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KMK-Bildungsstandards für das Deutschabitur (BISTA-AHR-D
2012)
▪
Sich mit
literarischen Texten auseinandersetzen
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Schulische Schreibformen: Didaktische und methodische Aspekte
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Themabereich: Lesen »
▪
Lese- und Rezeptionsstrategien
▪
Lesen und Textverstehen
(CI-Modell)
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Literaturunterricht
▪
Überblick
▪
Literarische Kompetenz
▪
Überblick
▪
Literarästhetische Produktionskompetenz
▪
Literarästhetische Rezeptionskompetenz
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Methoden des Literaturunterrichts
Unter systemtheoretischer Perspektive kann man das
Handlungssystem Literatur vom Symbolsystem Literatur
unterscheiden.
-
Das
Handlungs-
bzw. Sozialsystem Literatur stellt einen besonderen
Bereich des Systems Kunst dar, "der durch systemspezifische
Handlungen geprägt ist, die die innere Struktur des Systems
ausmachen." (Gansel/Gansel
2006, S.60). Die innere Struktur wird von den Handlungen
der Personen geprägt, die im weitesten Sinn zum
"Literaturbetrieb" in der literarischen Produktion (z. B.
Autor, Nacherzähler, Herausgeberin, Literaturagent ...), zur
Vermittlung (z. B. Verleger, Kulturredakteur, Buchhändler,
Lehrperson, ...), zur Rezeption und Verarbeitung ("normaler"
Leser, Kritikerin, Literaturwissenschaftler, Lehrperson ...)
gehören. In diesem Handlungssystem werden jeweils
spezifische Bewertungskriterien für den Umgang mit Literatur
entwickelt.
-
Das
Symbolsystem Literatur
umfasst dagegen "– vereinfacht gesagt – die Texte selbst mit
ihren Stoffen, Themen, Darstellungsweisen sowie ihre
Gattungen und Genre" (ebd.,
S.62), wobei dazu nicht nur literarische Texte, sondern auch
Sachtexte und mediale Gestaltungen zählen.
Kern einer
systemtheoretisch fundierten Literaturdidaktik ist es,
fiktionale Texte "auf eine Art und Weise so in 'Gebrauch' zu
nehmen, wie dies in der Mediengesellschaft durch Schriftsteller,
Regisseure, Dramaturgen, Filmemacher, Moderatoren, Kommentatoren
beständig der Fall ist." (ebd.,
S.63)
Das bedeutet
nach Ansicht von Carsten und Christina Gansel, dass man bei der
unterrichtlichen Behandlung von Gattungen bzw. literarischen
Textsorten, den Versuch wagen solle, "ihre Rolle in der
Mediengesellschaft zu prüfen und sie in Verbindung zu jenen
Textsorten bzw. -formaten zu setzen, die im Zusammenhang mit den
Handlungsrollen des Literatursystems stehen (literarische
Produktion, Distribution, Rezeption/Verarbeitung)." (ebd.,
S.62)
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Für den Umgang
mit literarischen Textsorten und Gattungen in der Schule
bedeutet dies indessen nicht, dass der ▪
hermeneutische Ansatz
als besonderer "Verstehens- und
Auslegungsprozess" und als "die theoretische Basis
jeglicher Interpretation" und ihrer verschiedenen Zugänge und
Umgangsweisen von Literatur (vgl.
Becker/Hummel/Sander 22018, S.193) und die Analyse
literarischer Texte mit ihren Strukturen hinfällig sind.
Allerdings
"verlieren sie ihren autonomen Status, indem eine
Anschlusskommunikation zu den anderen Teilsystemen hergestellt
wird" (Gansel/Gansel
2006, S.65) und damit zu Texten bzw. Textsorten, die wie z.
B. Klappentext, Pressemitteilung, Rezension, Homepage,
Kommentar, Werbetexte oder auch eine TV-Show "nicht zum 'Kern'
des Literatursystems gehören, bisher in Verbindung mit
'Literatur' nur in Ausnahmefällen in die Arbeit einbezogen und
unter dem Begriff »Sachtexte«
subsummiert werden." (ebd.,
S.65)
Der
Literaturunterricht sollte daher, wie
Carsten und Christina Gansel (2006) betonen, Zugänge zu und
einen Umgang mit Literatur ermöglichen, der die Schülerinnen und
Schüler schreibend oder sonst wie medial gestaltend in solchen
Handlungsrollen agieren lässt, die für das Handlungs- bzw.
Sozialsystem Literatur typisch sind. Aufgabenstellungen, die
dies leisten, davon sind die beiden Autor*innen überzeugt,
brechen "einmal mehr einen 'musealen' Umgang mit Literatur auf,
und holt sie ins 'wirkliche Leben' hinein." (ebd.)
Die Orientierung
an den Handlungsrollen des Handlungs- und Sozialsystems
Literatur, die grundsätzlich zu begrüßen ist, ist aber eben
nicht alles, was die Literaturdidaktik zu den literaturbezogenen
Handlungsformen im Unterricht zu sagen hat.
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Für die im ▪
Handlungsfeld Literatur (Abraham/Kepser
42016, S.27, 36) agierenden Schülerinnen und
Schüler, die sich darin als individuell, sozial und kulturell
bedeutsam erfahren können, hat die ▪
Literaturdidaktik nämlich eine große Vielfalt von
literaturbezogenen Handlungsformen begründet und erprobt. Dazu
gehören auch das ▪
Hinzuziehen von Kontexten (Kontextualisierung),
der ▪
Text-Bild-Vergleich,
▪ textproduktive
Verfahren, ▪
bildnerisches und musikalisches Gestalten zu
literarischen Texten oder das ▪
Darstellende Spiel und
die szenische
Interpretation
Abraham
(2021, S.19) führt als Beispiele einer jederzeit
erweiterbaren Liste dazu an, von denen die eine oder andere sich
auch den oben dargestellten Handlungsrollen zuordnen ließen:
-
"literarische
Texte weiter- oder umschreiben [...]
-
das Genre oder
die Textsorte wechselnd, einen Stoff neu erzählen – eine
Ballade als Drama, einer [sic!] Erzählung als Drehbuch, ein
Liebesgedicht als Schlagertext etc. [...]
-
im
literarischen Schreiben eigenständig Texte in verschiedenen
Gattungen verfassen und verbessern [...]
-
in
Auseinandersetzung mit einer theatralen Inszenierung ein
Programmheft oder andere Paratexte gestalten [...]
-
ein Bilderbuch
mithilfe digitaler Medien selbst gestalten [...]
-
einen Roman im
Medium des Comic als Graphic Novel adaptieren [...]
-
Teile eines
filmischen Produktionsprozesses realisieren, etwa ein
Casting [...], die Adaption einer Vorlage (z. B. eines
Gedichts) oder einen Filmschnitt [...]
So sehr also die
Orientierung an den von
Carsten und Christina Gansel (2006) betonten Handlungsrollen
des Handlungs- und Sozialsystems die schulische Praxis der
Textinterpretation am 'wirklichen Leben' ausrichtet, darf nicht
übersehen werden, dass die literaturdidaktischen Zielsetzungen
dabei enden. Es ist zwar die Aufgabe des Literaturunterrichts,
möglichst allen Lernenden eine Teilhabe am Handlungsfeld
Literatur zu ermöglichen", zugleich zielt er aber auch darauf,
"in der Auseinandersetzung mit der Literatur Schülerinnen und
Schüler zu selbständigen und selbstbewussten, sozial, kulturell
und politisch handlungsfähigen Persönlichkeiten werden zu
lassen. Die Literaturdidaktik vermittelt dabei zwischen der
relativen Offenheit des kulturellen Handlungsfeldes Literatur
und der relativen Geschlossenheit des Handlungsfelds Schule." (Abraham
2021, S.20)
Was die
systemtheoretische Fundierung der Textsorten leistet, ist aber
dennoch für die gängige schulische Praxis der schriftlichen
Textinterpretation bedeutsam, weil es die Texte der
Anschlusskommunikation über literarische Texte grundsätzlich
aufwertet und die Art bzw. Textmuster der Leistungsaufgaben, wie
sie den herkömmlichen Interpretationsaufsatz ausmachen, ganz
prinzipiell in Frage stellen. Textsorten, so das Fazit von
Spiegel/Vogt (2006, S.4) zu dem Aufsatz von
Carsten und Christina Gansel (2006), gewinnen ihre Funktion
"nur in Verbindung mit anderen Textsorten [...] innerhalb eines
bestimmten Zusammenhangs" und weil dem so ist, lasse sich daraus
die Forderung an den Deutschunterricht ableiten, "bei der
Textauswahl verschiedene Manifestationsformen eines
Handlungsbereichs zu berücksichtigen."