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Sein erster Präzeptor, Abraham Elsäßer, war am 9. Februar 1735 zu
Bittelbronn im heutigen Oberamt Neckarsulm geboren, also zur Zeit, da er
Schiller unterrichtete, gegen 32 Jahre alt. Die Ludwigsburger Stelle war
sein Anfangsdienst. Er hielt Sommers wie Winters täglich fünf Stunden und
außerdem eine regelmäßige »Repetizstunde«, welche ihm quartaliter mit einem
Gulden bezahlt wurde. In letzter wurden die Hausaufgaben angefertigt, was
für Eltern und Schüler gleich bequem war. Wer irgendwie das Extrahonorar
auftreiben konnte, ließ seinen Sohn diese im Schullokal abgehaltene
allgemeine Privatstunde besuchen, schon darum, weil der Präzeptor
selbst auf möglichst zahlreiche Beteiligung Wert zu legen pflegte. Gewiss
hat auch Schiller diese Sitte mitgemacht, so dass er in der ersten Klasse
täglich sechs Stunden zu sitzen hatte. Ebenso verhielt es sich mit der
Stundenzahl in der zweiten und dritten Klasse, nur dass da noch die
Extralektionen für die Landexamenkandidaten hinzukamen. Die Zeugnisse über
Elsässer lauten recht günstig. Zum Beispiel 1768: "Testimonium im Fleiß, Zucht, Wandel und
Ehe ist durchgängig gut, auch besonders an seinen Schulaufgaben nichts
auszusetzen.“ Oder 1773: "Hat gute Schulaufgaben, auch hinlängliche studia;
appliziert sich ernstlich und führt eine ordentliche Schulzucht, Wandel und
Ehe.“ In letzterem Punkt passten die geistlichen Schulinspektoren den
Präzeptoren besonders scharf auf. Im Visitationsbericht von 1779 ist einem
ähnlichen Lob beigefügt: "Ist seit einiger Zeit nicht mehr so unruhig als
vormals.“ Wir haben uns also Schillers ersten Ludwigsburger Lehrer als etwas
nervös vorzustellen. Hervorgehoben wird ferner an ihm, dass er die Musik
treibe und doziere. Hoven schildert Elsässer al einen ersten, etwas strengen
Mann, der aber seine Schüler freundlich behandelt habe. Nach
Christophinens
Bericht war er über den guten Anfang von Schillers Kenntnissen sehr
zufrieden, und dieser lernte bei ihm so eifrig, dass er oft nüchtern in die
Schule ging, wenn das Frühstück nicht fertig war und die Stunde schlug. Er
brachte es – nach derselben Quelle – denn bald auch so weit, dass er einer
der ersten in der Klasse war. Aus dem allem gewinnt man den Eindruck, dass
der Knabe zum Einstand an keinen von den schlimmen württembergischen
Pädagogen geraten war.
Einen solchen sollte er in der zweiten Klasse kennen lernen. Ihr Lenker, der
Magister
Philipp Christian Honold, geboren zu Kirchheim unter Teck am 15.
März 1728, zählte, als Schiller bei ihm eintrat, 39 ½ Jahre. Er versah
damals schon seit 1755 sein Ludwigsburger Schulamt, das seine erste
Bedienstung war. Er hatte gleichfalls sehr gute Zeugnisse aufzuweisen. 1768
heißt es von ihm: "Hat zwar sehr gute Schul-, doch bessere Predigamtsgaben
und Studia; ist in seinem Schulamt ganz fleißig, in der Schulzucht
ordentlich, im Wandel exemplarisch, in der Ehe vergnügt; übt sich zuweilen
im Predigen mit großer Approbation der Gemeine.“ Im Visitationsbericht von
1773 lautet seine Prädizisierung ähnlich; seine "erbaulichen Predigten“,
deretwegen er besonders beliebt sei, werden wiederum hervorgehoben. In
beiden Jahren wird vermerkt, er verlange Promotion ins Ministerium ecclesiaticum. Dieser Wunsch wird ihm 1778 erfüllt, in dem er die Pfarrei
Erdmannhausen im Oberamt Marbach übertragen erhielt. Er starb am 4 Juni
1787. Honold ließ auch als Lehrer das theologische Element offenbar aufs
stärkste hervortreten. Er wird von dem keineswegs unbilligen Hoven
(Autobiographie, Nürnberg 1840, S. 17f.) als ein Frömmling geschildert, der
hauptsächlich auf fleißigen Besuch der Predigten sah, in der deutschen
Stunde gewöhnlich christliche Bücher lesen ließ und nicht selten förmliche
Katechisation hielt, der die Knaben nachträglich im Lateinunterricht
durchprügelte, wenn sie die geistlichen Lieder, die er sie auswendig lernen
ließ, nicht hatten fertig hersagen können. Dieses Regiment empfahl den
Prügelpädagogen natürlich bei den geistlichen Scholarchen im Stile Zillings,
und man darf sich darum über die guten Zeugnisse Honolds nicht wundern.*
Oberpräzeptor Friedrich Jahn, am 25. Dezember 1728 in Brackenheim geboren,
war 1750 Oberpräzeptor in Neuenstadt am Kocher, 1763 in Lauffen, 1767 in
Ludwigsburg geworden. Wir haben schon vernommen, dass er im Juni 1771 an die
Militärakademie auf der Solitude versetzt wurde, und werden noch von seiner
im Juli 1775 erfolgten Zurückversetzung an die Ludwigsburger Lateinschule
hören. Er starb in Ludwigsburg am 22. August 1800 an der Wassersucht. Im
Jahre 1768 stellte ihm Dekan Zilling das Zeugnis aus: "Hat treffliche
Schulgaben und Studia, einen unverdrossenen Fleiß im Amt, ordentliche
Schulzucht, unsträflichen Wandel und friedliche Ehe.“ Der Visitator bemerkte
dazu, er wisse dem Oberpräzeptor keine anderes Zeugnis zu geben, als ihm der
Dekan gegeben habe. Ausdrücklich wird in demselben Visitationsbericht von
Jahn hervorgehoben, dass er die Musik verstehe, sie aber nicht doziere. Erst
neuerdings ist bekannt geworden […], dass Jahn im Jahre 1769 Absichten auf
die damals erledigte Ludwigsburger Stadtorganistenstelle hatte, die dann
Schubart erhielt. Und zwar wurde eine dauernde Vereinigung dieses
musikalischen Postens mit dem Ludwigsburger Oberpräzeptorate angestrebt. Der
mit Jahn befreundete Dekan Zilling unterstützte den Plan. Das Oberamt und
der Stadtmagistrat zu Ludwigsburg erklärten sich jedoch dagegen, weil der
Oberpräzeptor mit seinem Schuldienste genug zu schaffen habe, mithin durch
diese neue Stelle, welche auch ihren eigenen Mann erfordere. daran sehr
verhindert und das Ludwigsburger Schulwesen sehr vernachlässigt würde. So
unterlag Jahn mit seiner Bewerbung. Wahrscheinlich hatte ihn dazu
hauptsächlich seine missliche Finanzlage veranlasst; es heißt. er sei
zeitlebens aus den Schulden nicht herausgekommen. Seine spätere Tätigkeit an
der herzoglichen Militärakademie, über die sich aus dieser Anstalt
mancherlei beibringen lässt, eingehender zu schildern, würde zu weit führen;
er ist an der Organisation des Lehrplans einigermaßen beteiligt gewesen.
Ohne Frage war Jahn der bedeutendste unter Schillers Ludwigsburger Lehrern.
" Ein kalter, rauer, murrsinniger Polterer, doch ein regelfester, nicht
unverdienter Sprachgelehrter“ – so urteilte Petersen über ihn (Morgenblatt
für gebildete Stände 1807, Nr. 164). Gegen diese Schilderung wandte sich
Elwert sofort nach ihrem Erscheinen in einem Brief an Petersen vom 10. Juli
1807. Hoven in seiner Autobiographie (S. 18f.) erteilt Jahn als Pädagoge wie
als Menschen ein gleich ausgezeichnetes Lob und rühmt unter anderem an ihm,
dass er ganz in seinem Schulamte aufgegangen sei und nicht, wie Honold,
nebenbei gepredigt habe. Er imponierte nach Hovens Zeugnis nicht nur durch
reiches Wissen, sondern auch durch hohe Würde, ruhigen Ernst und Konsequenz
im Unterricht und wirkte nach den verschiedensten Richtungen anregend. Wir
werden Hoven und Elwert um so mehr Glauben schenken dürfen, als beide Jahns
Unterricht schon in Ludwigsburg genossen hatten, Petersen nur auf der
Solitude, und letzterer ohnehin zu billigen Urteilen allzu geneigt war. Auch
das zeugt für Jahn, dass Schiller, als er sich 1793/94 in Ludwigsburg
aufhielt, mit ihm verkehrte. Wir stellen uns also mit Fug und Recht diesen
dritten Ludwigsburger Lehrer des Dichters als eine würdige Persönlichkeit
vor. […]
Jahns Nachfolger, Magister
Philipp Heinrich Winter, hat am 29,. Mai 1744 zu
Esslingen das Licht der Welt erblickt; das Ludwigsburger Oberpräzeptorat war
seine Anfangsstelle. Er vertauschte es 1788 mit der Pfarrei Hohenacker im
Oberamt Waiblingen, kam 1800 als Pfarrer nach Öschelbronn im Oberamt
Herrenberg und starb am 11. Mai 1812. Im Kirchenvisitationsbericht von 1773
heißt es von ihm: " Hat treffliche dona didacta, auch gute ministerialia,
wie er sich dann auch im Predigen und Katechisieren öfters übt: die Studia
sind ebenfalls gut, sowie seine Applikation im Amt und seine Schulzucht;
sein Wandel und Ehestand ohne Klage.“ Der Visitator bestätigte dieses Lob
des Dekans, das sich im Vistationsbericht von 1779 in verstärkten Ausdrücken
wiederholt. Offenbar gravitierte Winter, ähnlich wie Honold, nach der
theologischen Seite, und das war von Übel. Auch in der gewandten Handhabung
des strafenden Bambusrohrs scheint dieser Oberpräzeptor dem Präzeptor der
zweiten Klasse geähnelt zu haben. Wenigstens weiß eine von Petersen
überlieferte Anekdote (Neuer literarischer Anzeiger 1807, Nr. 49, Spalte
780f.) zu berichten, dass Schiller einmal von Winter, und überdies noch
unschuldig, harte Stockschläge bekommen habe, von denen auf seinem Rücken
deutliche Spuren zurückgeblieben seien. Wenn der Lehrer sich nachträglich
beim alten Schiller entschuldigen zu müssen glaubte, kann ihn dazu ebenso
gut Angst, der Vater möchte sich beschweren und ihm Ungelegenheiten
bereiten, als Reue über seine ungerechtfertigte Grausamkeit bewogen haben.
Jedenfalls hat der junge Schiller in Ludwigsburg das ganze Elend der in
württembergischen Lateinschulen üblichen, auf ein rohes Prügelsystems
gestützten Geistesdressur auskosten müssen.
*
Elwert schreibt: "Unser Präzeptor war Honold, ein sehr frommer,
maliziöser und dummer Mann, der den Stecken weidlich zu führen wusste.
Dieser drohte, uns durchein zu bläuen, wenn wir (Schiller und Elwert, beim
Aufsagen des Katechismus in der Kirche) ein Wort fehlten.“
(aus:
Krauß, Rudolf (1905),
Friedrich Schiller in der Ludwigsburger Lateinschule, in:
Marbacher Schillerbuch (1905),
S. 189-200
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
16.12.2023