Es
gibt Länder auf der Welt, da ist unvorstellbar, wenn Menschen als
Regenbogenfamilie zusammenleben. Das sind moderne Lebensformen - auch bei uns
tun sich manche mit dem Begriff Familie dafür schwer- bei denen schwule oder
lesbische Partner mit heranwachsenden Kindern so zusammenleben, wie heterogene
Partner eben auch: als Familien, Regenbogenfamilien eben. Der Begriff leitet
sich von der Regenbogenflagge ab, die inzwischen ein weltweites Symbol von
selbstbewusst lebenden Lesben, Schwulen und Bisexuellen geworden ist.
In solchen Familien können die gleichgeschlechtlichen Partner als Eltern, wo es
erlaubt ist, miteinander verheiratet sein oder in einem eheähnlichen Verhältnis
als eingetragene Lebenspartnerschaften stehen oder auch in formlosen
Verbindungen ohne staatliche Weihen miteinander leben.
In Deutschland und in etlichen anderen Ländern, wo sich die gesellschaftliche
Akzeptanz von Homosexualität in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert hat,
haben es Regenbogenfamilien aber immer noch schwer, sich gegen hartnäckige
Vorurteile zur Wehr zu setzen.
Wenn man schon hinnimmt, dass Schwule und Lesben,
wenn auch nicht in völliger rechtlicher Gleichstellung mit den Heteros, eine
eingetragene Lebensgemeinschaft begründen und damit nicht weiter diskriminiert
werden dürfen, dann ist die Grenze bei so manchem Zeitgenossen freilich sofort
erreicht, wenn es darum geht, ob homosexuelle Partner auch Eltern für Kinder
sein dürfen.
Dabei ist es nur zum Teil von Belang, ob einer der beiden Partner
auch der tatsächliche biologische Vater oder die "echte" biologische Mutter des
Kindes ist.
Die Anzahl der Gegner von Regenbogenfamilien ist groß und, wenn es
sein muss, sind die Gegner auch laut. Dann lassen sie alles vom Stapel, was sich
an anderer Stelle aufgrund des politischen und sozialen Wandels, nämlich bei der
mittlerweile schon bald 15 Jahre alten "Homo-Ehe", nicht mehr so ohne Weiteres
vorbringen lässt, ohne sich selbst ins Abseits zu stellen und sich dem Vorwurf
der Diskriminierung auszusetzen. Jetzt, so die Verteidiger der letzten
Frontlinie gegen den weiteren Vormarsch der Homosexualität in der Gesellschaft,
gehe es um das Kindeswohl und nichts anderes. Sagen sie.
Die Kinder, die in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften aufwachsen,
stammen in der Regel aus früheren heterosexuellen Ehen und Partnerschaften eines
Elternteils. Noch sind es wenige jüngere Lesben oder Schwule, die sich ihren
Kinderwunsch mit künstlicher Befruchtung oder Adoption als Einzelperson erfüllen
wollen.
Die meisten Kinder, die mit mindestens einem homosexuellen Partner
aufwachsen, tun dies bei ihren homosexuellen Müttern. Und die Zahl der Kinder,
die in Eingetragenen Lebenspartnerschaften aufwachsen, ist durchaus
überschaubar. 2007/2008 waren es in Deutschland 2.200 Kinder, wie eine
bayerische Studie 2009 ergeben hat. Rechnet man hinzu, dass nicht jedes schwule
oder lesbische Elternpaar seine sexuelle Orientierung bekanntmacht, dann dürften
es noch einige hundert, vielleicht tausend mehr sein. Interessant auch das
Ergebnis der Forscher, wonach ungefähr gleich viele Kinder aus einer früheren
heterosexuellen Beziehung stammen wie Kinder in gleichgeschlechtliche
Partnerschaften hineingeboren werden.
Ein den Heteros gleichgestelltes Adoptionsrecht wird den homosexuellen Eltern
indessen noch immer verweigert. Einer der beiden Partner darf zwar das leibliche
Kind seines Partners als „Stiefkind“ adoptieren. Gemeinsam ist es ihnen
allerdings gesetzlich verboten, ein Kind zu adoptieren. Nur über Umwege, aber
nicht mit den heterosexuellen Eltern gewährten Rechten, können sie ihren
Kinderwunsch realisieren. Einer der beiden Partner darf nämlich als Einzelperson
ein Kind adoptieren. Der andere kann dann allerdings nur das so genannte kleine,
weil eingeschränkte Sorgerecht erhalten.
In der kontroversen Debatte um ein vollständiges Adoptionsrecht für
gleichgeschlechtliche Paare spielen zahlreiche Vorurteile eine Rolle, die
inzwischen von der Wissenschaft zwar allesamt widerlegt worden sind, aber auch
weiterhin ungemein zäh sind. Da wird behauptet, Regenbogenfamilien fehle einfach
jeweils ein Rollenmodell, ohne das Kinder ihre individuelle sexuelle
Orientierung nicht entwickeln könnten. Tatsächlich beziehen Kinder ihre
Geschlechtsrollenvorstellungen auf vielfältige Weise über ihre weitere soziale
Umgebung genauso wie auch über Medien. Zudem suchen sie sich in der Regel
männliche oder weibliche Bezugspersonen in ihrem weiteren sozialen Umfeld und
werden darin meist von ihren gleichgeschlechtlichen Eltern in besonderer Weise
unterstützt. "Eine Mühe", wie Claudia Füssler in der Süddeutschen Zeitung vom
16.11.2014 betont, "die sich kaum eine Hetero-Mutter macht, die ihr Kind alleine
erzieht und darauf vertraut, dass bald der nächste Partner
kommt."
Dass das Familienklima weitaus wichtiger für ein gesundes Aufwachsen von Kindern
ist als die sexuelle Orientierung seiner Eltern ist von etlichen
wissenschaftlichen Studien mittlerweile belegt. Und noch viel interessanter ist,
dass ein positives Familienklima in den Regenbogenfamilien offenbar weit stärker
verbreitet ist, als in den Hetero-Familien. Daher vermutet Füssler, dass eine
Ursache dafür sein könnte, „dass gleichgeschlechtliche Elternpaare deutlich
gleichberechtigter und demokratischer agieren als heterosexuelle Eltern.“ Das
zeige sich insbesondere bei der anderen Rollenverteilung. So würden die
häuslichen Aufgaben „eher nach Interessen und Können als nach festen
Rollenprinzipien verteilt.“
Besondere Fürsorglichkeit zeigen homosexuelle Eltern auch dabei, ihre Kinder auf
mögliche Diskriminierungen vorzubereiten. Dass die Kinder Anfeindungen im
Allgemeinen gewappnet gegenübertreten können, liegt auch an der Achtsamkeit
ihrer Eltern. So wundert es am Ende nicht, dass Kindern aus Regenbogenfamilien
ein stärkeres Bewusstsein für Ungerechtigkeiten jedweder Art bescheinigt wird.
Eines aber scheint die Grundlage für alles zu sein, was Kinder in
Regenbogenfamilien oft so stark und selbstachtsam macht: Sie sind allesamt
Wunschkinder, wenn sich gleichgeschlechtliche Partner ihren Kinderwunsch
erfüllen. Abfärben jedenfalls kann sexuelle Orientierung nicht, auch wenn sich
so mancher noch immer hinter seinen Vorurteilen und seiner archaischen Angst vor
Homosexualität verbarrikadiert. Hauptsache Wunschkinder.
docx-Download -
pdf-Download
Gert Egle. zuletzt bearbeitet am:
14.02.2023