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Methodenrepertoire zur
szenischen Erarbeitung von Dramentexten
▪
Analyse einer dramatischen Szene
▪
Strukturen dramatischer Texte
▪
Analyse einer dramatischen Szene im Überblick
▪
Formen des Gesprächs im Drama
▪
Analyse der dramatischen Kommunikation
▪
Dramenhandlung
▪
Dramatische Rede
▪
Formtypen
des Dramas
▪
Dramaturgie und Inszenierung
Das Gespräch zwischen
Mortimer und
Leicester in Szene
II,8 des 2. Aktes von
Schillers
Drama »Maria
Stuart«, das die
Gegensätze
der beiden Figuren sehr deutlich hervortreten lässt, kann nach
folgendem Muster inhaltlich gegliedert werden.
1. |
Gegenseitige Unsicherheiten über das
einander entgegenzubringende Vertrauen |
1.1 |
Die Risiken eines offenen Gesprächs für
beide Beteiligten |
1.2 |
Die Aushändigung des Briefes Maria
Stuarts und die Reaktion Leicesters |
2. |
Die Motive von Mortimer und Leicester für
ihr Engagement zu Gunsten Maria Stuarts |
2.1 |
Mortimers Wechsel zum katholischen
Glauben und die Entstehung seines Willens, sich für Maria einzusetzen |
2.2 |
Leicesters Umorientierung auf Maria
angesichts der französischen Brautwerbung um Elisabeth |
3. |
Der Streit um die Taktik und die Methoden
zur Befreiung Maria Stuarts |
3.1 |
Ablehnung von Mortimers Plan zur
gewaltsamen Befreiung Marias durch Leicester |
3.2 |
Mortimers Kritik an der auf Zeitgewinn
setzenden Taktik Leicesters |
3.3 |
Leicesters Aufforderung an Mortimer, sich
seiner Führung zu unterstellen |
Das Treffen von Mortimer und Leicester kommt auf Wunsch Maria Stuarts
zustande, die Mortimer bei ihrer ersten Begegnung gebeten hat, mit
Leicester Kontakt aufzunehmen und ihm einen Brief zu überbringen. (I,
7 - V 669) Dieses Gespräch, das Mortimer offenbar bei seiner
Vorstellung am Hof Elisabeths mit Leicester vereinbart hat (
II,4 - V 1506), führt die beiden Personen zusammen, die die Rettung
Maria Stuarts - allerdings auf gänzlich unterschiedlichen Wegen -
betreiben wollen.
Das Gespräch der beiden in Alter, Rang und Einflussmöglichkeiten am Hofe
gänzlich unterschiedlichen Figuren lässt sich unter inhaltlichen
Gesichtspunkten in drei Teile einteilen.
Im ersten Teil des Gesprächs sind beide Gesprächspartner sichtlich
bemüht, keinen gefährlichen Schritt zur Offenheit zu wagen, so lange nicht
geklärt ist, ob sie dem jeweiligen Gegenüber vertrauen können. Leicester
stellt sich auf den Standpunkt, dass Mortimer den Anfang machen müsse, da
er ihn um diese geheime Unterredung gebeten habe. Zudem könne er sich
keinen Reim auf das offensichtliche Doppelspiel Mortimers machen. Mortimer
gibt Leicester aber ebenso zu verstehen, dass er angesichts der
Doppelrolle die Leicester offenbar spiele und seiner Stellung am Hofe
erwarte, von Leicester ein Zeichen des Vertrauens zu erhalten. Da dieser
sich aber weiterhin bedeckt hält, übergibt Mortimer ihm kurzerhand den
Brief Maria Stuarts. Bemerkenswert, wie Leicester diesen entgegennimmt: er
schrickt zusammen und greift hastig danach, so will es die eingefügte
Bühnenanweisung Schillers im Nebentext. So zeigt sich die gestisch schon
die von ihm während des ganzen Gesprächs deutlich werdende Ambivalenz.
Mit seiner emotionalen Äußerung - Kuss auf das beigefügte Bild und
verzücktes Ansehen der Darstellung - gewinnt Leicester das Vertrauen
Mortimers.
Im zweiten Teil des Gesprächs versichern sich die beiden Männer
ihres gegenseitigen Vertrauens, indem sie sich über ihre jeweiligen Motive
für ihr Engagement zu Gunsten der inhaftierten schottischen Königin
unterrichten. In aller Kürze berichtet Mortimer von seinem religiösen
Wandel und stellt ferner seine internationalen Beziehungen heraus, die er
zur Befreiung Marias geknüpft habe. Kein Wort verliert er aber über seine
weiteren Motive, die der erotischen Ausstrahlung Marias geschuldet sind.
Leicester seinerseits ist im Anschluss daran gewillt, Mortimer in seine
Motive einzuweihen. Er verweist auf eine schon vor Marias Hochzeit mit
Darnley mögliche Verbindung mit der schottischen Königin, die er aber in
der Hoffnung auf eine eheliche Verbindung mit Elisabeth ausgeschlagen
habe. Angesichts der nunmehr anstehenden Verheiratung Elisabeths mit dem
französischen Thronfolger habe er sich nunmehr wieder Maria zugewandt und
folge damit seinen Gefühlen, die er seinem "kalten Ehrgeiz" geopfert habe.
Als er Mortimer eröffnet, Maria habe ihm in dem von ihm ausgehändigten
Brief ihre Hand zugesagt, wenn er sie rette, brüskiert er Mortimer.
Daher verschärft sich die Tonlage zwischen den beiden Männern mit dem nun
beginnenden dritten Abschnitt des Gesprächs, das sich um die
unterschiedlichen Methoden und die grundverschiedene Taktik zur Befreiung
Maria Stuarts dreht.
Mortimer hält Leicester vor, dass er trotz seinem gerade gemachten
Bekenntnis der Zuneigung, bis dahin nichts zur Befreiung Marias
unternommen habe, ja im Gegenteil im Gericht sogar für das Todesurteil
gestimmt habe. Ohne jedes Verständnis für die Rechtfertigungsversuche
Leicesters hebt er hervor, dass er selbst seinen Plan zur gewaltsamen
Befreiung Marias in die Tat umsetzen werde. Leicester lehnt ein solches
Vorgehen, da ihm die Risiken zu hoch erscheinen, grundsätzlich ab.
Zugleich befürchtet er, schon mit der geplanten Verschwörung in
Zusammenhang gebracht werden zu können. In dieser Frage gibt es zwischen
beiden Männern keine Chance auf einen Kompromiss - von Schiller glänzend
durch die
Stichomythie (V 1863-1880) unterstrichen. Als Mortimer erwähnt, dass
er von Elisabeth zuvor den Auftrag erhalten habe, Maria zu ermorden, sieht
Leicester darin eine Chance seinen Plan, über eine Begegnung der beiden
Königinnen einen Gnadenakt Elisabeths zu Gunsten Marias zu bewirken, in
Angriff zu nehmen. Doch Mortimer sieht die Zeit, die für die Rettung nötig
ist, bei jedem weiteren Zuwarten nutzlos verrinnen. Er verlangt statt
vorsichtigem Taktieren von Leicester das Bekenntnis zu offenem Aufruhr
gegen Elisabeth, den er mit anderen Großen des Reiches und alten Getreuen
Maria Stuarts unmittelbar in Angriff nehmen müsse. Seine verklärende
Vorstellung von einem edlen Kampf eines Ritters um die Angebetene, mit der
er Leicester motivieren und gleichzeitig provozieren will, löst bei dem
Lord blankes Entsetzen aus. Er fordert daher Mortimer auf, keine
unbedachtsamen Schritte zu unternehmen und sich seiner Führung zu
unterstellen. Als das Gespräch wegen des Herankommens von Elisabeth
abgebrochen wird, gehen die beiden Männer ohne Einigung auseinander.
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
16.12.2023