"Jein" oder besser gesagt: "Schön
wär's!". Natürlich strebt man bei der
literarischen
Charakteristik an, die gefundenen Textaussagen zur
Figurencharakterisierung, wie sie in
direkter
oder
indirekter
Form im Text selbst vorgenommen werden (explizite
und
implizite
Figurencharakterisierung) zu einem stimmigen Gesamtbild zu fügen.
Aber, ob die "Rechnung" vollständig aufgeht, d.h. ob
jedes im Text erwähnte Merkmal sich in ein derartiges Gesamtbild fügt,
hängt von verschiedenen Gesichtspunkten ab. Das kann am Text selbst
liegen, genauer gesagt an dessen Art, die Figur zu charakterisieren (poetische
Charakteristik) oder aber auch daran, dass einem das Bindeglied
zwischen bestimmten äußeren und inneren Merkmalen fehlt.
So kann natürlich vorkommen, dass sich im Kleidungsstil einer Figur
ihre Einstellungen spiegeln, der Kleidungsstil damit in Kontrast steht
oder dieser dafür weitgehend belanglos erscheint. Ähnlich verhält es
sich auch bei anderen Merkmalen.
Interessant wird es im Grunde erst dann, wenn man Beziehungen zwischen
einzelnen Merkmalen erkennen kann. Und manchmal macht man dann schnell
auch die Erfahrung, dass das Ganze mehr ist als die Summe der einzelnen
Teile. Besonders gut eignet sich dabei auch die für die Textarbeit
abgewandelte
Standard-Cluster-Methode
(vgl. Beispiel), mit der man nach und nach versuchen kann, derartige
Beziehungen zu erkennen.
Auf jeden Fall sollte man jede "Erbsenzählerei" vermeiden
und sich auf das eine Figur prägende, individuell Wesentliche
beschränken.
Gert Egle. zuletzt bearbeitet am:
19.12.2019