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Die
Bedeutung und Wirkung der Figur des Franz Moor Die Bedeutung
und die Wirkung der Figur Franz Moors liegt nicht nur in ihrer
monströsen Boshaftigkeit, sondern vor allem darin, dass sie "konsequent
nach den Prinzipien avanciertester aufklärerischer Philosophie handelt"
(Hofmann
1996, S.72). Sie ist ein "Experiment dafür, wie weit man mit einem
zu Ende gedachten Materialismus kommt" (Ibel
1982, S.59). Bis heute sie lässt
uns auch "die Angst spüren vor der Entfesselung der Vernunft, die jeden
Glauben und jeden Wert zerstört." (Mahnert
1995, S.56)
Charaktereigenschaften Franz Moors
Folgende Charaktereigenschaften von
Franz Moor lassen sich in
Friedrich Schillers
Drama "Die
Räuber", Drama erkennen:
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Gegenüber seinem Vater
und Amalia zeigt er sich als "Heuchler, Intrigant, Sophist,
getrieben von schrankenlosem Machtstreben, von kreativer krimineller
Energie, sarkastisch, grenzenlos grausam, ohne jeden Charme, unfähig
zu lieben. Mit einem Satz: Er verkörpert das Böse schlechthin."
(Mittelberg/Seiffert
1997, S.30)
-
Sein Umgang mit seinen
Bediensteten bestätigt seine Skrupellosigkeit, die "keinerlei
Achtung vor Menschenleben hat" und "seine Untertanen nur als
willenlose Werkzeuge seiner teuflischen Intrigen" einsetzen will.
(Mittelberg/Seiffert
1997, S.30f.)
-
Im Unterschied zu Karl
verkörpert Franz, gemessen an seiner eigenen Philosophie, von Anfang
an die "Größe" der Konsequenz, die er lediglich in seiner
Todesfurcht verliert ("konsequentes Ungeheuer") (vgl.
Mittelberg/Seiffert
1997, S.32). Abgesehen von dieser Situation, die bei
Franz zeitweilig zu einem Verlust von Autonomie, im Sinne reiner
individueller Selbstbestimmung führt, handelt Franz einschließlich
seines Selbstmordes weitgehend autonom, wenngleich diese Autonomie
damit letztendlich sinnlos wird (vgl.
Mittelberg/Seiffert
1997, S.32).
Dass er der göttlichen Fügung letztlich "sein Ja verweigert,
entzieht aus eigener Kraft der göttlichen Fügung den letzten
Triumph, den sie an den Sterbelagern der Freigeister schon unzählige
Male gefeiert hat." (Ibel
1982, S.62)
Aufklärerische Rationalität als Grundzug des Denkens von Franz Moor
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Die Figur des Franz Moor
wirft die Frage auf, "ob die aufklärerische Rationalität mit der
Bewahrung moralischer Werte im Einklang" stehen kann (Hofmann
1996,
S,72). Dabei hat sich seiner Überzeugung nach das Gewissen "am
besten den Handlungen anzupassen und nicht umgekehrt"
(Mittelberg/Seiffert
1997, S.31)
-
"Franz Moor verkörpert
die aufklärerische Vernunft, indem er die Natur beherrschen will."
(Hofmann
1996, S.72) – vgl. I,1
-
Dabei findet er sich mit
den natürlichen Gegebenheiten (Aussehen, familiären Bindungen usw.)
nicht ab, sondern sagt ihnen rationalistisch den Kampf an. Was ihm
an Emotionalität und Selbstakzeptanz zu fehlen scheint, kompensiert
er durch seine rationalistische Argumentation. (vgl.
Hofmann
1996, S.73)
-
Rationalität ist für
Franz nicht mehr als "Kampfinstrument, als Waffe gegen die Natur und
die Rivalen" (Hofmann
1996, S.74)
-
Mit seiner
mechanistischen Anwendung der Rationalität versucht er die
moralischen Wert-vorstellungen der Gesellschaft als bloße Vorurteile
zu entlarven, wie bei seiner Argumentation gegen "Blutliebe" (I,1 –
S. 17f.) (vgl.
Hofmann
1996, S.74) Franz zerstört "mit Hilfe seines
Verstandes seine Mit- und Umwelt so lange, bis deren Ideale vor
seinem schrankenlosen Machtanspruch vergehen". (Mahnert
1995, S. 55)
-
Die Seelenmechanik, eine
psychologische Theorie, die besagt, dass "alle Kräfte der Seele und
alle Ideen vom Körper abhängen" (Mahnert
1995, S.53) dient Franz als
Mittel den Vater zu vernichten (II, 1 – S.40f.). Sogar das
(menschliche) Leben kommt Franz nicht anders vor "als der Ablauf
einer Mechanik" (Mittelberg/Seiffert
1997, S.31) - V,1 – S.125 - Dahinter
steht auch seine Absicht, "die seelisch-körperliche Harmonie der
Welt zu zerstören". (Mahnert
1995, S.55) – I,1 – S.18
-
Auch als politische
Gestalt zeigt sich Franz bestimmt vom Rationalismus. Seine
Beziehungen zu seinen Untergebenen weisen keinerlei persönliche
Bindungen auf. Als Herrscher ist er ein Despot, der "die Bürger des
Staates ... zu Objekten einer ungehemmten Unterdrückung degradiert"
(Hofmann
1996, S.74) – II,2 – S.54). Seine Denkweise ist die eines
aufgeklärten Materialisten, der diesen mit einem schrankenlosen
Machtstreben verbindet (vgl.
Mahnert
1995, S.54) Franz ist dabei "eine
höchst moderne Gestalt": ein Nihilist, ein Leugner aller Werte, "dessen selbstherrlicher Intellekt Urheber seiner Menschenverachtung
ist." (Mahnert
1995, S.55)
Sozialisations- und Erziehungsdefizite als Ursprung des Charakters von
Franz Moor
Für die psychische und geistige Verfassung von Franz muss auch sein
Vater verantwortlich gesehen werden, der seinen ältesten Sohn Karl ganz
offensichtlich bevorzugt (I,1 – S.12 Z 38) (vgl.
Hofmann
1996, S.73).
Mangelnde Zuwendung durch den Vater führt bei Franz zu einem
"Urdefizit", fehlendem Urvertrauen und einer "Haltung, die von außen
nichts erwartet und alles aus sich selbst heraus erreichen will, wobei
das Selbst der vom Körper abgespaltene rein funktional wirkende Verstand
ist" (Hofmann
1996, S.74). – vgl. Wassermetaphorik I,1 – S.17 h: Wasser als
lebensbedrohendes Element.
Untergang und
Autonomie von Franz Moor
- Der Untergang von Franz wird außer durch die Räuberbande durch
den apokalyptischen Traum bewirkt, "der den Rationalisten bedrängt
und in seinen Überzeugungen erschüttert." (Hofmann
1996, S.75). In den
Bildern dieses Alptraumes (V,1 – S.121f.) darf man keine inhaltliche
Bestätigung des christlichen Glaubens sehen, sondern "sie
symbolisieren vielmehr die Macht derjenigen Werte des Natürlichen
und Unverfügbaren, die Franz verdrängt hatte". Der "Alptraum stellt
die Wiederkehr des Verdrängten dar". (Hofmann
1996, S.75) Der Tod, den
Franz vor Augen hat, führt ihm, der sich zum Herrn über Leben und
Tod aufschwingen wollte, die eigene Begrenztheit und Endlichkeit
vor. (vgl.
Hofmann
1996, S.75)
- Die Vorstellungen, die Pastor Moser in seinem Dialog mit Franz
(V,1 – S.124 –128) äußert, stehen auch als "Einwände einer gleichsam
natürlichen Moral gegen die Unterdrückung im politischen Bereich und
postulieren die Bestrafung des Despoten". (Hofmann
1996, S.76) - V, 1 –
S.126 - Religion wird in den Räubern also insofern
instrumentalisiert, als sie jene Natur verteidigt, die von Franz
verdrängt und unterdrückt wird. Seine innere Natur, symbolisiert
durch das Herz, gegen das sich Franz kurz vor seinem Selbstmord
schlägt (V,1 – S.129), ist verstummt und kann von ihm nicht mehr zum
Leben erweckt werden. (Hofmann
1996, S.76)
Gert Egle,
01.05.2015 |
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