspekte unseres heutigen Staatsverständnisses
Menschen, die heute in Deutschland leben, sind, wenn sie hier geboren worden
sind, in der Regel alle Staatsbürgerinnen und Staatsbürger dieses Landes,
das sie sich nicht ausgesucht haben. Von ihrer pränatalen Entwicklung im
Mutterbauch bis hin zur letzten Ruhestätte nach dem Tod, im Volksmund "von
der Wiege bis zur Bahre", scheint das ganze Leben staatlich reguliert zu
sein, das sich auf diesen vorgegebenen Gleisen eines allseits
verrechtlichten Daseins zu halten hat. Dabei ist der Staat und die
Staatsgewalt für uns gewöhnlich ein abstraktes Gebilde.
Was
der Staat "darf", worüber er bestimmen und was er alles regeln kann, ist in
der Verfassung, dem
▪
Grundgesetz, festgelegt und in unzähligen
demokratisch legitimierten Gesetzen formuliert und wird von eigens dafür
geschaffenen Verfassungsorganen auf seine Rechtmäßigkeit geprüft.
Aber auch die Bürgerinnen und Bürger haben eine ▪
Vielzahl von Rechten und Pflichten. Sie sind durch die unveräußerlichen
▪
Menschen- und Grundrechte vor staatlicher Willkür geschützt, müssen sich
aber an unzählige Gesetze, Verordnungen und Regeln halten, die über viele
Jahre, längst bevor man als einzelnes Individuum das Licht der Welt erblickt
hat, entstanden sind. Man kann, salopp gesagt, nicht nach eigenem Gutdünken
bei einer Sache mitmachen, bei einer anderen aber nicht, also z. B. bei Rot
an der Ampel halten, aber sich die "Freiheit" nehmen, Tempobegrenzungen
willkürlich zu missachten, selbst wenn sonst weit und breit kaum ein anderes
Auto unterwegs ist.
Wer diesen Faden weiterspinnt, wird sicherlich noch eine Vielzahl solcher
Beispiele finden. Vielleicht kann man dann auch ermessen, was es für eine
historische Mammutaufgabe gewesen sein muss, so ein Gebilde wie den uns wie
natürlich vorkommenden, modernen Staat zu entwickeln. Und diese Entwicklung
steht auch heute nicht still. Der gesellschaftliche, soziale, technologische
und ökonomische Wandel, ein Metaprozess, der
angesichts etlicher raumzeitlicher Unterschiede kein festes Anfangsdatum und
auch kein Ende zu haben scheint (vgl.
Krotz 2006,
S.29), führt immer wieder zu Anpassungen staatlicher Gewalt, wobei die
Ausweitungen staatlicher Gewalt (man denke hier nur an "Regulierungen" des
Internets) mit den ▪ Freiheitsrechten der Bürgerinnen und Bürger abgewogen
werden müssen. Zugleich stellen immer neue Probleme (z. B. Klimawandel) neue
Anforderungen auch an die Bürgerinnen und Bürger, sich dafür entsprechend
selbst zu disziplinieren oder vom Staat in die Pflicht genommen zu werden.
Dass diese Aspekte unseres heutigen Staatsverständnisses keine globale
Geltung haben, selbst die Menschenrechte nicht überall garantiert werden und
staatliche Strukturen, wie wir sie z. B. bei der Trennung von Kirche und
Staat kennen, in zahlreichen, vor allem islamisch geprägten Ländern der
Welt, undenkbar sind, zeigen, dass Staat, so wie wir ihn heute kennen, ein
historisches und kulturelles Gebilde ist, das, wie am Beispiel der jüngeren
deutschen Geschichte leicht nachvollziehbar (Weimarer Republik,
Nationalsozialismus, DDR und Bundesrepublik Deutschland), sein Gesicht unter
dem Einfluss der jeweils Mächtigen verändert hat.
Diese und ähnliche Einsichten gehören dazu, wenn man sich auf Spurensuche
begibt und herausfinden will, wie und warum so ein Gebilde wie der Staat,
so wie wir ihn kennen, überhaupt entstanden ist.
Zum modernen Staat führen viele Wege
Die Entwicklung einer modernen Staatlichkeit ist ein
langwieriger politischer, gesellschaftlicher und kultureller
Transformationsprozess, der sich über mehrere hundert Jahre hingezogen hat.
Sie hat sich dabei in verschiedenen Räumen und zu verschiedenen Zeiten
unterschiedlich, dazu noch oft in unterschiedlichen Richtungen, vollzogen.
Klar ist aber, dass "der Prozess der Institutionalisierung von Herrschaft
als Verstetigung ihrer Ausübung ( u. a. durch zentrale Verwaltung, Einsatz
von gelehrten Fachleuten, Gewaltmonopol)" (Schorn-Schütte
2009, S.22) seit dem 16. Jahrhundert europaweit eine außergewöhnliche
Dynamik entfaltete und über zwei Jahrhunderte lang "eine Phase
beschleunigten Wandels" (Schilling
1994, S.315) darstellte, die Staat und Gesellschaft in Europa "tief
umformte" und "am Ende zur neuzeitlichen Rationalität und Modernisierung
(führte)." (ebd.)
Angetrieben und verstärkt durch die von der Konfessionalisierung
freigesetzten Energien, die der Entwicklung des frühmodernen Staates
besondere Schubkraft gaben, ging es bei diesen Modernisierungsprozessen nach
Schilling (1994,
ebd.) um vier zentrale Aufgaben:
Ergebnisse und Tendenzen des
Wandels zeigten sich dabei vor allem auf den nachfolgen Gebieten (ebd.,
S.315f.
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Wie sich der Transformationsprozess im Einzelnen vollzogen hat, was die Triebkräfte dieser
Verstetigung der Herrschaftsausübung und ihre maßgeblichen Akteure waren,
konnte dabei sehr unterschiedlich sein.
In Deutschland verlief die Entwicklung zum modernen Staat anders als in
Frankreich z. B., "wo das Königtum in stetiger Erbfolge neue Ansätze der
Zentralgewalt und ein ständig durch Erbfälle und machtpolitische
Entscheidungen wachsendes »Krongut" (Oestreich
1974, S.13) und damit eine territoriale Basis für die monarchische
Spitze des Landes schaffen konnte.
Das
▪ "Heilige Römische Reich Deutscher Nation" ist dagegen ein multinationales Gebilde,
das zwar in der Mitte Europas eine gewaltige Ländermasse umfasst, aber im
Gegensatz zu dem zur gleichen Zeit existierenden zentralisierten
Flächenstaat Frankreich, ein "hochpluralistisches Konglomerat" darstellt,
"eine schier unentwirrbare Gemengelage von großen absolutistischen
Territorialstaaten, von ständisch mitregierten Landesfürstentümern,
theokratischen Herrschaften mit geburtsaristokratischen Leitungsgremien,
halbautonomen Städten mit patrizischen Geschlechteroligarchien, Adelssitzen
mit privatwirtschaftlichem Charakter, obskuren Zwergobrigkeiten - eine wahre
»Milchstraße von Reichsritterschaften und Reichsstädten, Abteien und
Bistümern, Mark-, Land- und Rauhgrafschaften«". (Wehler
1987, S.45)
Unter diesen Rahmenbedingungen gelang es dem Reichsoberhaupt aus
verschiedenen Gründen (z. B. wegen des ▪
Wahlkönigtums im
Alten Reich bzw. dem »Heiligen
Römischen Reich) nicht, das
Reich zu einem "Staat im modernen Sinne umzugestalten." (Oestreich
1974, S.13)
Trotzdem gingen, vor allem im Südwesten des alten Reiches, wo "die
Einzelterritorien, die größeren wie die kleineren, zusammen mit den
Reichstädten in eine föderative Struktur eingebunden" (Schilling 1994a, S.118f
.) waren", von der Wiederbelebung der ▪
Reichskreise und ihrer "weitgreifenden Reaktivierung der
Reichswehrverfassung" (ebd., S.119)
Impulse einer fast republikanisch daherkommenden Staatsmodells aus, die das
ansonsten dominierende obrigkeitlich-herrschaftliche Regiment durch ein "auf
Absprache und Abstimmung basierende(s) Politik- und Verwaltungsmodell der
Kreise" (ebd.)
ergänzte.
Angesichts der strukturellen Schwäche des Reiches, das unter anderem keine für solche
Ziele hinreichenden Finanzquellen besaß und auch über kein schlagkräftiges
Reichsheer verfügte, war ohnehin nicht an eine Staatsbildung ausgehend von
der Reichsebene zu denken.
So ging die frühneuzeitliche Staatsbildung in
Deutschland vor allem von den nach dem »Augsburger
Religionsfrieden (1555) geschaffenen
konfessionalisierten Territorialstaaten aus, wo im Allgemeinen deren
monarchisch-fürstliche Verwaltung nach und nach den Platz der
Reichsorganisation einnimmt. (vgl.
Oestreich
1974, S.13)
Der Weg über die monarchische Spitze und den dualistischen
Ständestaat in den Großterritorien
Die Entwicklung zum frühmodernen Staat konnte von einer monarchischen Spitze im Sinne einer Einherrschaft
ausgehen, aber mindestens ebenso oft konnte die Entwicklung unter der
maßgeblichen Beteiligung der politischen Stände (meistens Adel, Klerus und
Bürgertum) verlaufen, "die in ganz Europa als Mitinhaber von Herrschaft
verstanden wurden und sich selbst so darstellten". (ebd.)
Dementsprechend verstetigte sich die neue Staatlichkeit im Allgemeinen in
einem spannungsreichen Dualismus von Ständen und Fürst, man sagte auch von
Fürst und Land, in einem dualistischen Ständestaat. Wo diese dualistische
Ständeherrschaft etabliert wurde, geschah dies mit ganz "unterschiedliche(n
Gewichtungen in der Ständeteilhabe und unterschiedliche(n) Gewichtungen
dessen, was als »absolute Herrschaft« des Landesherrn beschrieben werden
kann." (ebd.,
S.98)
Wenn von Mitspracherechten der
Stände, des Landes oder der Landschaft die Rede ist, muss freilich
klargestellt werden, dass die Landstände, keineswegs als Volksvertretung im heutigen Sinne
angesehen werden dürfen. Wer bei ihren Versammlungen Sitz und Stimme erhielt,
war nicht
vom Volk gewählt, sondern war eben als Adeliger oder Mitglied des Klerus Vertreter eines bestimmten Standes
oder repräsentierte eine bestimmte Verwaltungseinheit wie z.
B. Städte und Ämter, Verwaltungsbezirke, deren führende Funktionen von
Mitgliedern einer elitären, oft oligarchisch strukturieren Schicht von
Familiendynastien(»Ehrbarkeit) bekleidet wurden. Der ▪ "gemeine Mann", gewöhnliche
Untertan, wurde von solchen Versammlungen jedenfalls nicht repräsentiert.
In den Großterritorien auf dem Boden des alten Reiches wie z. B. Brandenburg-Preußen, Österreich, Sachsen, Bayern und Hannover
entwickelte sich eine souveräne, absolutistische Form territorialer Königs-
bzw. Fürstengewalt, die auf der sukzessiven Monopolisierung der politischen
Gewalt nach innen und außen in einer über das Gottesgnadentum legitimierten
Staatsgewalt beruhte. Die Art und Weise, wie in den Großterritorien die
Landeshoheit ausgebaut wurde, brauchte "in Rechtsqualität und realer
Machtstellung den Vergleich mit außereuropäischen Staaten nicht zu scheuen".
(vgl.
Schilling 1994a, S.134)
Allerdings zielte die neue fürstliche Souveränität, jedenfalls im 16.
Jahrhundert noch und in vielen mittleren und kleineren Territorien auch noch
bis zum Ende des Alten Reiches (1806), nicht darauf ab, die Stände
vollständig zu vernichten, sondern wollte lediglich auf die "Zähmung der
Stände" hinwirken, die "sich der einheitlichen höchsten Staatsgewalt in
Gestalt der Fürsten unterzuordnen" hatten und deren "Partikularinteressen
(...) im Gesamtinteresse aufgehen (solten)." (Schilling 1994, S.344)
Halbmoderne Landeshoheit in mittleren Staaten und die bei der
Staatsentwicklung zurückbleibenden Kleinstterritorien
Etliche mittlere, vor allem aber alle kleineren Staaten brachten es aber
meistens nur zu einer "halbmodernen Landeshoheit" und mussten sich weiterhin
gefallen lassen, dass ▪
Reichsgerichte und ▪
Reichskreise regulierend in ihre inneren Angelegenheiten eingriffen. (vgl.
Schilling 1994a, S.135)
Wenngleich der Kaiser nach den Wirren des
▪
Dreißigjährigen Krieges
(1618-1648) nicht viele Möglichkeiten besaß, in die
Innenpolitik der einzelnen Staaten und Herrschaften einzugreifen, die großen
Mächte lassen sich ohnehin nicht dreinreden, zeigt das Reich dennoch "eine
fortdauernde Vitalität" (Vann
1986, S. 146), insbesondere gegenüber den mittleren und kleineren
Herrschaften im Reich.
Das galt sogar in dieser Zeit für ▪
Württemberg,
das zwar die Rolle einer regionalen Vormacht spielte, dem aber immer wieder,
zuletzt auch unter ▪
Herzog Carl Eugen (1728-93)
in seinen fortwährenden Auseinandersetzungen mit den Ständen vom Kaiser bzw.
den kaiserlichen Behörden, die ▪
Grenzen seiner Macht aufgezeigt wurden.
Auch Bayern konnte trotz aller
sonstiger Modernität zum Trotz keine wirklich "vom Reich und
seinen Institutionen unabhängige Existenz" (Schilling 1994a,
S.134)
aufbauen.
Dass die große Zahl von Kleinstterritorien und
Herrschaften mit ihren über die Lande verteilten Ländereien, die nicht arrondiert
werden konnten, jegliche Mittel fehlten, um eine moderne Staatlichkeit
aufzubauen, versteht sich in diesem Zusammenhang fast von selbst.
Republikanismus und Stadtrepublikanismus als Wege zum modernen Staat
Neben dem monarchischen
(absolutistischen) Weg und dem dualistischen Ständestaat, die die
Verstetigung staatlicher Strukturen in Deutschland voranbrachten, gab es schließlich noch
andere Wege zum modernen Staat, wie sie die "Republiken" in Europa beschritten haben.
Dazu zählen z. B. die »Republik
sieben abtrünnigen niederländischen Provinzen, den sogenannten »Generalstaaten,
die sich 1581 vom spanischen König lossagten, die italienischen Stadtstaaten
wie z. B. »Florenz,
»Venedig,
»Genua oder
»Pisa,
die
schweizerische Eidgenossenschaft und die »Reichsstädte.
Insbesondere dieser
sogenannte Stadtrepublikanismus, "eine
besondere, vor allem in den Städten Italiens und des Reiches anzutreffende
Verfassung, oder besser gesagt, historisch-politische Kultur des
alteuropäischen Stadtbürgertums, die auf bestimmten Maximen und Normen
städtisch-bürgerlichen Zusammenlebens sowie des Regiments und der Politik im
weitesten Sinne beruhte" (Schilling
2014, S.179), ging eigene Wege und bildete eine besondere
historisch-politische Kultur des Stadtbürgertums aus, der ein eigenes
Politikverständnis zugrunde lag.
Dort, wo man von
Stadtrepublikanismus sprechen
konnte, wie z. B. in Magdeburg, betrachtete sich das Stadtbürgertum als
Partner in einem "positivrechtlichen Vertragsverhältnisses zwischen Stadt
und Kron- beziehungsweise Fürstengewalt, das der jeweiligen Stadtgemeinde
aufgrund von Absprachen und erworbenen Privilegien weitreichende Autonomie
und Handlungsspielraum innerhalb, aber auch und vor allem außerhalb des
jeweiligen Territoriums garantierte und das auf gegenseitiger Treuepflicht
beruhte." (ebd.,S.179)
Im Inneren stützte er sich auf die Gewährung bestimmter persönlicher Grund-
und Freiheitsrechte, vor allem dem Schutz vor willkürlicher Verhaftung und
das Recht auf Eigentum, auf die zumindest der Theorie nach vorhandene
Gleichheit sämtlicher Stadtbewohner bei den von ihnen zu tragenden Lasten
und Pflichten, auf die Existenz einer oligarchisch-egalitären politischen
Elite und auf "dem politischen Partizipationsanspruch des
genossenschaftlichen Bürgerverbandes." (ebd.,S.179)
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In »Ulm, z. B., einer
»freien
Reichsstadt
mit einem stark ausgeprägten Handwerk und einem großen, geschlossenen
Territorium, erstreckte sich die "Policey", d. h. die
Ordnungstätigkeit des "Stadtstaates" "auf alle erdenkbaren Gebiete mit
Schwerpunkten in den Bereichen Bürgerrecht, Steuerpflicht,
Ansiedelung/Auswanderung, Armenfürsorge/Bettelwesen, Handel und Gewerbe.
Darüber hinaus wird eine große Zahl sogenannter Zuchtordnungen nachgewiesen,
die mit Vorschriften über Gotteslästerung, Kirchenzucht, Luxus, Kleidung,
Sexualität, Alkoholgenuss oder die Gestaltung von Hochzeiten, Taufen und
Beerdigungen den Lebenswandel der Bevölkerung reglementierten." (Max-Planck-Institut,
Repertoriums der Policeyordnungen der Frühen Neuzeit, Bd. 8)
Allerdings konnte es auch
mächtigen, vor allem Nicht-Reichsstädten passieren, dass sie sich aus
verschiedenen Gründen sich der
Landeshoheit
beugen mussten und ihre Selbständigkeit durch regulierende Eingriffe des
jeweiligen Landesherrn und seiner Bürokratie verloren. Wer wie z. B. das
bedeutende Handelszentrum »Königsberg
in Preußen die Herrschaftsansprüche und die Souveränität des »brandenburg-preußischen
Kurfürsten
als Landesherr nicht anerkennen wollte (»Königsberger
Aufstand, ließ der Landesherr 1662 kurzerhand seine Truppen in
die Stadt einmarschieren. (vgl.
Oestreich 1974,
S.129) Mit seiner geballten militärischen Macht setzte der Landesherr damit
seinen Souveränität durch und erzwang damit auch, dass sich die Königsberger
an der Finanzierung seines kostspieligen stehenden Heeres beteiligten
Daneben gab es in vielen
Gebieten auch Entwicklungen hin zum modernen Staat, die ohne autoritären
Druck von oben zu einer "funktionierende(n) »Selbstregulierung der
Untertanen« (Schilling
1997; Schmidt
1997)" führten und auf andere "Formen des Aushandelns und Ausprobierens
[...] der Verhaltensspielräume im konkreten sozialen Handeln" (Niefanger
32012, S.53) beruhten.
Fazit: In Europa gibt es also
keinen "Normalweg" (ebd.,
S.98) zur Entstehung einer modernen Staatlichkeit, "an dem alle anderen Wege
zu messen wären." (ebd.)
In diesem Arbeitsbereich wird der Fokus auf eine der verschiedenen Entwicklungslinien moderner
Staatlichkeit gerichtet, die in Frankreich mit der Herrschaft »Ludwigs
XIV. (1638-1715) ihren Ausgang genommen und in den Großterritorien
Deutschlands wie z. B. z. B.
Brandenburg-Preußen, Österreich, Sachsen, Bayern, Hannover und Württemberg
zu ähnlichen absolutistischen Formen von territorialer Königs- bzw. Fürstengewalt führten,
die auf der sukzessiven Monopolisierung der politischen Gewalt in einer über
das Gottesgnadentum legitimierten Staatsgewalt beruhte.
Die anderen
Formen, die die Entwicklung frühneuzeitlicher Staatlichkeit befördert haben,
wie z. B. der Republikanismus, kommen daher nur am Rande
zur Sprache. Die Hinweise darauf sollen aber wenigstens verdeutlichen, dass
es in Europa nicht nur den "Königsweg" zur Entstehung einer
modernen Staatlichkeit gegeben hat.
In jedem Fall war der Ausgangspunkt der Entwicklung zum modernen Staat aber
weitgehend der gleiche: Eine ▪ "bunte
Vielfalt von sozialen Gruppen eigenen Rechts und besonderer
Lebensführung" (ebd.,
S.148), die über kurz oder lang zu einem homogenen Untertanenverband werden
sollten. Und dazu mussten sich die Träger der neuen, modernen Staatsgewalt
erst einmal die sogenannten ▪
Schlüsselmonopole staatlicher (Territorial-) Herrschaft sichern und dann
als Motor einer umfassenden ▪
Sozialdisziplinierung, die sämtliche Bereiche des politischen, sozialen,
wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, sittlichen, moralischen und mentalen
Bereiche in einem langanhaltenden Prozess umgekrempelt und den
Erfordernissen der "modernen Zeit" angepasst hat.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
03.02.2024
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