Die Eltern sind schon
auf dem Weg ins Bett, am Freitagabend, als sich der metallicfarbene
Golf mit Breitreifen und Heckspoiler auf den Weg macht. Sein 19-jähiger
Fahrer freut sich auf sein Wochenende, will wie immer ordentlich Party
machen mit seinen Kollegen. Es ist fast 23 Uhr, als er die Straße vom
Haus seiner Eltern hinunterfährt, und es macht ihm, wie eigentlich immer
Spaß, dabei das Fenster zu öffnen, und mit seiner Bassbox allen weit und
breit zu signalisieren: Jetzt geht's los! Er weiß, dass er an diesem
Wochenende mit dem Fahren dran ist, wenn es mit seinen 4 Freunden hinaus
in die naheliegende Kreisstadt geht, wo die angesagteste Disko weit und
breit steht. Und er weiß auch, was das Fahren bedeutet: Keinen Tropfen
Alkohol, so ist es ausgemacht unter den Freunden. Vor allem deshalb,
weil es die Polizei halt nicht lassen kann, im Morgengrauen um 5 Uhr,
wenn es meistens wieder nach Hause zurückgeht, am Ende der Schnellstraße
Alkoholsündern nachzustellen. Sicher ist sicher, sagen sich da die
Freunde, sonst könne bald keiner mehr von ihnen fahren. Am vereinbarten
Ort werden die Kumpels eingeladen, die wie üblich schon ordentlich "vorgetrunken"
haben, um nicht alles Geld am Tresen der Disko lassen zu müssen.
Als der Golf mit lautem
Heavy-Metal-Gedröhn in die Schnellstraße Richtung Disko einbiegt, hat es
schon zu regnen begonnen. Erst nur ein paar Tropfen, doch dann öffnete
der Himmel seine Schleusen, binnen weniger Minuten verringert sich die
Sichtweite auf höchstens 25 Meter. Klar, dass der Fahrer das Tempo
reduziert, man ist schließlich nicht lebensmüde. Aber ganz neue Reifen
hat der Golf eben auch. Regenreifen, wie er immer wieder sagt, wenn
einer der Kumpels findet, dass er noch immer zu viel Gas gebe. Hier darf
man 100 km/h fahren, sagt dann der Fahrer. Im übrigen habe ihm auch der
Reifenhändler zugesagt, das packe der Reifen auch, wenn es nass ist. Und
außerdem: No risk, no fun, oder? Wenn du es nicht glaubst, ich habe
eine entsprechende App auf dem iPhone, da kannst du es nachlesen.
Doch dann geht alles
sehr schnell: Endlich die SMS der Freundin, die schreibt, sie warte
schon fünf Minuten im Regen vor der Disko, und wo er denn bleibe.
Wahrscheinlich ist es nur eine Sekunde, vielleicht sogar weniger, dass
der Fahrer, er macht das schließlich jeden Tag so, seinen Blick auf das
schicke Smartphone richtet. Zum Antworten reicht es nicht mehr. Wie aus
dem Nichts tauchen vor ihm die verschwommenen Rückleuchten eines LKWs
auf, der sich durch Regen und Nacht kämpft. Zu spät. In letzter
Verzweiflung steigt der Fahrer in die Eisen, bremst, was das Zeug hält.
Doch, was er auch immer in den Bruchteilen einer Sekunde tut, ehe der
Wagen in den LKW kracht und von dort zurück auf die Fahrbahn
geschleudert wird, es ist alles umsonst. Mitten auf der Überholspur
kommt das Autowrack für vielleicht 10 Sekunden zum Stehen. Dann rauscht
ein BMW heran. Es sitzen gute Bekannte drin, ebenfalls auf dem Weg zur
Disko. Ihr BMW bohrt sich in das Wrack. Bis dahin leben darin noch zwei
Insassen, wenngleich schwer verletzt und lebend eingeklemmt. Dann gehen
beide Autos wie in einem Feuerball in Flammen auf. Sieben Tote im Alter
von 19 bis 23 Jahren und abseits der Straße ein hinausgeschleudertes
Smartphone, auf dem 5 Minuten später eine SMS des Mädchens vor der Disko
eingeht, in dem sie dem jungen Mann mitteilt, dass sie jetzt Schluss mit
ihm mache, wenn er nicht gleich da sei.
Vielleicht klingt das
Ganze konstruiert und riecht nach Klischees, mit denen Erwachsene den
Zeigefinger heben, um Jugendlichen zu zeigen, wo es langgeht. Aber so,
oder zumindest so ähnlich, kommt es zu vielen Verkehrsunfällen junger
Leute zwischen 18 und 24, und nicht umsonst hat man ihnen zur
Kennzeichnung den Titel "Disco-Unfälle" gegeben.
18- bis 24-jährige
Verkehrsteilnehmer haben immer noch das mit Abstand höchste Unfallrisiko
im Straßenverkehr. Im Jahr 2020 verunglückten in Deutschland insgesamt
50 210 junge Männer und Frauen dieser Altersgruppe im Straßenverkehr,
326 junge Erwachsene wurden getötet. Damit waren 15,4 % aller Verletzten
und 12,0 % aller Getöteten im Straßenverkehr im Alter von 18 bis 24
Jahren, obwohl nur circa jeder 13. der Gesamtbevölkerung 1(7,5 %) dazu
zählte. Die besondere Gefährdung der 18- bis 24-Jährigen wird deutlich,
wenn man die Daten auf die Einwohnerzahlen bezieht. Dann zeigt sich,
dass je 100 000 Einwohner dieser Altersgruppe 802 junge Erwachsene im
Straßenverkehr verunglückt sind. Dies entspricht mehr als dem. was
ansonsten Durchschnittswert in der Gesamtbevölkerung (397) ist. In
keiner anderen Altersgruppe war das Risiko, im Straßenverkehr zu
verunglücken, derart hoch. Mit 52 junge Erwachsene je eine Million
Einwohner, die im im Straßenverkehr getötet wurden, war das Risiko, im
Straßenverkehr ums Leben zu kommen bei den 18- bis 24-Jährigen im
Vergleich zur Gesamtbevölkerung (33 Tote/je eine Million Einwohner mehr
als eineinhalbmal so hoch.
Der Anteil der nächtlichen Unfälle ist bei den 18- bis 24-jährigen
besonders hoch. Hier schlagen die die so genannten Disco- Unfälle voll
durch. In den späten Abend- und Nachtstunden des Wochenendes, ab 22 bis
24 Uhr sowie samstags und sonntags zwischen 0 und 7 Uhr verunglückten
sehr viele junge Leute tödlich. In diesen 18 Stunden des Wochenendes kam
fast jeder sechste (15,3 %) der 326 im Jahr 2020 bei Verkehrsunfällen
getöteten 18- bis 24-Jährigen ums Leben, aber nur 4,6 % der Getöteten der
übrigen Altersgruppen.
Immerhin, das zeigen die Daten des Statischen Bundesamt, ist über die
Jahre hinweg ist allerdings ein deutlicher Abwärtstrend zu beobachten:
Seit 1991 ist die Zahl der verunglückten 18- bis 24-Jährigen um mehr als
die Hälfte von 134 764 auf 50 210 Personen in 2020 zurückgegangen. Im
Vergleich zum Jahr 1980 ist in Deutschland die Zahl der verunglückten
18- bis 24-Jährigen um 68 % (von 157 331), die der getöteten um 91 %
(von 3 667) gesunken.
Bei den Unfallursachen lag die "nicht angepasste Geschwindigkeit“ wie
in den Vorjahren ganz vorn. Jeder sechste unfallbeteiligten Pkw-Fahrer
dieser Altersgruppe (16,0 %) fuhr einfach zu schnell.
Bei den Unfällen mit Getöteten, war die Unfallursache bei den 18- bis
24-jährigen Pkw-Fahrern "nicht angepasste Geschwindigkeit" (40,0 % der
Unfallbeteiligten), "falsche Straßenbenutzung" (12,2 %) und
"Alkoholeinfluss“ (6,1 %). Interessant sind in diesem Zusammenhang auch
die Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Während bei den jungen
männlichen PKW-Fahrern "nicht angepasste Geschwindigkeit“ mit 22,3 % die
häufigste Unfallursache vor der Unfallursache "Abstand" (16,8 %) dar,
war dies es bei den Pkw-Fahrerinnen genau umgekehrt (17,3 % bzw. 18,8
%). Zudem fielen Männer im Vergleich zu den Frauen auch häufiger durch
Fahren unter Alkoholeinfluss (4,9 % zu 1,2 %) auf.
Die Frage nach den
Ursachen für Verkehrsunfälle. die von Jugendlichen verursacht werden,
beschäftigt Polizei und Wissenschaft. Neben Alkohol- und sonstigem
Drogeneinfluss wird dabei immer wieder die Selbstüberschätzung von
Jugendlichen erwähnt, die meinen, ihr Fahrstil sei "sicher". Aber auch
das Geschlecht der Jugendlichen wirkt sich aus. So hat man
herausgefunden, dass junge Frauen deutlich weniger schwere Unfälle
verursachen als gleichaltrige junge Männer. So sind es denn auch die
jungen Männer, die nach ADAC-Angaben doppelt so viele Unfälle mit Toten
und Verletzten verursachen als Frauen. Und neben der Persönlichkeit des
einzelnen haben auch der familiäre Hintergrund, die Schul- und
Ausbildungssituation des einzelnen und der Lebensstil, dem er sich
verpflichtet fühlt, Einfluss. In Lebensstilanalysen hat man z. B.
nachgewiesen, dass das Unfallrisiko für die sog. “Action-Typen”,
“Fan-Typen” und "Kicksuchende-Typen“ unter den Jugendlichen besonders
groß ist. Diese meist männlichen Freizeit-Typen besuchen eben häufiger
als andere Diskotheken oder Fußballspiele und trinken- da schließt sich
wieder ein Kreis - dabei auch oft viel Alkohol. Man hat geschätzt, dass
ungefähr 37% der 18- bis 24jährigen - vorwiegend männlichen - jungen
Erwachsenen diesen Gruppen zugeordnet werden können (vgl. Schulze 1996;
1999).
So lässt sich das hohe Risiko, das Jugendliche im Straßenverkehr tragen
und oft auch für andere darstellen, im Wesentlichen auf drei Gründe
zurückführen: Selbstüberschätzung, Suche nach Anerkennung bei den
Gleichaltrigen, denen man mit einem riskanten Verhalten imponieren will,
und mangelnde Erfahrung und Routine. Für den ADAC Verkehrspsychologen
Ulrich Chielino sind junge Fahrer aber nicht automatisch Rowdys: "Aber
alle sind jung und unerfahren." Daher empfiehlt der ADAC auch gerade
jungen Fahrern Unterstützung zu geben, damit sie rechtzeitig ihre
eigenen Grenzen erkennen lernen. Dabei reiche das inzwischen bundesweit
eingeführte "Begleitete Fahren ab 17" noch nicht aus, auch wenn seine
positive Wirkung rundum überzeuge. Denn, wer im ersten Jahr seiner
Lizenz nur mit einem erfahrenen Erwachsenen neben sich ans Steuer dürfe,
verursache anschließend ein Viertel weniger Unfälle als die übrigen
Fahranfänger.* Zugleich fordert der ADAC aber auch ein verpflichtendes
Sicherheitstraining im ersten Jahr nach der Führerscheinprüfung.*
Aber auch die
Erwachsenen und erfahrenen Autofahrer müssten Vorbilder sein. Aber wenn
es noch immer Autofahrer gibt, die in ihren Autos eher "lackierte
Kampfhunde", denn Fortbewegungsmittel sehen, sind die Aussichten dafür
wohl eher gering.
Quellen:
- *Von der Disco in den Tod, in: ADAC Motorwelt H.11, Nov. 2012
- Statistisches Bundesamt (Hg.): Verkehrsunfälle - Unfälle von 18-
bis 24-Jährigenim Straßenverkehr 2020, 2021,
https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Verkehrsunfaelle/Publikationen/Downloads-Verkehrsunfaelle/unfaelle-18-bis-24-jaehrigen-5462406207004.pdf?__blob=publicationFile)
Gert Egle,
www.teachsam.de, 18.3.2012: neu bearbeitet am:30.12.2023
• Bausteine
•
Die inhaltliche Gliederung des Textes herausarbeiten
•
Inhaltsangabe und strukturierte Textwiedergabe
miteinander vergleichen
vgl. auch:
•
"Texting While Driving"
("Cow"-Video). Kann dieses Video abschrecken?
•
Kann dieses Video
abschrecken? Aus mündlichen Äußerungen Argumente für die Stellungnahme
entwickeln.
• Der Tod simst mit.
Abgelenktes Fahren durch Smartphones im Auto (Inhaltsangabe,
Stellungnahme zum Text, Texterörterung)
• So teuer wird's mit dem
Handy am Steuer. (Schaubildanalyse mit Stellungnahme)
• Fahrverbot für das Simsen am
Steuer? Aus mündlichen Äußerungen Argumente für die Stellungnahme
entwickeln.
•
So arbeitet man die
mündlichen Argumenten für die Stellungnahme heraus.
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
30.12.2023