Für den nachfolgenden
▪
Interpretationsaufsatz
von
▪
Kurt Martis
▪
Kurzgeschichte ▪»Neapel sehen«von
Svenja
Haarmann wurde dieser Arbeitsauftrag gestellt:
Analysiere die Kurzgeschichte, indem du
-
eine Inhaltsangabe gibst,
-
das Verhältnis des
Arbeiters zur Fabrik erläuterst, dabei
-
zeigst, welche
sprachlichen Mittel dies Verhältnis unterstreichen, und
-
kurz begründest, worin
für dich ein Zusammenhang besteht zwischen Überschrift und
Textintention!
Die Kurzgeschichte
"Neapel sehen" von Kurt Marti handelt von einem Mann, der viele Jahre
gearbeitet hat, seine Arbeit jedoch hasst und erst zum Schluss erkennt,
wie viel ihm seine Arbeitsstelle doch wirklich bedeutet.
Der Mann ist sehr
verbittert, denn er "hasste die Fabrik" (Z.2) und "die Maschine" (Z.2).
Er baut auch eine Bretterwand, die "die Fabrik aus seinem häuslichen
Blickkreis" (Z.1ff) entfernt. Man könnte zu Anfang glauben, dass er das
Arbeiten hasst, doch schon bald wird klar, dass er mehr gegen sich
selbst Wut verspürt, denn "er hasste das Tempo der Maschine, das er
selber beschleunigte" (Z.3). Außerdem kann er die Hetze nicht mehr
ertragen. Früher kommt er mit, denn durch die "Akkordprämien" (Z.4) hat
"er es zu einigem Wohlstand, zu Haus und Gärtchen gebracht" (Z.4ff). Er
kommt nicht mehr mit, aber kann es sich nicht eingestehen, denn er hasst
ja auch "den Arzt, der ihm sagt, Sie müssen sich schonen" (Z.7ff). Dem
Mann ist klar, dass er mit dem Akkord Schwierigkeiten hat, doch er will
weiter so viel Geld verdienen. Außerdem will er sich nicht eingestehen
alt zu werden, denn "er wollte kein Greis sein, er wollte keinen
kleineren Zahltag" (Z.10). Durch die Wiederholung des Wortes "hasste"
wird klar, dass sich in ihm viel Wut staut, doch die ist mehr gegen sein
Altwerden und weniger gegen die Arbeit gerichtet.
Plötzlich wird der Mann
krank, nicht einfach so, sondern die Wut, der Hass, hat ihn krank
gemacht. Das krank werden ist ein Übergang, der Hass kommt nicht mehr
vor, die ganzen Gefühle des Mannes ändern sich. Man könnte glauben, der
Mann ist jetzt froh nicht arbeiten zu müssen. Er sieht "nur den Frühling
im Gärtchen und eine Wand aus gebeizten Brettern." (Z.15) Den Frühling
könnte man wie den "zweiten Frühling" deuten. Viele Menschen erleben
einen zweiten Frühling und beginnen ein neues Leben, vielleicht auch der
Mann. Man kann auch meinen, dass für ihm der Garten etwas Schönes ist,
denn der personale Erzähler verniedlicht den Garten, indem er "Gärtchen"
(Z.5 und Z.15) sagt. Man könnte glauben, er sei seinen Hass los, doch es
gibt wieder einen Umbruch (Z.15). Man sagt ihm zwar: "Bald kannst du
wieder hinaus" (Z.15/16), doch er glaubt es nicht. Schon wieder ist er
nicht glücklich. "Nach drei Wochen" (Z.18) ist er sogar frustriert, dass
er seine Fabrik nicht sehen kann. "Ich sehe immer das Gärtchen, sonst
nichts" (Z.18) klingt schon wie eine Ausrede, denn in dem er "diese
verdammte Wand" (Z.20) sagt, wird klar, dass er die Fabrik sehen will.
Der Blick auf sie wird aber durch die Wand versperrt.
Nun sieht er ein Stück
der Fabrik. Das reicht ihm bald aber nicht. Es lenke ihn "zu wenig ab"
(Z.24), meint er. Man muss sich fragen, wovon es ablenkt. Wahrscheinlich
denkt er darüber nach, dass er wieder arbeiten will, aber doch zu alt
und zu krank ist. Dass er sehr krank ist, weiß er, denn er glaubt dem
Arzt nicht, dass er bald wieder gesund wird.
Es ist nun die Hälfte der Wand weg. Der Mann wird allmählich immer
weniger verbittert, denn "zärtlich ruhte der Blick" (Z.25) des Mannes
"auf seiner Fabrik" (Z.25). Der Mann sieht die Fabrik auf einmal als
etwas Wundervolles an, denn es wird eine Metapher benutzt: "das Spiel
des Rauches" (Z.25).
Er beobachtet die
Fabrik und will bald alles sehen. Er braucht quasi den ganzen Anblick
seiner Fabrik. Alleine "seine" macht die ganze Entwicklung der
Kurzgeschichte deutlich. Erst hasst der Mann die Fabrik und jetzt ist es
"seine" Fabrik. Er liebt sie sogar, denn "als er die Büros sah, die
Kantine und so das gesamte Fabrikareal, entspannte ein Lächeln die Züge"
(Z.29/30).
Feststellen muss man noch, dass der Mann trotz des Anblickes nicht
gesund wird. Er ist zwar zufrieden, aber wird immer noch als "Kranker"
bezeichnet. Er wollte gar nicht mehr gesund werden, denn er hat
verstanden, dass er seine Fabrik liebt, aber zu alt ist dort zu
arbeiten. Nachdem er das verstanden hat, ist er auch bereit zu sterben.
Es gibt Menschen, die
haben ein Ziel oder einen Wunsch. Für manche ist es, endlich Neapel zu
sehen, weil sie Neapel nur von Bildern kennen und es einmal hautnah
erleben möchten. Es ist zum Teil ihr Lebenswunsch und erst dann, wenn
sie ihn erfüllt haben, können sie beruhigt sterben.
Der Arbeiter hat den
Wunsch endlich aufhören zu arbeiten. Er wusste, er war zu alt, aber kann
nicht aufhören, weil er sich dann auch eingestehen musste, wirklich alt
zu sein. Nachdem er dann nicht mehr arbeitet, kann er endlich verstehen,
dass er seine Fabrik in Wirklichkeit mag. Als er das erkennt, kann er
sterben.
(Dieser Text entstammt der Homepage von Svenja Haarmann. Er darf frei
kopiert und selbstverständlich für den Unterricht gebraucht werden.
Email: svenja@svenja-haarmann.de HP: www.svenja-haarmann.de)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
07.01.2025