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Bausteine zu Andreas Gryphius: Einsamkeit

Einsamkeit als Thema von Gedichten

Sechs Gedichte aus verschiedenen Zeiten

 
FAChbereich Deutsch
Glossar Literatur Autorinnen und Autoren Andreas Gryphius (1616-1664)  Lyrische Texte
Es ist alles eitel Ebenbild unseres Lebens Abend Tränen des Vaterlands Menschliches Elende [ EinsamkeitText Aspekte der Analyse und Interpretation  Bausteine ] Thränen in schwerer Krankheit (Anno 1640) ... Schreibformen Operatoren im Fach Deutsch
 

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Einsamkeit ist immer wieder Thema von Gedichten und anderen literarischen Texten, die einen jeweils eigenen Blick darauf werfen. Hier sind sechs verschiedene Gedichte zusammengestellt, die sich jedes auf seine Weise mit dem Thema auseinandersetzt.

Text 1

Konrad von Prittwitz-Gaffron (1826 - 1906)
Einsamkeit

Nun ist es still da draußen,
Die Wälder rauschen sacht,
Die Ströme murmelnd rinnen,
Es geht ein tiefes Sinnen
Hin durch die tiefe Nacht.

Des Windes leises Wehen
Säuselt im hohen Ried;
Die Sterne droben kreisen,
Tönend in ewigen Weisen
Ihr ewig großes Lied.

Die Welt ist groß und prächtig
Zu solcher stillen Zeit;
Es schweigt das eigne Denken,
Es will ins All versenken
Sich stumm das eigne Leid.

Text 2

Wilhelm Busch (1832 - 1908)
Der Einsame

Wer einsam ist, der hat es gut,
Weil keiner da, der ihm was tut.
Ihn stört in seinem Lustrevier
Kein Tier, kein Mensch und kein Klavier,
Und niemand gibt ihm weise Lehren,
Die gut gemeint und bös zu hören.
Der Welt entronnen, geht er still
In Filzpantoffeln, wann er will.
Sogar im Schlafrock wandelt er
Bequem den ganzen Tag umher.
Er kennt kein weibliches Verbot,
Drum raucht und dampft er wie ein Schlot.
Geschützt vor fremden Späherblicken,
Kann er sich selbst die Hose flicken.
Liebt er Musik, so darf er flöten,
Um angenehm die Zeit zu töten,
Und laut und kräftig darf er prusten,
Und ohne Rücksicht darf er husten,
Und allgemach vergißt man seiner.
Nur allerhöchstens fragt mal einer:
Was, lebt er noch? Ei, Schwerenot,
Ich dachte längst, er wäre tot.
Kurz, abgesehn vom Steuerzahlen,
Läßt sich das Glück nicht schöner malen.
Worauf denn auch der Satz beruht:
Wer einsam ist, der hat es gut.

Text 3

Anna Ritter (1865 - 1921)
Einsamkeit

Einsamkeit, ernsthafte Frau,
Tratest einst still in mein Zimmer,
Ach, und ich wollte dich nimmer,
Grüßte dich finster und rauh.

Nicktest nur milde dazu,
Ließest dich doch nicht verjagen,
Mußte dich eben ertragen,
Sangest mich heimlich zur Ruh.

Sieh, und nun weiß ich genau:
Wolltest du heut von mir scheiden,
Würde ich tief darunter leiden,
Einsamkeit, ernsthafte Frau.

Text 4

Nikolaus Lenau (1802 - 1850)
Einsamkeit

Wildverwachs'ne dunkle Fichten,
Leise klagt die Quelle fort;
Herz, das ist der rechte Ort
Für dein schmerzliches Verzichten.

Grauer Vogel in den Zweigen
Einsam deine Klage singt,
Und auf deine Frage bringt
Antwort nicht des Waldes Schweigen.

Wenn's auch immer Schweigen bliebe,
Klage, klage fort; es weht,
Der dich höret und versteht,
Stille hier der Geist der Liebe.

Nicht verloren hier im Moose –
Herz, dein heimlich Weinen geht,
Deine Liebe Gott versteht,
Deine tiefe, hoffnungslose.

Text 5

Ludwig Tieck (1773 - 1853)
Waldeinsamkeit

Waldeinsamkeit
Die mich erfreut,
So morgen wie heut
In ewger Zeit,
O wie mich freut
Waldeinsamkeit.

Waldeinsamkeit
Wie liegst du weit!
O dir gereut
Einst mit der Zeit.
Ach einzge Freud
Waldeinsamkeit !

Waldeinsamkeit
Mich wieder freut,
Mir geschieht kein Leid,
Hier wohnt kein Neid
Von neuem mich freut
Waldeinsamkeit.

Text 6

Ada Christen (1839 - 1901)
Allein!

Einsam stand ich auf den Bergen,
Wo der Falke kreischend flog,
Über schneebedecktem Gipfel
Seine stillen Kreise zog.

Einsam lag ich auf der Haide
Wenn die Sonne untersank,
Und der dürre glüh'nde Boden
Gierig feuchte Nebel trank.

Einsam saß ich oft am Meere,
Dessen alter Klaggesang
Bald wild-zornig, bald süß-traurig,
Bald wie dumpfes Schluchzen klang.

Einsam irrt ich durch die Wälder,
Nur die Eul' am Felsenriff
War mein krächzender Gefährte
Und der Wind, der wimmernd pfiff.

Einsam litt ich – aber tröstend
War die hehre Einsamkeit –
Nicht allein trug ich mein Elend,
Die Natur verstand mein Leid!

Doch allein – so ganz alleine –
Abgrundtief von Euch entfernt,
Fand ich mich in Euren Sälen –
Als ich Euch versteh'n gelernt!

Text 7:

Friedrich von Matthisson (1761-1831)
Die Einsamkeit

Amat nemus et fugit urbes.
Hor.

Wie blinkt mir der Himmel
Im Grünen so hehr.
Der Städte Getümmel
Ist rauschend und leer.
Drum sei meiner Tränen
Vertraute die Flur,
Drum höre mein Sehnen
Die Einsamkeit nur.

Ihr liebt' ich, im Lenze
Des Lebens, im Hain
Schon Veilchen in Kränze
Zum Opfer zu reihn.
Ihr späht' ich, beim Hauche
Der Mailuft, am Bach
Im Nachtigallstrauche
Wohl Stundenlang nach.

Ihr seufzt' ich, vom Spiele
Der Jünglinge fern,
Die Erstlingsgefühle
Der Liebe so gern!
Ihr war, beim Geflimmer
Der Sterne, mein Leid
Und jeglicher Schimmer
Der Freude geweiht.

Mir sei bis zum Grabe
Gefährtin und Braut
Die, der ich als Knabe
Mein Innres vertraut.
Nur sie hat die Zähren
Der Trennung gestillt,
Und himmlische Sphären
Voll Glanz mir enthüllt.

Sie meidet die Pfade,
Flieht Park und Alleen,
Und weilt am Gestade
Romantischer Seen,
Wo Vögel nur schmettern,
Das Eichhorn nur lauscht,
Und etwa den Blättern
Ein Täubchen entrauscht.

Nur ihr sind, vom wilden
Granitfels umdräut,
An Gletschergefilden
Die Täler geweiht,
Wo Adler nur streifen
Am Lerchenbaumwald,
Und fernher das Pfeifen
Der Gemsen erschallt.

Sie freut sich der Schlünde
Vulkanischer Glut,
Des Sausens der Winde,
Der zürnenden Flut.
Sie wohnt unter Spalten,
Nur mondlich erhellt,
In Gräbern der alten
Gebieter der Welt;

Am Sturz der Gewässer,
Im öden Gestein
Umwaldeter Schlösser
Und wüster Abtein,
In Grotten und Klüften
Von Tannen umkränzt,
An Urnen und Grüften
Vom Vollmond beglänzt.

Der Welt zu vergessen,
Empfangt mich, ihr Höhn,
Wo dunkle Zypressen
Ein Grabmal umwehn;
Wo, tief zwischen Ranken
Der Wildnis versteckt,
Kein menschliches Wanken
Den Träumenden weckt.

(Aus der Sammlung In der Fremde

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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 08.02.2024


   Arbeitsanregungen:
  1. Lesen Sie die vorstehende Auswahl von lyrischen Texten mit dem Thema Einsamkeit.
  2. Bei welchem der Gedichte haben Sie sich (am ehesten) angesprochen gefühlt? Warum?
  3. Andersherum gefragt: Mit welchem Gedicht können Sie am wenigsten anfangen? Können Sie Gründe dafür nennen?
  4. Tauschen Sie sich über ihre Erstleseeindrücke in Ihrer Lerngruppe oder im Plenum aus.
  5. Wenn man die Gedichte, ohne sie im Detail zu analysieren, kann man sie doch danach unterscheiden, wie sie das Thema Einsamkeit "anpacken". In welche Gruppen würden Sie die kleine Auswahl einteilen?
  6. Vielleicht haben Sie "Lust": Gestalten Sie ein eigenes kurzes Gedicht über Einsamkeit. Sie können dabei z. B. von einsamen Orten und ihrer Wirkung ausgehen oder Erfahrungen sozialer und seelischer Einsamkeit gestalten. Schlüpfen Sie gegebenenfalls einfach in die Rolle eines von Ihnen erfundenen lyrischen Ichs.
  7. Vergleichen Sie die Gedichte bzw. ein Gedicht Ihrer Wahl mit dem Gedicht "Einsamkeit" von Andreas Gryphius (1616-1664).
 
 

 
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