Die folgenden Auszüge stammen aus
verschiedenen
Textinterpretationen
von
▪
Kurt Martis
▪
Kurzgeschichte ▪»Neapel sehen«,
die von Schülerinnen und Schülern verfasst worden sind.
Beispiel 1:
Der Arbeiter will sich mit der Bretterwand sozusagen von der Fabrik und
all dem damit Verbundenen abgrenzen, da er es so hasst. Er will sein
eigenes Reich aufbauen, das sich nur auf sein Häusliches begrenzt. Mit
dem Aufbau der Bretterwand grenzt sich der Arbeiter selber ein, was sich
auf seine innere Befindlichkeit auswirkt, er wird krank. Als er dann im
Bett liegt, merkt er um so stärker, dass der Aufbau der Bretterwand ein
Fehler war. Erst durch den stückweisen Abriss der Wand löst sich seine
Anspannung und endet gar in seinem Tod.
Beispiel 2:
Am Anfang der Geschichte wird gesagt, der Arbeiter habe eine
Bretterwand gebaut. Dies ist allerdings keine Wand aus Holz, sondern die
Wand, die sich der Arbeiter selbst in seinem Kopf, eben durch die harte
Akkordarbeit, gebaut hat. Er sieht nichts anderes mehr, die Fabrik ist
sein Leben. Und so ist auch die Überschrift "Neapel sehen" zu
deuten.
Beispiel 3:
Der Erzähler erzeugt ein mitleiderregendes Bild von einem klassischen
Malocher, für den die Arbeit stets das Wichtigste im Leben war. Sein
seelisches Wohlbefinden ist stark von seiner Arbeit abhängig. Die
Vorstellung allein, dass er kränkelt und nicht mehr die gleiche
Arbeitsleistung wie früher erbringen kann, ruft Unmut und
Minderwertigkeitsgefühle in ihm hervor. Zugespitzt kann man sagen, dass
die Arbeit in der Fabrik sein Leben ist (war). Da er aber die Fabrik
hasst, hasst er sich selbst.
Beispiel 4:
Martis Text hat den Charakter einer modernen Predigt. Sie gibt uns
keine direkten Anweisungen, regt und aber zum Nachdenken an. Sein Text,
der sehr naturalistisch wirkt, da er sich mit dem Leben des einfachen
Menschen beschäftigt, spricht uns alle an. Er möchte uns davor bewahren,
beschränkte Malocher zu werden, besagt aber auch die Tatsache, dass der
Arbeiter glücklich stirbt und keine Sinnlosigkeit verspürt, dass auch
solche Menschen ein erfülltes Leben empfinden können. "Neapel
sehen" und "Fabrik sehen" stehen zwar im direkten Gegensatz
zueinander, erfüllen aber den gleichen Zweck. Wir werden somit angeregt,
uns über Ziele, Sinn und Wege im Leben individuell klar zu werden.
Beispiel 5:
Der Titel "Neapel sehen" heißt eigentlich "Neapel sehen
und sterben", d.h. dass, wenn man beim Anblick dieser Stadt stirbt,
auch glücklich stirbt. Damit will ich sagen, dass der Mann beim Anblick
der Fabrik einen glücklichen Tod hatte. Er hat die Gefühle zum Ausdruck
gebracht, die auch in im waren.
Beispiel
6:
Er hat 40 Jahre nur in seinem Häuschen verbracht und keinen anderen Ort
gesehen wegen dieser Arbeitsstelle.
Beispiel
7:
Die Raumgestaltung des Textes ist im Perspektivraum geschrieben. Dem
Bewusstsein des Mannes erscheint der Raum und seine Elemente (die Fabrik,
sein Alltag) als feindlich und dann als freundlich, aber erst als er im
Sterben liegt.
Beispiel 8:
Doch nach drei Wochen wird es ihm zu langweilig und er vermisst die
vorher verhasste Fabrik. Er lässt die Bretterwand langsam abbauen,
Brett für Brett, denn er merkt, dass es nichts bringt, sein Leben zu
"teilen" in Arbeit und Privatleben. Er beginnt damit langsam das
zuvor Zerteilte wieder zusammenzufügen.
Beispiel
9:
Es erfolgt ein Wendepunkt im Leben des Arbeiters. Besonders die Wand
spielt nun eine wichtige Rolle. Zu Beginn ist sie eine schützende
Barriere, die seine Arbeit von seinem Privatleben abschirmt, nun scheint
sie störend, als ob sie dem Kranken einen Teil seines Lebens verbergen
wolle.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
10.10.2020