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teachSam-Projekt Werbung
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Sprache von
Werbeanzeigen
Die
vorliegende ganzseitige
Werbeanzeige im DIN-A4-Format stellt eine
Produktwerbung für die Porzellanserie
Elixyr der Firma
Kahla dar, die im
Jahr 2006 erschienen ist. Sie ist farbig gestaltet. Als
Wirtschaftswerbung dient die Anzeige
der Förderung des Absatzes. Der
appellative Charakter dieser
Produktwerbung kommt in zwei
Texthandlungen zum Ausdruck, die die Werbeanzeige realisiert.
Es wird über das Vorhandensein des Produkts und seine Beschaffenheit
informiert und zugleich zum Kauf der Geschirrserie angeregt.
Die Anzeige ist mit
typografischen, zeichnerischen und fotografischen
Elementen gestaltet. Dabei ist sie in drei Teile gegliedert, die durch einen
weiß gehalten Abstand voneinander getrennt sind. Diese Teile sind von
unterschiedlicher Größe. Das größte Teilelement stellt eine großflächige
Fotografie bzw. Fotomontage dar, in das auch die als Frage formulierte
Headline hineingesetzt ist.
Dieses fotografische Element umfasst etwa vier Fünftel der Anzeigenfläche.
Unterhalb von ihm ist der Raum in zwei weitere Flächen unterteilt, die
horizontal auf gleicher Höhe angebracht sind und das restliche Fünftel des
Anzeigenraumes im Verhältnis 3:1 aufteilen.
Betrachtet man die Anzeige, so fällt der Blick des Lesers zunächst auf die
fotografische Abbildung, in deren Mittel eine badende Frau in einem
Porzellangefäß zu sehen ist. Dieser Bildteil hat damit
Blickfangfunktion und ist
seiner Aufgabe nach
Catch visual. Das Gesamtfoto, zeigt in
einem Ausschnitt einen in dunklem Braunschwarz gehaltenen Tisch auf dem
einige Porzellangegenstände stehen. Die außergewöhnliche
Kameraperspektive –
sie ist nahezu auf Tischhöhe – bringt die Porzellangegenstände besonders
groß und zum Teil nur angeschnitten ins Bild. So sieht man im linken
Vordergrund eine angeschnittene Tasse mit einem Unterteller und daneben eine
kleine Schale, die wohl die Kaffeemilch aufnehmen soll. Im linken
Hintergrund ebenfalls nur als Teil erkennbar, befindet sich noch ein
Suppenteller, der auf einem größeren Essteller steht. Sämtliche
Porzellangegenstände, die zu sehen sind, sind in glattem Weiß gehalten, das
sich von der dunklen Tischplatte und dem dunklen Hintergrund deutlich
abhebt. Es sind durchweg abgerundete Formen, die in einem leichten Licht-
und Schattenspiel - einige Lichtreflexe sind auf den Porzellangegenständen
zu sehen – eine glänzende und glatt wirkende Oberfläche der Gegenstände
bildlich erzeugen.
Im Mittelpunkt der fotografischen Darstellung befindet sich eine Schüssel,
die im Gegensatz zu den anderen Gegenständen, deren Konturen unscharf sind, völlig scharf abgebildet ist.
Auf den Punkt, wo fotografisch der Brennpunkt der Fotografie liegt, soll
sich auch die Aufmerksamkeit des Betrachters zunächst richten. In den Fokus
der Aufmerksamkeit gerät dadurch, eine offenbar unbekleidete Frau, die es
sich in einer Schüssel bequem gemacht hat. Ihre
Körperhaltung, die
vom Kopf nass herunterhängenden schwarzen Haare (kontrastierend zum Weiß des
Porzellans) sowie die Form der Schüssel erwecken den Eindruck, dass die Frau
in dem Porzellangefäß ein Bad nimmt. Über den Schüsselrand hat sie ihren
rechten Arm gelegt, an dessen Ende sie ihre Hand allem Anschein nach völlig
entspannt außen baumeln lässt. Ihr rechtes Bein, das man etwas oberhalb des
Knies zu sehen bekommt, ist unten auf der "Porzellanwanne“ mit dem Fuß am
Rand aufgelegt, und verstärkt so den Eindruck von Entspannung und Genuss der
Situation. Der Oberkörper der Frau, deren Haut in einem warmen hellen
Braunton gehalten ist, ragt vom oberen Brustansatz ausgehend aus
dem Gefäß heraus, an dessen anderem Ende sich die junge Frau anlehnt. Sie
hält den Kopf etwas hoch, so als ob sie gerade irgendeinen Duft einatmen
würde, während sie Augen und Mund im Zustand tiefster innerer Entspannung
und Ruhe geschlossen hält. Insgesamt wirkt die junge Frau in der
Porzellanschüssel als
Blickfang und zieht damit zunächst die
Aufmerksamkeit
des Betrachters auf sich. Das Bild soll die
Emotionen des Betrachters
ansprechen und sendet mit der Badesituation der nackten Schönen einen
erotischen Appell aus, der von den runden und fließenden Formen des
Porzellans aufgenommen wird. Wäre dies nicht der Fall könnte ein solcher
Appell natürlich leicht daneben gehen. So wird man davon ausgehen können,
dass der erotische Appell in dieser Werbeanzeige durchaus
produktschlüssig
ist. Allerdings ist die Voraussetzung für diesen
produktaffinen Einsatz
erotisch getönter Werbesignale wohl auch darauf zurückzuführen, dass das Bad
in der Porzellanwanne auch ein gewisses Maß an
Humor verlangt.
Und doch könnte das
Bild allein wohl nicht davor bewahren, Missverständnisse
auszulösen und damit den Werbeerfolg in Frage zu stellen. Dass diese Gefahr,
auch bei nur flüchtiger Wahrnehmung der Werbeanzeige, kaum besteht, ist das
Verdienst der Headline "Wie wohl fühlen Sie sich mit Ihrem Porzellan?“
(Hervorh. d. Verf.), die
mit ihrer leichten und weich wirkenden serifenlosen Schriftart eine Frage
aufwirft, die man eigentlich im Kopf anders zu Ende formuliert. Liest man
nur die erste der beiden Zeilen, die die Headline beansprucht, dann würde
man wohl die Frage eher wie folgt fortsetzen: "Wie wohl fühlen Sie sich
in
Ihrem Porzellan?“ Der scheinbare Widerspruch zur Original-Headline weist
daher wieder auf das eigentliche Produkt zurück, statt beim Träumen in der
Wanne findet man sich auf den Umgang mit dem eigenen Porzellan verwiesen.
Bild und Headline stehen also in einem Verhältnis der
Komplementarität
zueinander. Sie ergänzen sich gegenseitig und legen sich damit auf eine
bestimmte Deutung des Ganzen fest. Hinzu kommt nach, dass mit der Headline
auch ein
besonderer Nutzen für den Konsumenten
zum Ausdruck gebracht wird,
den nur dieses Produkt bieten will: Das Rund-um-Wohlfühl-Gefühl nämlich, das
den Käufer der Ware erwartet.
Unter dem Blickwinkel der
Bedeutungsbeziehung betrachtet, die zwischen Bild
und Text dabei bestehen, kann man sagen, dass
visuelle Assoziationen und
Verfremdung ihre wichtigsten Formen sind. Die verbale Aussage der Headline
wird mit dem Bild der badenden Schönen assoziativ verknüpft und damit in
einen gänzlich anderen Bedeutungs- und Erfahrungszusammenhang gebracht, der
in der Realität so nicht besteht. Zugleich wirkt das Bild der badenden
jungen Frau in der Porzellanschüssel auch per se verfremdend, denn die
Aussage der Headline wird damit in einen sonst nicht üblichen Kontext
gestellt.
Außer der Headline und der Fotomontage enthält die Werbeanzeige noch weitere
Textteile.
Am oberen rechten Rand ist in kleiner weißer Schrift, die sich vom dunklen
Hintergrund aber gut abhebt, der Produzent der Porzellanserie genannt: "KAHLA/Thüringen
Porzellan GmbH. Es ist anzunehmen, dass es sich dabei auch um den
Auftraggeber der Anzeige handelt.
Im unteren Teil der Anzeige, der von den zwei eingangs erwähnten zwei Teilen
eingenommen wird, findet man im größeren Teil auf der linken Seite in einer
durch sein helles Rot als Hintergrundfarbe abgegrenzten Fläche den
Fließtext, darunter die Produktbezeichnung der Porzellanserie: Elixyr.
Der Name Elixyr stellt dabei einen Kunstnamen dar, der seine Herkunft
indessen nicht verschweigt. Bewusst angespielt wird dabei auf den Begriff
Elexier, der auf das arabische al-iksir zurückgeht und dort so etwas wie der
Stein der Weisen bedeutet. In der deutschen Sprachverwendung wird darunter
eine Art Heil- und Zaubertrank verstanden. Übertragt man solche
Bedeutungsaspekte auf den Markennamen "Elixyr", so lässt sich vermuten, dass
mit einem solchen Wortspiel eine Vorstellung von etwas Zauberhaftem und
zugleich Luxuriösem erzeugt werden kann.
Unter dem Schriftzug Elixyr, der mit einer besonderen, die gängige Groß- und
Kleinschreibung ebenso wie Ober- und Unterlängen ignorierenden serifenlosen
Schriftart gestaltet ist, befindet sich noch der Hinweis darauf, dass es
sich bei dem Produkt um eine "dreifach preisgekrönte“ Serie handelt. Auch
wenn der Betrachter weder erfährt, wer, wann, wo und wofür die
Porzellanserie ausgezeichnet worden ist, soll mit dieser Behauptung wohl die
besondere, auch von der Fachwelt neidlos anerkannte Produktqualität
unterstrichen werden.
Am rechten Seitenrand dieser Fläche
ist vertikal der Name der Designerin der Porzellanserie "Barbara Schmidt“
angebracht, was dem Produkt noch die Weihe einer speziellen Design-Leistung
einer individuellen schöpferischen Leistung verleiht. Fünf verschiedene
fotografische Abbildungen von Porzellangegenständen der Serie unterstreichen
diese Design-Linie.
Der Fließtext in diesem Feld ist typografisch nicht einheitlich gestaltet.
Eine wiederum weich und schmal wirkende Schriftart wird mit
unterschiedlichen Schriftgrößen eingesetzt, die bestimmte Ausdrücke durch
die Wahl einer größeren Schriftart hervorheben soll. Der Fließtext lautet:
Spüren Sie einen Hauch von Luxus: Elixyr erzeugt Harmonie und Wohlgefühl –
in außergewöhnlicher Emotionalität- Fließende Formen laden zum Berühren ein.
Denn gutes Design ist nicht nur Ansichtssache. Genießen Sie es!“
Die Begriffe "Harmonie und Wohlgefühl“, "Berühren“ und "Genießen“ sind dabei
in einer größeren Schriftart gestaltet und stellen, insbesondere wohl für
den flüchtigen Leser gedacht, die "Brücke“ zu den bildlichen Informationen
und den emotionalen Appellen her, die von der Darstellung der badenden
Schönen in dem Porzellangefäß ausgehen. Der Fließtext besteht aus vier
Sätzen bzw. satzartigen Gebilden und ist damit als
short-copy anzusehen. Insofern ist der Satzbau einfach und
bleibt durchweg
parataktisch. Der Fließtext beginnt mit einer Aufforderung,
die mit einem Doppelpunkt endet. Der Leser wird dabei emotional
angesprochen, indem an seine
Wünsche nach Prestige und sozialem Status
appelliert wird. Was hier als Produkt angeboten wird, so der Zweck dieses
Appells, kann nicht mit dem Maßstab der bloßen Zweckmäßigkeit beurteilt
werden, ist kein "Geschirr“ im üblichen Sinne. Es ist ein Luxus, den man
spüren, fühlen ("außergewöhnliche Emotionalität“), "berühren“ und
"genießen“ kann. Dementsprechend besteht der einzigartige Nutzen des
Produkts darin, der hinter dem Doppelpunkt als Sinnpause folgt, die
Behauptung, dass "Elixyr“
"Harmonie und Wohlgefühl“ erzeugt. Was wie ein Beweis für die eingangs
formulierte Aufforderung angeführt wird, ist die besondere Produkt- und
Leistungsqualität des Produkts, eines an sich unbelebten Gegenstandes, der
aber bestimmte Wirkungen erzeugt. Ein Gedankenstrich setzt den "Schlusspunkt“ hinter diesen ersten Gedanken und verweist auf die
außergewöhnlichste aller genannten Produktqualitäten. Es strahlt, so die
Aussage, eine „außergewöhnliche Emotionalität“ aus. Damit schließt der
Fließtext wieder an die Aussage der Headline und der Abbildung der Frau an.
Der nächste Satz des Fließtextes greift deren
emotionale und
erotischen
Appelle wieder auf, indem von den "fließenden Formen“ die Rede ist, die
"zum
Berühren“ einladen würden. Dass damit der Wunsch nach Berührung der Frau
oder der Wunsch der Frau nach "harmonischer“ Berührung Grundlage für die
Wirkung der Aussage ist, ist mehr als deutlich. So bleibt die Zweideutigkeit
auch im nächsten Satz erhalten, der vordergründig eine Begründung für den
Wunsch nach Berührung liefert. Design, so die Aussage, ist jedenfalls nicht
nur eine Sache für Kopf und Verstand, sondern für die Gefühle. Daher ist der
Schlussappell des Fließtextes folgerichtig. Nicht die Nutzung und die
Aufforderung zur Benützung, sondern der Appell an die Emotionen schließt den
Fließtext ab. Die Aufforderung "Genießen Sie es!“ setzt damit konsequent die
dominierenden Werbeappelle um.
Die Werbeanzeige wird im unteren Bereich noch durch das
Logo und den Slogan
der werbenden Firma ergänzt. Auf blauem Hintergrund zeigt das Logo, wie auch
die anderen Elemente, in Weiß gestaltet, den in großen Lettern gestalteten
Schriftzug der Firma ("KAHLA“). Über dem Schriftzug ist eine Krone
stilisiert, die den besonderen Wert der Firma und ihrer Produkte
unterstreichen soll.
Unter dem Logo steht ebenfalls in Lettern, aber deutlich kleiner gehalten,
der Slogan der Firma ("Porzellan für die Sinne.“). Dieser Slogan hat einen
behauptenden Charakter und appelliert zugleich wieder an emotionale
Bedürfnisse und Wünsche. Dabei vermittelt er nicht nur bestimmte
Gefühlswerte, die mit den Begriffen "Sinne“ oder Sinnlichkeit verbunden
sind, sondern er zielt darauf durch Projektion diese Wünsche mit dem Produkt
gleichzusetzen um damit eine ersatzweise Befriedigung verborgener Wünsche
und Sehnsüchte bei den Käufern auf symbolischem Weg möglich zu machen. (ca.
1570 Wörter)
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
30.12.2023