Die
▪
freie Problem- und
Sachererörterung besitzt als
eine schriftliche Auseinandersetzung mit einem
Thema andere ▪ Merkmale als das mündliche
▪
Argumentieren und Diskutieren.
"Eine Schreibe ist keine Rede!"
"Eine
Schreibe ist keine Rede!" gilt für nahezu alle schriftlichen
Äußerungen, so auch für diese ▪ schulische
Schreibform. Dabei ist es nicht einmal außergewöhnlich, dass selbst
Erwachsene irgendwie schreiben, wie sie reden. Man spricht in einem solchen
Zusammenhang davon, dass ein Text dann "zwar im Medium der Schrift"
präsentiert wird, aber dabei konzeptionell mündlich agiert wird. (Fix
2006/2008, S. 55, 67)
Das hängt aber auch vom situativen Kontext und dem
davon letztlich bestimmten Grad der Explizitheit gemachter argumentativer
Aussagen sowie den Intentionen ab, die ein Sprecher mit seinen Äußerungen
verfolgt. Werden beispielweise Argumente über etwas Strittiges per E-Mail
oder SMS ausgetauscht, dann bewegt man sich irgendwie in der Mitte zwischen
Mündlichkeit (Oralität) und Schriftlichkeit (Literalität).
In der Schule wird zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit in
der Regel klar unterschieden. Die ▪ schulischen Schreibformen
sind meistens an bestimmten Textmustern in Inhalt,
Struktur und sprachlicher Gestaltung orientiert, die sich vom Sprechen
deutlich unterscheiden.
▪
Diskussionen
und andere mündliche argumentative Auseinandersetzungen finden im Allgemeinen zwischen
Personen statt, die in unmittelbarem Gesprächskontakt miteinander stehen. Beim
schriftlichen Argumentieren, besonders in der Aufsatzform der Erörterung, trifft dies
nicht zu.
Deshalb muss man sich die Unterschiede zwischen Schreiben und Reden bzw. schriftlichem und
mündlichem Argumentieren klarmachen.
I. Oralität und Literalität unter pragmatischem Aspekt
Für das Reden bzw. die Mündlichkeit (Oralität) gilt dabei
unter pragmatischem Aspekt (Sprachhandeln) ganz allgemein:
-
Sprecher und Hörer sind beide an der
▪
Kommunikation
beteiligt.
-
Der Sprecher kann auf die besonderen
Eigenarten des Hörers eingehen.
-
Der Hörer kann
Rückfragen an den Sprecher richten.
-
Aussagen können oftmals ohne
weiteres wiederholt werden.
-
Ein Sprecherwechsel
ist möglich.
-
Ebenso wichtig wie das, was mit Worten gesagt wird, ist das, was wir mit
so genannten paraverbalen Mitteln (z. B. Stimmmodulation und -dynamik.
Betonung, Sprechmelodie (Prosodie),
Einschüben wie "mmh") oder allgemein über unsere ▪
Körpersprache
mitteilen.
-
Nicht nur Standardsprache,
sondern auch Soziolekte und Dialekte möglich.
-
Kann sich durch
Spontaneität, Assoziationsmöglichkeiten und eine höhere
Emotionalität auszeichnen.
-
Und: Das gesprochene Wort ist "flüchtig", d.h. es existiert,
sofern keine schriftliche oder elektronische Aufzeichnung vorgenommen wird, nur im Hier
und Jetzt.
Beim geschriebenen Wort bzw. der Schriftlichkeit (Literalität) ist das ganz anders.
-
Hier sind der Verfasser und der Adressat (Empfänger) eines Textes nicht in
vergleichbarer Weise an der Kommunikation beteiligt. Diese ist situationsentbunden.
-
Die Produktion und die
Rezeption des Testes erfolgen nicht zur gleichen Zeit.
-
Der Verfasser kann - insbesondere wenn sich seine schriftlichen Ausführungen nicht an
einen bestimmten Empfänger oder einen genau eingrenzten Adressatenkreis richten
- kaum
auf besondere Eigenarten eingehen.
-
Der Empfänger kann keine unmittelbaren Rückfragen an den Verfasser richten.
Reaktionen sind nur zeitversetzt möglich. Dadurch werden
Wiederholungen (Redundanz) eher vermieden.
-
Es stehen keine
paraverbalen und körpersprachlichen Kontaktsignale zur Verfügung.
Eigentlich nut Interpunktion (z. B. Ausrufezeichen und ä. verwendbar;
Ausnahme: so genannte Emoticons in der SMS-Kommunikation).
-
Standardsprache
-
Planbar und eher
überlegt bei größerer Distanzierung von Emotionen.
-
Und: Das geschriebene Wort steht "Schwarz auf Weiß"
geschrieben, d.h. es ist schriftlich dokumentiert.
II. Oralität und Literalität unter textuellem Aspekt
Unter textuellem Aspekt zeichnet sich Oralität durch eine offene,
meist dialogische Textstruktur aus, bei der es durchaus zu Brüchen im
thematischen Zusammenhang (Kohärenzbrüche) kommen kann, während Literalität
eine stärkere Strukturiertheit (▪
Textordnungsmuster
zur Strukturierung argumentativer Texte) aufweist, die auf einer
thematischer, struktureller und grammatischer
Kohärenz und dem Einsatz
entsprechender Kohäsionsmitteln wie
Verknüpfungswörter
etc. (vgl. Fix
2006/2008, S. 65f.)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
31.12.2023
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