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Lenz, Siegfried, Arnes Nachlaß

Aus Rezensionen

Auszüge

 
 
  »Arnes Nachlaß«  von  Siegfried Lenz wurde von zahlreichen Fachjournalisten rezensiert. Hier finden Sie eine Auswahl von Zitaten aus solchen Rezensionen:

Eva Tropper (in: Der Standard, Wien, 26.2.2000)

[...] Arne selbst versteht sich nicht aufs Funktionieren in einer auf Gebrauchswerte ausgerichteten Gesellschaft, die Lenz durch eine Gruppe Gleichaltriger in Szene setzt. Die lassen einen, der "anders ist", erwartungsgemäß draußen, und seinen verschobenen Blick auf die Welt ziehen sie erwartungsgemäß ins Lächerliche, um die eigene Normalitäts-Definition nicht zu gefährden. Sie sind die Meute, und der, den sie jagen, ist ein ohnehin nur noch auf Abruf Lebender, dem der Tod zu tief ins Aug geschaut hat, um ihn je noch wirklichkeitstauglich werden zu lassen. Doch Arnes einziger und hysterischer Wunsch besteht genau darin, wieder einer von den Lebenden sein zu dürfen; seine Liebesbedürftigkeit lässt ihn schließlich bis zur Anbiederung schwach sein. [...]
Arne hätte man sich weniger typisiert gewünscht, diesen Jungen mit der Aureole, der mit seiner "Sanftmut und Duldsamkeit", mit seiner außergewöhnlichen Intelligenz und seiner Ungeschicklichkeit an einer gleich als ganzer der Oberfläche anheim gefallenen Gesellschaft scheitert.
Leider zerfällt die Welt in Moral und Unmoral, sauber geschieden. Da kann auch die Erinnerungsarbeit nichts anderes zu Tage fördern als von vornherein festgelegte Zuschreibungen. [...]
Ohne Not (wenn auch mit viel Tugend) gibt sich die Vergangenheit ein Stelldichein im Jetzt und hat ihre Bedeutungen mit dabei. Der offen gelassene Schlussakt - Arnes unaufgelöstes Verschwinden - bleibt künstlich, weil die nach den Geboten der Kausalität durchdeklinierte Geschichte keine Antwort schuldig geblieben ist.
Hinter diesem dualen Universum aus Gut und Bös steht allerdings nicht die gesellschaftskritische Offensive, die den frühen Romanen ihr Gepräge gegeben hat. Der späte Lenz (Die Auflehnung 1994, Ludmilla. Erzählungen 1996) hat die Milieustudie gegen das Interesse an einer Psychologie getauscht, deren Fluchtpunkt das Allgemeinmenschliche ist. So bleiben in Arnes Nachlaß die detailreich geschilderten Hamburger Hafenbecken auch mehr Staffage als Lebenswelt. Die jungen Leute infizieren sich nicht an dieser Wirklichkeit, die doch allen Anlass dazu gäbe, und stellen stattdessen die Parabel vom Menschen und des Menschen Wolf nach. [...]

Till Weingärtner (lettern.de)

Siegfried Lenz liefert uns sicher kein genaues Bild der Jugendlichen von heute. Man mag zum Beispiel einwerfen, dass sich männliche Jugendliche in der Öffentlichkeit (und schon gar nicht vor denen, von denen man gehänselt wird) niemals aneinander schmiegen würden, was Hans und Arne oft tun. Auch die von Siegfried Lenz geschilderten Turnstunden gehören, zum Glück, in dieser Form der Vergangenheit an. Doch das sind Äußerlichkeiten, man kann Lenz nicht vorwerfen, dass er nicht der Techno-Generation angehört. [...]
Siegfried Lenz schreibt über die Trauer, aber er vollführt dazu keine melodramatischen Eskapaden. Er ist der perfekte Beherrscher der Melancholie, die bei ihm ohne übertriebene Dramatik und interessanterweise ohne die Spur von Weltschmerz oder Pessimismus daherkommt. Das ist Siegfried Lenz' große Stärke, die er uns auch mit Arnes Nachlaß spüren lässt.

Ursula Stock (aus: Rezensionen-online *Sz*, April 2000)

Er [Arne, d. Verf.] ist ein sensibles, hochintelligentes, traumatisiertes Kind, das verzweifelt und vergeblich um Akzeptanz, Anerkennung und Zuneigung fleht. Unspektakulär und unaufgeregt erzählt Siegfried Lenz die Geschichte eines Außenseiters, der am Wunsch einfach dazuzugehören zerbricht. Der Roman wirkt allerdings sprachlich ein bisschen altmodisch, das Schicksal Arnes lässt trotz berührender Passagen merkwürdig kalt.

Dorothee Körner (in: Berliner LeseZeichen, Ausgabe 03/2000)

Ich bin mir nicht sicher, ob Lenz die Darstellung der Jugendlichen geglückt ist, die ich mir individueller, psychologisch reicher angelegt gewünscht hätte. Ich habe mich auch gefragt, ob das Psychogramm Arnes überzeugt. Sind Hochbegabung und der Tod von Eltern und Geschwistern - die übrigens von Arne so gut wie nie erwähnt werden - nicht etwas zuviel an Außenseitertum? Ist Arnes Unsportlichkeit, die einen Klassenkameraden zu einer hinterhältigen Schikane provoziert, nicht beinahe ein Klischee? Ist Arne wirklich an seiner Arglosigkeit, dem Nichtbefolgen gewisser gruppeninterner Spielregeln, zugrunde gegangen, wie Lenz in einem Interview behauptet hat? Waren es nicht eher innere Einsamkeit und Heimatlosigkeit, die zeitweise „Verlorenheit seines Blicks”, die diesen Jungen so freundschaftsbedürftig, so labil und verletzlich machten, dass er die Ablehnung der Gleichaltrigen nicht mehr ertrug? „Du glaubst es mir nicht, aber ich mochte Arne, zuletzt mochte ich ihn immer mehr, zuletzt habe ich gemerkt, dass er auch fröhlich sein kann und übermütig...”, gesteht Wiebke ihrem Bruder Hans. War Arne den Gleichaltrigen also nicht einfach durch seine fehlende Unbeschwertheit fremd? Ging er nicht daran zugrunde, daß er ihre Spielregeln - zeitweise - übernahm?
Die hier geschilderten Jugendlichen hätten in den 50er oder 60er Jahren leben können, ihre Sozialisation entspricht nicht eindeutig den 90er Jahren. Schule, Familie und die Clique bestimmen ihr Leben, [...]”
 

 
   
   Arbeitsanregungen:

Untersuchen Sie die vorstehenden Auszüge aus verschiedenen Rezensionen zu »Arnes Nachlaß«.

  1. Arbeiten Sie die wichtigsten Aussagen der Autoren heraus.

  2. Nehmen Sie zu diesen Aussagen Stellung.
     

 
     
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