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Texterörterung: Mit der App gegen Laster
Dass
das Lesen und Schreiben einer SMS, einer WhatsApp-Nachricht oder einer
E-Mail-Nachricht als Fahrzeuglenker im Straßenverkehr hochgefährlich ist,
hat sich wohl mittlerweile herumgesprochen. Einer US-Studie aus dem Jahr
2006 zufolge steigt das Unfallrisiko beim Simsen um das 23fache. Von allem,
was mit dem Handy am Steuer so angestellt wird, ist das Simsen das
Gefährlichste. (1)
Aber das bedeutet noch lange nicht, dass alle Fahrerinnen und Fahrer, die
ihre Hände am Steuerrad haben müssten, das auch tun. Wie viele Unfälle sich
auf abgelenktes Fahren wegen Handynutzung zurückführen lassen, weiß man
leider nicht. In jedem Fall ist die Dunkelziffer außerordentlich hoch, weil
ja im Gegensatz zum Fahren unter Alkoholeinfluss diese Unfallursache nach
einem Unfall nicht so ohne Weiteres ermittelt werden kann. So bleibt eben
meisten ungeklärt, ob ein Smartphone oder Handy dafür verantwortlich war,
dass sich jemand vor seinem Unfall hat ablenken lassen. Immerhin
registrierte aber allein die Polizei in Nordrhein-Westfalen 2013 131.000
Verstöße gegen das Handy-Verbot am Steuer. (2)
Nach einer repräsentativen
Umfrage des Digitalverbandes Bitkom im Februar 2016 unter 1010 Personen
ab 18 Jahren, darunter 773 Autofahrer, erklärten 42% der befragten
Autofahrer, dass sie beim Fahren mit dem Handy am Ohr ohne
Freisprecheinrichtung telefonieren. 44% lesen SMS oder andere
Kurznachrichten auf ihrem Mobiltelefon. Nahezu jeder Vierte (23%) tippt
während der Fahrt selbst SMS/Kurznachrichten. 25 Prozent lesen außerdem
E-Mails auf dem Handy, 8 Prozent schreiben E-Mails. (3)
Natürlich sind es Handys und Smartphones nicht allein, wenn ein Fahrer oder
eine Fahrerin von der Fahrbahn und dem Verkehr darauf abgelenkt wird. Ein
solches Abgelenktsein kann auch vom Reden mit den Mitfahrern oder dem Suchen
eines bestimmten Radiosenders kommen. Was beim abgelenkten Fahren passiert,
lässt sich mit dem, was bei einer Alkoholfahrt geschieht, gut vergleichen.
Einer US-Studie vom Oktober 2014 zufolge entspricht die Nutzung eines Handys
beim Fahren in etwa einem Blutalkoholspiegel von 0,8 Promille. (4) In
Deutschland kann, je nach Person, schon ab 0,3 Promille eine relative
Fahrtuntüchtigkeit festgestellt werden. Ab 0,5 Promille begeht man eine
Ordnungswidrigkeit und an 1,1 Promille gilt man hierzulande als absolut
fahruntüchtig und wird strafrechtlich belangt. Doch das ist nur das eine.
Viel deutlicher wird das Risiko, wenn man berücksichtigt, dass das Schreiben
einer SMS im Durchschnitt fünf Sekunden der Aufmerksamkeit fordert, die
eigentlich der Straße gelten sollte. Wer also in etwa mit 55 m/h (= ca. 90
km/h) unterwegs sei, rase dann quasi mit verbundenen Augen in etwa die Länge
eines ganzen Fußballfeldes vor sich hin. (5)
Wie schnell ein folgenschwerer Unfall geschehen kann, zeigt der auf YouTube
zu findende Trailer des sogenannten COW-Videos
('COW' - The film that will stop you from texting and driving). Der
Klassiker der Abschreckungsprävention (bis 2016 wurde der Trailer schon weit
über 3 Mio. mal angeklickt) wurde von einer Schule und der Polizei von Gwent
im Jahr 2008 in Großbritannien veröffentlicht. (6) Gerade weil das Ganze
inszeniert und mit Spezialeffekten versehen wurde, erzeugt es eine ungeheure
Betroffenheit. Die Polizei von Gwent zeigte den Film in den Schulen von
Wales. Mittlerweile wurde er schon von unterschiedlichen Fernsehsendern auf
der ganzen Welt gesendet, in zahlreichen Reportagen besprochen und seine
Wirkung vielerorts diskutiert.
In Deutschland und anderen Ländern gilt das Handyverbot am Steuer, und
folgerichtig ist auch das Simsen am Lenkrad strikt verboten. Wer's dennoch
macht und dabei erwischt wird, muss 60 Euro Bußgeld bezahlen und erhält
einen Punkt auf seinem Flensburger Verkehrssünderkonto. Und auch wer es
nicht wissen sollte: Schon alleine das In-die-Hand-Nehmen des Handys reicht
dafür und das Simsen allemal. Daran ist nicht zu rütteln, auch wenn in der
Straßenverkehrsordnung (StVO) nicht ausdrücklich verboten ist,
Kurzmitteilungen zu schreiben und zu lesen. Übrigens:Das Handyverbot trifft
auch die Radfahrer! Sie müssen 25 Euro berappen.
Trotz aller Gefahren können viele Fahrerinnen und Fahrer ihrem Smartphone
einfach nicht widerstehen. Einer repräsentativen »Studie von Infratest und
E-Plus aus dem Jahr 2011 (809 Befragte) zufolge gaben 16% an, dass ihre
Neugierde einfach zu groß sei. 26% meinten, dass sie das Handy beim Fahren
nur wegen "einem wichtigen Grund" nützten. (7)
Interessant, wie sich Männer und Frauen, bei diesem Umgang mit dem
Mobiltelefon unterscheiden: Frauen (41%) greifen während der Autofahrt
weniger als Männer (55%) zum Handy. Und auch das Alter spielt eine
bemerkenswerte Rolle: Wer jünger als vierzig ist, der nimmt das Handy
deutlich häufiger beim Fahren in die Hand als Ältere. Dass sich so viele
geradezu unbekümmert über die gesetzlichen Vorschriften hinwegsetzen, hat
wahrscheinlich auch mit den doch sehr niedrigen Strafen in Deutschland zu
tun. Während man z.B. in den Niederlanden mit dem Handy im Ohr während der
Fahrt schon erkleckliche 140 Euro berappen muss, werden einem in Italien
sogar 155 Euro abgeknöpft.
Trotz des "Handy-Verbots" darf man in Deutschland sein Mobilfunkgerät auch
am Steuer nutzen, wenn man eine Freisprechanlage mit einer Handyhalterung
besitzt. Man kann sich auch eine Freisprechanlage fest einbauen lassen
(viele neue Autos haben das ohnehin schon serienmäßig). Viele Smartphones
geben heute dazu noch die Möglichkeit, das Gerät ohne Hände per
Sprachsteuerung zu bedienen. So kann man mit der so genannten
Text-to-Speech-Technologie (TTS) SMS, E-Mails oder Messenger-Nachrichten
diktieren oder sich eingehende Nachrichten vorlesen lassen. In die Hand
nehmen darf man das Handy allerdings nicht, wenn man diese Funktion
einschaltet. Und auf das Display zu schauen ist auch hierbei äußerst
gefährlich.
Inzwischen rückt man allerdings den unverbesserlichen Handynutzern am Steuer
auch per Software zu Leibe. Die US-Firma ComSonics entwickelt nämlich einen
Detektor, der Funkfrequenzen eines Handys während einer Autofahrt anzeigen
soll. Damit sollen nicht nur die illegalen Telefonierer auffliegen, sondern
auch die, die während des Fahrens mit dem Handy auf dem Schoß simsen oder
eine WhatsApp tippen. (8)
Besser aber ist es wohl immer noch: Rechts ranfahren, Motor ausschalten (!)
und dann telefonieren, simsen oder eine WhatsApp beantworten. Vielleicht
würde auch ein sofort verhängtes Fahrverbot für drei Monate schon
weiterhelfen. (945 W.)
Anmerkungen
1) 100-Car Naturalistic Driving Study Studie am Virginia Tech Transportation
Institute (VTTI) 2006, vgl
http://www.nhtsa.gov/About+NHTSA/Press+Releases/2006/100-Car+Naturalistic+Driving+Study
2) vgl.
http://www.wz.de/home/politik/nrw/unfall-statistik-2014-handy-am-steuer-als-eine-hauptursache-1.1858012
3) vgl.
http://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Fast-jeder-zweite-Autofahrer-liest-SMS-am-Steuer.html
4) vgl. Injury Prevention Intervention Cuts Distracted Driving in Half,
Accord-ing To Trauma Surgeons
https://www.facs.org/media/press-releases/2014/joseph1028
5) vgl. ebd., vgl. 100-Car Naturalistic Driving Study Studie
6) PSA Texting while Driving U.K. Ad [HD], 4:15 min,
http://www.youtube.com/watch?v=R0LCmStIw9E ,
7) vgl.
http://www.presseportal.de/pm/15264/2068498/telefonieren-waehrend-der-fahrt-jeder-zweite-autofahrer-gefaehrdet-sich-und-andere-mit-bild
8) vgl.
http://www.stern.de/auto/service/so-gefaehrlich-ist-das-handy-am-steuer-3837412.html
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Texterörterung: Mit der App gegen Laster
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
30.12.2023
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