"Eberhard Horst hat Elisabeth Langgässers literarische Arbeit in
seiner nicht gedruckten Dissertation 1955 als "christliche Dichtung
und moderne Welterfahrung" beschrieben. Dies trifft jedoch nur zum
Teil zu, denn Elisabeth Langgässer war zwar eine christliche Dichterin
der Gegenwart, aber ihre Sichtbarmachung einer christlichen Wirklichkeit
unter dem zentralen Aspekt des Erlösungsgedankens ist immer nur
verständlich vor dem Hintergrund und dem tragenden Element ihrer
Dichtungen: dem heimatlichen Ried und dem Altrheintal, dem von
Geschichte und Mythen gesättigten Boden Rheinhessens.
Am Erlebnis dieser alles überwuchernden und überdauernden Natur
entzündete sich ihr Sinn für das animalische und vegetative Element.[...]
Elisabeth Langgässer wurde am 23. Februar 1899 in Alzey geboren.
Nach einer pädagogischen Ausbildung war sie fünf Jahre lang
Volksschullehrerin, zog 1928 nach Berlin, wo sie als Dozentin für Pädagogik
arbeitete und schließlich freie Schriftstellerin wurde. Hier gehörte
sie dem Kreis der "Kolonne" um Günter Eich, Peter Huchel und
Oskar Loerke an. 1935 heiratete sie, ein Jahr später erhielt sie als
"Halbjüdin" Schreibverbot und wurde schließlich 1944
zwangsdienstverpflichtet. [...]
Ihr erster Roman "Der Gang durch das Ried" (1936) zeigte
hingegen die wechselseitige Spiegelung einer Landschaft mit einer
menschlichen Seele. Ein Heimkehrer, der Namen und Gedächtnis verloren
hat, mit dunkler Blutschuld beladen, sucht seine Identität
wiederzufinden. Er haust in einem verlassenen Militärlager, einem von
Verbrechen, Hunger und Unzucht infizierten Niemandsland. Die Figuren
bleiben anonym, Marionetten vor der naturmagischen Kulisse, die sich aus
Jahreszeit und Landschaft erbaut. In diesem mystischen Zyklus gibt es
nur die ewige Wiederkehr von Werden und Vergehen, von Zeugung und
Vernichtung. [...]
Elisabeth Langgässers Romane spiegelten jetzt ganz ihren
katholischen Glauben. Die Hinneigung zu weltlichen Reizreaktionsschemen
streitet jedoch mit dem Willen zu geistiger Ordnung. So ist es im Grunde
eine quälerische Promiskuität von Heiligkeit und Satanismus, von
Askese und Wollust, die eine Atmosphäre blasphemischer Verruchtheit
schafft. Immer erscheint der Mensch bei Langgässer als radikal
triebverfangen, verdorben und demzufolge ohnmächtig. Retten kann ihn
letztlich nur der Sprung in die Agnosia des blinden Glaubens, eine
Vorstellungswelt, die stark in die Nähe gnostischer und manichäischer
Spekulationen rückt.
Manchmal gelang es der mehr synkretistisch als synoptisch veranlagten
Dichterin nur schwer oder erst am Ende, die mythologische Welt Pans in
den christlichen Kosmos heimzuholen. [...]
Wie kaum ein anderer Dichter hat sie das Wirken der göttlichen Gnade
im Chaos menschlicher Leidenschaften, Verirrungen und Verbrechen als
Heilsfrage metaphorisch-literarisch konkretisiert. Trotz manch düsterer
Prognosen blieb Elisabeth Langgässer indessen stets eine Verkünderin
christlicher Hoffnung."