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Surfbrett
Kreatives Schreiben
20 Möglichkeiten, um einen vorgegebenen Text
kreativ zu transformieren –
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Didaktische
und methodische Aspekte
▪
Einen literarischen Text
gestaltend erschließen
Wenn eine literarische Erzähltextvorlage beim ▪
gestaltenden Interpretieren neu erzählt werden soll, soll
die Vorlage (Primärtext) von Anfang bis Ende transformiert
werden.
Natürlich kann gerade diese Schreibaufgabe nicht einfach "ins
Blaue hinein" mit einem Arbeitsauftrag wie "Erzählen Sie die
Geschichte neu." gestellt werden, sondern muss Angaben dazu
machen, in welche Richtung die Neuerzählung führen soll.
Neuerzählen ist dabei auch stets ein ▪
Umerzählen der vorhandenen
Textvorlage, nur dass dabei nicht nur einzelne Elemente des
Primärtexts erzählerisch neu gestaltet werden sollen, sondern
der gesamte Text. So sind also z. B. nicht bestimmte
Leerstellen
der Textvorlage ▪ Ansatzpunkte
für das Neuschschreiben der Geschichte. Es sollen also nicht nur
solche Textlöcher
(z. B. ▪
Aussparungen
in der Handlungsdarstellung der Vorlage) auserzählt werden,
sondern der gesamte Text unter dem Blickwinkel bestimmter
Vorgaben neu gestaltet und neu erzählt werden. Aus diesem Grund
kann man in Neuerzählungsaufgaben auch
gobale
Umerzählungsaufgaben sehen.
Dass die Grenzen zwischen dem Umerzählen und dem Neuerzählen
nicht scharf gezogen werden können, wird natürlich an
Schreibaufträgen deutlich, bei denen der ▪
Erzähltext als ganzer aus der Perspektive einer anderen Figur
erzählt werden soll, die gewöhnlich zu den
Umerzählungsaufgaben gezählt wird.
Wie alle Aufgaben zur ▪ gestaltenden
Interpretation können auch Neuschreibaufgaben in ▪
prozess- und
▪
produktorientierten Schreibprozessen modellieren.
Das Erarbeiten eines vollständigen Verständnisses der
literarischen Vorlage als Grundlage
Auch sie setzen voraus, dass man sich, ehe man an das
Formulieren seiner Neuerzählung macht, den literarischen
Ausgangstext gut analysiert und sich auf dieser Grundlage ein
vollständiges Textverständnis erarbeitet hat.
Einfach
drauflos
zu schreiben, ist auch beim Neuerzählen nicht immer
anzuraten, selbst wenn sich
einem schon nach der ersten Lektüre der Vorlage bestimmte
Gestaltungsideen aufdrängen. Am besten hält man diese irgendwie
schriftlich fest, damit sie nicht verlorengehen. Doch dann ist
Textarbeit an der literarischen Vorlage gefragt. Am Anfang auch
dieser produktiv-kreativen Schreibaufgabe steht also das
▪ Erschließen des Textes.
Ganz allgemein bedeutet dies, dass man
den Erzähltext
genau, am besten mehrfach
intensiv liest, den
Inhalt des
Textes erfasst ( z. B. mit ▪
Annotieren,
▪
W-Fragen-Methode, ▪
Sinnabschnitte
oder komplexere Konzepten wie die ▪
SQ3R-Technik)
und seine Strukturen unter dem Blickwinkel, den die
Schreibaufgabe vorgibt, untersucht.
Natürlich kann
man bei seiner Analyse schon sein Augenmerk auf jene Elemente
der Vorlage richten, die für das Neuerzählen besonders wichtig
sind,
Hat man den Text
erfasst und verstanden, kann man sich wieder seinen u. U. schon vorher notierten
Gestaltungsideen zuwenden. Dabei kann man auf dem Hintergrund
des eigenen Textverständnisses auch besser einschätzen, ob sie
zum Neuerzählen der in Frage kommenden Elemente (Figuren,
Handlungsabläufe, Motive usw.) ▪
der Vorlage passen. Was mit
der Vorlage nicht kompatibel ist oder wenig zum Neuschreiben
taugt, kann also auf der Grundlage einer begründeten
Entscheidung verworfen
und durch neue Ideen ersetzt werden.
Trotzdem: Einen für jede/Schreiberin* passenden
Königweg, mit welcher
Schreibstrategie man zum besten Ergebnis kommt, gibt es aber
auch beim Neuschreiben einer literarischen Vorlage nicht. Wie
man also im Einzelnen vorgeht, hängt nämlich auch von den Schreiberfahrungen und der Schreibentwicklung jede/r
einzelnen Schreiberin* ab und davon, ob man sich, was das
anbelangt, auch angemessen selbst einschätzen kann.
Neuerzählen als globales Umerzählen
Wie schon
erwähnt, kann man die Transformation der literarischen Vorlage
beim Neuerzählen auch als globales Umerzählen bezeichnen, weil
es sich im Idealfall auf viele verschiedene Elemente und
Strukturen des Ausgangstextes bezieht.
Schreibaufgaben
zum Neuerzählen verbinden sich oft mit dem konkreten
Schreibauftrag, das Geschehen und seine Darbietung durch den
Erzähler in eine andere Zeit zu versetzen.
Bei
solchen Aufgaben muss man seine Kenntnisse über den
historisch-sozialen Kontext des Primärtextes einbringen und auch
wissen, welche erzählerischen, sprachlich-stilistischen Merkmale
des Textes auf einen bestimmten Zeitbezug verweisen. Ebenso kann
es von Bedeutung sein, welche Gattungsnormen und Textmuster bei
der Gestaltung der Vorlage eine Rolle gespielt haben.
Wird also eine
Vorlage beim Neuschreiben, sagen wir aus dem 19. Jahrhundert in
unsere Gegenwart "übertragen" - in Frage kommen dabei z. B.
Anekdoten,
Kalendergeschichten oder andere kürzere Erzähltexte (z. B. »Johann
Peter Hebels (1760-1826) ▪ "Unverhofftes
Wiedersehen" oder »Heinrich
von Kleists (1777-1811) »"Das
Bettelweib von Locarno") muss also genau überlegen, welche
Elemente der Vorlage beim Neuscheiben sensibel "modernisiert"
werden können. Das schließt ausdrücklich auch den Einsatz
anderer Textmuster, anderer ▪
erzähltechnischer Mittel mit ein, z. B. im Zusammenhang mit
der Neugestaltung der
Erzählperspektive(n) und anderen geeigneten ▪
Darbietungsformen des Erzählens.
Auch im
Zusammenhang mit modernen ▪
Kurzgeschichten kann das Neuerzählen eine reizvolle
produktiv-kreative Schreibaufgabe darstellen, wenn das
Neuerzählen neue Sichtweisen auf das Thema des Primärtexts
ermöglicht und damit den Raum von Lesarten der Vorlage erweitert
und die Kommunikation in der Lerngruppe fördert.
Wichtig ist
aber auch zu verstehen, dass die Neuerzählung zumindest
durchscheinen lassen muss, in welchen Korrespondenzbezügen sie
zur literarischen Vorlagre steht und die eigene Gestaltung so
plausibel und textkompatibel ausfallen muss, dass sie auch
von eine/m Leserin*, der die literarische Vorlage kennt,
nachvollzogen werden können. Nicht zuletzt daran misst sich auch
die Textqualität einer Neuerzählung, über deren ▪
Gütekriterien sich auch die
Schülerinnen und Schüler im Rahmen ▪
prozessorientierter Schreibaufgaben beim
teilweise bzw. schrittweise kooperativen Schreiben
verständigen können, wenn sie in unterschiedlich
organisierten Selbstbeurteilungs- und Feedbackprozessen (▪
Feedback-Geben und ▪
Feedback-Nehmen) über ihre Arbeit reflektieren.
Dieses
teilweise bzw. schrittweise kooperative Schreiben
stellt an die Teammitglieder Anforderungen, die nicht von
heute auf morgen erfüllt werden können. Aber nur, wenn jedes
Teammitglied aktiv, zunehmend kompetent in seinem/ihren Urteil und
erfahren wird (vgl. auch: ▪
Quickie: Was Feedback-Geber und
Feedbacknehmer beachten sollten - Die zehn wichtigsten Regeln),
kann das zu einem Erfolgsmodell werden, von dem alle etwas
haben.
Aus diesem
Grund darf es auch sein, dass man im Rahmen von solchen immer wieder das
Augenmerk darauf richtet, wie das eigene Team funktioniert und
wie man seinen eigenen Beitrag und den der anderen einschätzt.
Dabei ist natürlich auch eine angemessene Selbsteinschätzung für
den Lernerfolg ungemein wichtig.
Alle diese
Gesichtspunkte können dabei im Rahmen einer ▪
Portfolioarbeit zum gestaltenden
Interpretieren über einen längeren Zeitraum hinweg
berücksichtigt werden.
Typische Schreibaufgabe
Ein Beispiel
für eine typische Schreibaufgabe ist die folgende zu der Kurzgeschichte
▪ "An
diesem Dienstag" von ▪
Wolfgang Borchert. Dabei ist der Schreibauftrag "Erzählen
Sie die Geschichte neu" als übergeordneter Operator nicht
verwendet.
- Gestalten Sie einen Text, der das Kompositionsprinzip von
Wolfgang Borcherts Kurzgeschichte "An diesem Dienstag" übernimmt und mit einem anderen Inhalt
gestaltet.
Als mögliche Varianten sind z. B. folgende Gegensätze denkbar
-
An diesem
Dienstag: in einem Flüchtlingslager in einem Krisengebiet -
in einer Stadt in Deutschland
-
An diesem
Dienstag: in einem von Dürre heimgesuchten Gebiet in Afrika
- in einer Stadt in Deutschland
-
An diesem
Dienstag: in einem wegen des Klimawandels allmählich
überschwemmten Gebietes irgendwo in der Welt - in einer
küstenfernen Stadt in Deutschland
Das
Schreibaufgabenbeispiel zeigt, dass auch das Neuschreiben in
einem klaren Bezug zur literarischen Vorlage stehen muss. Hier
ist es das ▪
besondere Kompositionsprinzip dieser Geschichte. Zugleich
werden sogar, um auch leistungsschwächeren Schülerinnen auf
einem niedereren Kompetenzniveau geeignete Schreibaufträge geben
zu können, bestimme Gestaltungsvarianten angeboten.
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
01.07.2024
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