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Didaktische und methodische Aspekte

Überblick

Texte interpretieren

 
FAChbereich Deutsch
Glossar Schreibformen Schreibformen in der Schule
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Untersuchendes Erschließen von literarischen Texten (Abiturstandard, EPA 2002)
KMK-Bildungsstandards für das Deutschabitur (BISTA-AHR-D 2012)
▪ Liste der Bildungsstandards "Sich mit literarischen Texten auseinandersetzen" mit Textmarken zur Verlinkung
Sich mit Texten und Medien auseinandersetzen
Sich mit literarischen Texten auseinandersetzen

Sich mit pragmatischen Texten auseinandersetzen
Gestaltungen von Texten in unterschiedlicher medialer Form (z. B. Theaterinszenierungen, Hörtexte, Filme)
 ▪ Schulische Schreibformen: Didaktische und methodische Aspekte

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Lese- und Rezeptionsstrategien
Lesen und Textverstehen (CI-Modell)
Hermeneutische Modelle des Textverstehens
Überblick
Grundpositionen der Texthermeneutik
Werkinterpretation (textimmanente Interpretation)
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▪ 
Hermeneutischer Zirkel
Kognitionspsychologie und hermeneutischer Zirkel

Im schulischen Bereich gehört die schriftliche ▪ Textinterpretation zu den wichtigsten ▪ Schreibformen. Ihre herausragende Stellung verdankt sie der langen Tradition des so genannten ▪ Interpretationsaufsatzes (textbegleitende Interpretation) in der klassischen Aufsatzdidaktik und ihrer humanistischen Tradition. Diese wirkt bis heute nach, auch wenn sie den engen konzeptionellen Rahmen der ▪ Hermeneutik und der ▪ Werkinterpretation (textimmanente Interpretation) erweitert und zum Teil auch hinter sich gelassen hat.

Bei aller Kritik an dem ▪ hermeneutischen Ansatz gilt der besondere "Verstehens- und Auslegungsprozess" der damit beschrieben wird, weiterhin als "die theoretische Basis jeglicher Interpretation" und ihrer verschiedenen Zugänge und Umgangsweisen von Literatur. (vgl. Becker/Hummel/Sander 22018, S.193) Und insbesondere seine textnahen Deutungshypothesen und Begründungen sind Vorzüge, auf die der schulische Literaturunterricht nicht verzichten kann und will. Dass "zeitlich und kulturell ferne Texte, deren Welten dem gegenwärtigen Leser fremd sind" (Ehlers 2016, 4.1 Textverstehen), "gewisser interpretatorischer Anstrengungen bedarf" (ebd.) und Interpretationshandlungen verlangen, "um eine solche Differenz zwischen Text und Leser zu überbrücken"  und auf diese Weise "die andere Welt mit ihren Glaubens-/Normensystemen, Weltbildern und Lebensformen" (ebd.) zu erschließen, steht für die Literaturdidaktik außer Frage.

Und auch in den den Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Deutsch (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 01.12.1989 i. d. F. vom 24.05.2002) (EPA) wird sogar betont, dass "dem Erschließen von literarischen Texten (...) vorrangige Bedeutung zu(kommt), denn das Verstehen literarischer Texte eignet sich als Muster des Verstehens überhaupt." (S.5) 

Die schulische Textinterpretation ist ▪ produktorientiertes Schreiben über literarische Texte in einem individuellen ▪ Schreibprozess in Form eines Interpretationsaufsatzes, d. h. einer sprachlich in sich geschlossenen Darstellung eines Textverstehensprozesses und seiner (vorläufigen) Ergebnisse. Unabhängig davon ob die Schreibaufgabe in einem vollständig offenen Aufgabenformat ("Interpretieren Sie den Text xy.") gestellt oder mit zusätzlichen Relevanzinstruktionen zu bestimmten formalen oder inhaltlichen Aspekten, die dabei besonders berücksichtigt werden sollen, versehen ist, stets stellt diese Art der Textinterpretation einen Erschließungsprozess des Textes auf allen Ebenen dar und den Versuch, auf der Grundlage von Hypothesen in einer Text-Leser-Interaktion ▪ einen plausiblen Bedeutungs- bzw. Sinnzusammenhang zu konstruieren.

Zur Bewältigung der Schreibaufgabe muss der Schreiber auf sein deklaratives und prozedurales (Vor-)Wissen (Weltwissen, Fachwissen, Sprachwissen und thematisches Wissen) zurückgreifen und dabei "analytische, interpretative und argumentative Fähigkeiten des Formulierens, Belegens und Begründens von Deutungshypothesen" (Ehlers 2010 , Kap. 8.1.5 Schriftliche Formen der Interpretation) integrieren. Dabei gilt, und das wir nicht selten bei der Beurteilung und Bewertung von Interpretationsleistungen übersehen, dass die Fähigkeit und die Möglichkeiten des einzelnen zur ▪ Sinnkonstruktion oft mehr von diesem textexternen Wissen abhängen, als den Fähigkeiten zur Textanalyse. Es ist also immer der oder die Person im Vorteil, die über ein großes und breitgefächertes Vorwissen verfügt, um den ▪ Motor der Inferenzbildung über ▪ enge und ▪ Brücken-Interenzen hinweg mit ▪ elaborativen Inferenzen richtig auf Touren zu bringen.

Die schriftliche Textinterpretation stellt hohe Anforderungen an die Lese- und Schreibkompetenz

Die schriftliche Textinterpretation stellt hohe Anforderungen an die Lese- und an die Schreibkompetenz. Sie ist von Vorformen abgesehen, deshalb auch eine schulische Schreibform, die in dem kompetenzorientierten Literaturunterricht allmählich in den Jahrgangsstufen 9 und 10 eingeführt und dann in der Sekundarstufe II in ihrer elaborierten Form verortet ist.

Ohne dies an dieser Stelle vollumgänglich thematisieren zu können, sei auf die Komplexität der Faktoren hingewiesen, die bei der Bewältigung solcher Schreibaufgaben eine Rolle spielen und die auf jeden Schreiber bzw. jede Schreiberin in unterschiedlicher Art und Weise einwirken.

In jedem Fall sollten die unterrichtlichen Lehr- und Lernprozesse, die im Zusammenhang mit der Interpretation literarischer Texte im Allgemeinen und der schriftlichen Abfassung im Besonderen stehen, das wirksame Ineinandergreifen von inhaltlichem Wissen, pragmatischem Wissen, Sprachwissen und Textstrukturwissen nicht nur verdeutlichen, sondern auch mit geeigneten Angeboten im Lern- und Übungsraum schulischen Lernens erproben und einüben, ehe sie sich als Leistungsaufgaben, die u. U. von vielen gar nicht so ohne Weiteres zu bewältigen sind, zu ernsthaften ▪ Schreibstörungen und Schreibblockaden auswachsen können. Dass es dabei auch um den Erwerb und die Festigung geeigneter Lese- und Rezeptionsstrategien und ▪ Schreibstrategien geht, die jeweils auch immer wieder Gegenstand von metakognitiven Selbstreflexionsprozessen sein müssen, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt.

Insgesamt gibt es also viel zu beachten und zu tun, wenn Schülerinnen und Schüler bei der Bewältigung der Schreibaufgaben in einem selbständig organisierten Schreibprozess, die Grundfragen beantworten sollen

Das kann nach dem Muster des Interpretationsaufsatzes erfolgen, der konzeptionell den Prinzipien der ▪ kontextualisierten werkimmanenten Interpretation folgt.

Wer also eine Schreibaufgabe im offenen Aufgabenformat mit dem Auftrag. "Interpretieren Sie den Text xy." oder eine Schreibaufgabe, die daneben noch bestimmte Relevanzinstruktionen zu bestimmten formalen oder inhaltlichen Aspekten, die dabei besonders berücksichtigt werden sollen, gestellt bekommt, von dem wird bei der Bewältigung der Schreibaufgabe ein Interpretationsaufsatz erwartet, der "analytische, interpretative und argumentative Fähigkeiten des Formulierens, Belegens und Begründens von Deutungshypothesen (integriert)." (Ehlers 2010 , Kap. 8.1.5 Schriftliche Formen der Interpretation)

Die Methode, mit der man einen solchen Interpretationsaufsatz erarbeitet und strukturiert, kann als untersuchendes Erschließen literarischer Texte bezeichnet werden.

Entsprechende Schreibaufgaben verwenden in der Regel die Aufforderung zum Interpretieren als einen übergeordneten Operator, der die Schreibaufgabe insgesamt bezeichnet und gegebenenfalls um bestimmte Teilaufgaben, die im Rahmen des von dem mehr oder weniger klar umrissenen Textmuster Interpretationsaufsatz in jedem Fall zu behandeln sind. In der Regel sollen derartige "Hilfestellungen" den ansonsten sehr umfänglichen Schreibprozess entlasten, indem sie die Aufmerksamkeit auf bestimmte relevante Aspekte der Interpretation lenken.

Die Zeit der Deuter ist vorbei

Wenn es in der Schule darum geht, einen (fiktionalen, literarischen) Text zu interpretieren, dann taucht heute wohl nur noch selten das "Gespenst der so genannten richtigen Interpretation" (Steinmetz 1995, S.476) auf, die man meist dann als erreicht ausgegeben hat, "wenn die Bedeutung im Text und im Text allein, unter Verzicht also auf alle textexternen Faktoren, gewonnen werden konnte". (ebd.). Heute scheint jedenfalls "die Zeit der Deuter" (Fingerhut 1983, S.356) "vorbei zu" sein und "die Festlegung auf die starren, lehrerfixierten und zum Dogmatismus neigenden Interpretationsrituale" (Paefgen 22006, S.129) ist wohl ebenfalls passe. (Fingerhut 1983, S.356). Die Zeiten also, in der sich ein Schüler wie der Schriftsteller »Peter O. Chotjewitz (1934-2010) in einer "seelenlosen Pflichtübung" (Kepser/Abraham 42016, S.246) als Mitglied "einer Art Literaturdechiffrier-Club" vorkam, in dessen Sitzungen es darum ging, überall in der Literatur "doppelte Böden, Tretminen, Spiegelkabinettstückchen und Sinnestäuschungen gegen den Wind" zu wittern, um am Ende beim "Allgemeinmenschlichen" zu landen (zit. n.  Fingerhut 1983, S.356), sollten also vorbei sein.

Was den Schülern dabei vorgemacht wurde: Literarische Texte haben offenbar etwas zu verbergen, was sich nicht auf der "Textoberfläche" ergibt. Ohne die Einnahme einer "Haltung des fragenden Verstehens"  (Reichert 1995, S. 221), so lautet die Botschaft, kann man eigentlich nicht zu jener Bedeutungsschicht eines literarischen Textes vorzudringen, die sich einem literarisch kompetenten Leser beim Verstehen  literarischer Texte erst erschließen sollte.

Und wer fleißig am Text "arbeitet", hat gute Aussichten in die Tiefendimensionen des autonomen Kunstwerks vorzudringen. Den Schülern im Literaturunterricht vorzumachen, wie man dahinter kommt, was ein Text eigentlich verbirgt, ist zumindest in der von der Werkinterpretation konzeptualisierten Art und Weise im kompetenzorientierten Literaturunterricht von heute keine literaturdidaktische Option mehr.

Solche Vorstellungen, die auf die  Konzeption der ▪ Werkinterpretation von ▪ Emil Staiger (1908-1987) und ▪ Wolfgang Kayser (1908-1960) zurückgeht, spielen heutzutage im Literaturunterricht eigentlich keine Rolle mehr, was aber nicht bedeutet, dass die ihnen zugrundeliegenden hermeneutischen Erschließungsverfahren ebenfalls keine Bedeutung mehr besitzen. Ganz im Gegenteil:

Auch wenn gegen den ▪ hermeneutischen Ansatz vielerlei berechtigte Kritik vorgebracht wird, ist der besondere "Verstehens- und Auslegungsprozess" der damit beschrieben wird, "die theoretische Basis jeglicher Interpretation" und ihrer verschiedenen Zugänge und Umgangsweisen von Literatur. (vgl. Becker/Hummel/Sander 22018, S.193)

Insbesondere sein "Anspruch, dem Text selbst und seiner Erscheinungsform in der literaturwissenschaftlichen Analyse vordringliche Aufmerksamkeit zu widmen, gilt nach wie vor. Die genaue Erfassung dessen, was im Text steht und wie es sich vermittelt, gehört [...] zu den grundlegenden philologischen Fähig- und Fertigkeiten, die unabhängig davon, welcher methodische Ansatz oder welche erkenntnisleitende Fragestellung verfolgt wird, die literaturwissenschaftliche Arbeit bestimmen." (Wagner-Egelhaaf 72006, S.200)

Literaturdidaktisch ist dies unbestritten. Dass "zeitlich und kulturell ferne Texte, deren Welten dem gegenwärtigen Leser fremd sind" (Ehlers 2016, 4.1 Textverstehen), "gewisser interpretatorischer Anstrengungen bedarf" (ebd.) und Interpretationshandlungen verlangen, "um eine solche Differenz zwischen Text und Leser zu überbrücken" und auf diese Weise "die andere Welt mit ihren Glaubens-/Normensystemen, Weltbildern und Lebensformen" (ebd.) zu erschließen, steht für die Literaturdidaktik außer Frage.

Und auch in den den Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Deutsch (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 01.12.1989 i. d. F. vom 24.05.2002) (EPA) wird sogar betont, dass "dem Erschließen von literarischen Texten (...) vorrangige Bedeutung zu(kommt), denn das Verstehen literarischer Texte eignet sich als Muster des Verstehens überhaupt." (S.5) 

Untersuchendes Erschließen von literarischen Texten (Abiturstandard, EPA 2002)
KMK-Bildungsstandards für das Deutschabitur (BISTA-AHR-D 2012)
▪ Liste der Bildungsstandards "Sich mit literarischen Texten auseinandersetzen" mit Textmarken zur Verlinkung
Sich mit Texten und Medien auseinandersetzen
Sich mit literarischen Texten auseinandersetzen

Sich mit pragmatischen Texten auseinandersetzen
Gestaltungen von Texten in unterschiedlicher medialer Form (z. B. Theaterinszenierungen, Hörtexte, Filme)
 ▪ Schulische Schreibformen: Didaktische und methodische Aspekte

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Kognitionspsychologie und hermeneutischer Zirkel

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 02.07.2024

 
 

 
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