▪ Arbeitsschritte
beim produktorientierten perspektivisch-umgestaltenden Nacherzählen
Aus einer anderen Perspektive nacherzählen
Zu den textproduktiven Verfahren beim ▪
kreativen
Schreiben, die als umgestaltende Nacherzählung in schriftlicher
Form vorgelegter Texte (▪
produktive Textarbeit)
aufgefasst werden können, gehören
vorlagenbundene
Schreibaufgaben, die das Nacherzählen aus einer anderen
Perspektive verlangen. (=
perspektivische
Nacherzählung).
Das perspektivische
Nacherzählen ist dabei weitgehend identisch mit dem ▪
Umerzählen kann
aber mit dem Akzent auf das besonders textnahe Verfahren bei der
Bezugnahme auf den zu transformierenden Ausgangstext doch in
gewisser Weise von diesem, wenn auch nicht wirklich trennscharf
abgehoben werden.
Ausgangspunkt des Umerzählens unter veränderter
Perspektive können Texte unterschiedlicher Länge sein. Dabei kommen alle
möglichen Texte in Frage: ein
Erzähltext, ein Drama bzw. eine Dramenszene genauso wie ein Bericht, eine Zeitungsnachricht
usw..
Der Ausgangstext ist stets die Grundlage und der Bezugsrahmen für
die umgestaltende Nacherzählung.
In welchen ▪
Arbeitsschritten
Schreibaufgaben dieser Art bewältigt werden können, hängt von
verschiedenen Faktoren ab (z. B.
Schreibstrategie, Schreiberfahrungen, Schreibaufgaben als
Lern-,
Übungs-
oder
Leistungsaufgaben,
produktorientierten oder
prozessorientierten Schreibaufgaben etc.)
Die besondere Schreibaufgabe
Bei einer
perspektivisch-umgestaltenden Nacherzählung kann die Schreibaufgabe
z. B. wie folgt formuliert sein:
Erzählen Sie die
(vorgegebene) Geschichte aus der Perspektive einer anderen Figur.
(Ich-Erzählung).
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Meistens wird dabei die Ich-Perspektive einer anderen Figur verlangt, um
die Innensicht dieser Figur auf das erzählte
Geschehen zu ermöglichen und die Verwendung geeigneter erzähltechnischer
Mittel wie z. B. den
inneren Monolog anzuregen, mit dem die Gedanken des Ich-Erzählers zum
Ausdruck gebracht werden können. Darüber hinaus wird natürlich auch die
Sicht und das Wissen des Ich-Erzählers auf das ihm Verfügbare durch die
Einnahme der Perspektive begrenzt.
Erweiterungen der Schreibaufgabe
Das perspektivisch-umgestaltende Nacherzählen aus der
Ich-Perspektive einer Figur kann durch weitere Angaben
erweitert werden.
-
So kann z. B.
verlangt sein, einen oder mehrere andere Figuren eines
literarischen Textes als Adressaten mit charakterlichen und
sonstigen Besonderheiten zu berücksichtigen. Damit weitet sich
das perspektivische Nacherzählen zu einer literarischen
Nacherzählung.
-
Es kann aber auch
sein, dass zusätzlich eine Kommunikationssituation vorgegeben
ist, in in der die Geschichte erzählt werden soll (z. B. bei
einem Treffen mit Freunden, Beteiligten oder auch Unbeteiligten
des Geschehens)
-
Außerdem kann
auch die
Textsorte bzw. das
Textmuster
festgelegt sein, in der die perspektivisch-umgestaltende
Nacherzählung abzufassen ist.
Beispiele:
-
Schildern Sie den
Ablauf des Geschehens aus der Sicht des Mannes. Gehen Sie dabei
auf seine Beweggründe und Gefühle ein. Finden Sie eine passende
Überschrift für die Geschichte.
-
Die Frau geht nach
dem, was sie erlebt hat, nach Hause, zieht sich in ihr Zimmer
zurück und vertraut ihre Gedanken und Gefühle ihrem Tagebuch an.
Der literarische Ausgangstext als Grundlage
und Bezugsrahmen
Ein literarischer Ausgangstext ( z. B.
eine kurze Erzählung) ist bei dieser
vorlagengebundenen Schreibaufgabe oft die Grundlage und der Bezugsrahmen für das
perspektivisch-umgestaltende Nacherzählen.
Wer einen Text also in dieser Weise umerzählen soll, muss sich an den Inhalten
und Strukturen des Ausgangstexts orientieren und auf ihrer Grundlage das
Geschehen unter dem Blickwinkel einer neuen oder veränderten Perspektive
erzählen.
Wie genau der Bezug ausfallen muss, hängt
vor allem davon ab, ob die Figur, in deren Rolle man als
Ich-Erzähler schlüpfen soll, als Figur im Ausgangstext selbst
vorkommt oder nicht.
-
Ist dies nicht der Fall, hat man der
Bezugnahme auf den Text eher freie Hand. Der Ausgangstext dient
in einem solchen Fall als eine Art Folie, mit deren Hilfe die
besondere Sicht der Dinge durch diese textexterne Figur
verdeutlicht wird.
-
Kommt die Figur, aus deren Perspektive
die Geschichte nacherzählt werden soll, selbst im Text vor,
hängt die Gestaltung sehr davon ab, welche Bedeutung die Figur
im Text selbst hat, wie viel man über sie erfährt und wie genau
oder umfänglich sie im Text selbst schon charakterisiert ist.
Die Rolle einer Figur einnehmen, die in einem
Text selbst mehr oder weniger festgelegt ist
Wenn beim Umerzählen die Einnahme des Blickwinkels einer bestimmten
Person auf das Geschehen verlangt wird, muss man beim Erzählen den Standort
des Erzählers räumlich und zeitlich innerhalb der erzählten oder berichteten
Welt einnehmen.
Oft steht er mittendrin im Geschehen, an dem er als
aktiv Beteiligter oder als stummer Beobachter teilhat. Dabei ist es
eigentlich unerheblich, ob die Ereignisse dann von einem
personalen Erzähler
in Ich-Form oder in Er-Form dargeboten werden.
Für das perspektivisch-umgestaltende
Nacherzählen in der Rolle einer darin selbst agierenden Figur sollte
man - ohne kreative Lösungen allzu sehr einzuschränken - dazu im
Einzelnen
-
das
Verhalten und die Charaktereigenschaften der Figur und ihre
Beziehungen zu den anderen Figuren berücksichtigen, die im
Ausgangstext enthalten sind, berücksichtigen
-
die Besonderheit des Blickwinkels auf das Geschehen erkennen,
das mit der bei der Umarbeitung geforderten
Erzählperspektive verbunden ist (z.B.
Innenperspektive,
Innen-
und Außensicht)
-
die raumzeitlichen Rahmenbedingungen beachten. Zeit-
oder Ortswechsel erkennen und im Rahmen des vorgegebene Raum-Zeit-Gerüst
bleiben.
-
sich bei den handelnden Figuren
an dem Figurenarsenal des Ausgangstextes orientieren. Ganz neue Figuren
einzuführen, die wie vom Himmel gefallen, der Entwicklung oder dem
Geschehen eine bestimmte Wendung geben, sind oft nicht so gut
geeignet.
-
einen vorhandenen Konflikt aufgreifen. Besteht zwischen
bestimmten Figuren ein Konflikt oder sieht sich eine Figur in einem
(inneren) Konflikt, sind diese Konflikte oder Problemlagen aufzugreifen
und unter dem Blickwinkel des Erzählers zu beschreiben und zu
beurteilen.
-
die sprachlich-stilistische Gestaltung des Ausgangstextes
fortführen. Sofern die Figur z. B. in einem literarischen Text in
bestimmter Art und Weise charakterisiert ist (z. B. Verhalten,
Sprachstil etc.) muss beim Umerzählen daran angeknüpft werden. Das
bedeutet z. B., dass eine Figur, die sich stets in der
Standardsprache äußert, bei der Umerzählung nicht ohne Grund einfach
in die Umgangssprache abgleiten darf. Aber es gibt natürlich Ausnahmen:
Wenn die Erzählerfigur selbst mit ihrer Sprache charakterisiert werden
soll.
Der personale Erzähler kann nur in sich hineinsehen
Wenn eine Geschichte perspektivisch durch eine bestimmte Figur
nacherzählt werden soll, muss man wissen, dass die Erzählerfigur nur
in sich selbst hineinsehen kann. Das nennt man Innensicht.
-
Innensicht bedeutet also, dass der Erzählern unmittelbar nur seine
Gefühle und Gedanken z.B. im
inneren
Monolog schildern kann.
-
Bei den anderen Figuren ist er auf die
Außensicht
beschränkt. Das bedeutet, dass der Ich-Erzähler beim perspektivischen
Nacherzählen die Figuren nur (ggf. als
Beteiligter) von außen sieht. Er kann also nicht sagen, was sie denken
oder fühlen, sofern sie es ihm nicht mitgeteilt haben oder er aus ihrem
Verhalten Vermutungen darüber anstellen oder Schlussfolgerungen ziehen
kann.
Übungen zur
sprachlichen Gestaltung von erzählenden Texten
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
28.06.2024
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