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Methoden des Literaturunterrichts

Fragend-entwickelndes Interpretieren

Literaturunterricht

 
FAChbereich Deutsch
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Das fragend-entwickelnde Interpretieren zählt zu den mündlichen ▪ Methoden des Literaturunterrichts (Spinner 2010, S.202f.). Oft wird es auch als eine Form des ▪ Literarischen Gesprächs verstanden.

Ihr vergleichsweise simples Grundprinzip besteht darin, dass sich die Lehrperson Fragen zu einem Text überlegt, die sie im Unterricht an die Schülerinnen und Schüler stellt und deren zielgerichtete Beantwortung zu den für die gewünschte Antwort nötigen Gedanken, Textbeobachtungen und Schlussfolgerungen anregen sollen. (vgl. Spinner 2010, S.204ff.) Die Lehrperson gibt dabei das Ziel nicht selbst vor, sondern nutzt "eine Reihe (z. T. stark) lenkender Fragen, um die Schüler*innen zum explizierenden (Nach-)Vollzug des Gedankengangs zu bringen, den sie sich (im Vorfeld) zurechtgelegt hat. Bezogen auf Gespräche über literarische Texte kann der intendierte Aufklärungsakt darin bestehen, umfassende, aber sachbezogen eingrenzbare und in sich schlüssige Verständnis- bzw. Interpretationsleistungen zu vollziehen, wie z. B. eine literarische Figur zu charakterisieren oder an eine Gesamtinterpretation des Textes zu kommen (vgl. Rosebrock & Scherf, 2019, 127)." (Magirius/Scherf/Steinmetz 2022, S.3)

Vielleicht ist dieser stark lehrerzentrierte Frageunterricht zur Interpretation literarischer Texte heute nicht mehr unbedingt das gängigste Verfahren im Literaturunterricht, wie Spinner (2010, S.204ff., 32019, S.231) betont, aber nicht nur wegen seines vermeintlich geringeren Organisations- und Vorbereitungsaufwand für die Lehrkräfte sicher noch immer weit verbreitet. Die Rolle, die die Lehrperson darin, als Experte/-in einnimmt, verträgt sich eben nicht so einfach mit den Konzepten, in denen sie nur als Lernbegleiter oder Lerncach fungieren soll.

Die »fragend-entwickelnden Methode ist grundsätzlich »Frontalunterricht, bei der eigenverantwortliches Lernen und Eigenaktivität der Schülerinnen und Schüler vergleichsweise gering ausfällt.

Die Kritik an dem "gefürchteten fragend-entwickelnden Unterrichtsgespräch" (Rosebrock 1999, S.67) mit seiner überwiegen traditionellen ▪ textanalytischen Orientierung ist schon seit langer Zeit unüberhörbar und hat auch in der Praxis des Literaturunterrichts zu einem Aufschwung ▪ handlungs- und produktionsorientierter Konzepte, in den Kategorien von Spinners Methoden des Literaturunterrichts etwa ▪ operative Verfahren, ▪ textproduktive Verfahren, ▪ bildnerisches und musikalisches Gestalten zu literarischen Texten und ▪ darstellendes Spiel und szenische Interpretation, sowie zu offenen Formen des Literaturumgangs wie z. B. bei ▪  literarischen Gesprächen geführt.

Meistens überschätzen Lehrpersonen den Erfolg der Lehrmethode und zeigen sich überzeugt davon, dass sie durch ihr geschicktes Fragen auch Lernprozesse angestoßen haben und die Schülerinnen und Schüler in diesem Frage-Antwort-Spiel zu eigenen Einsichten und Erkenntnissen gelangt sind.

Das ist auch nicht völlig von der Hand zu weisen, trifft aber wohl nur für einen sehr geringen Teil der Schülerinnen und Schüler zu, zumal auch nicht jede/r Lehrer/in das gleichermaßen beherrscht. Da darf man sich auch als Lehrperson nicht täuschen lassen, wenn man Schülerinnen und Schülern mit seiner Frage unter Umständen schon die Antwort in den Mund legt.

Dass das fragend-entwickelnde Unterrichtsgespräch sich letzten Endes aber auch kognitionspsychologisch begründen lässt, betont Spinner (2010, S.204ff., 32019, S.231), der davon überzeugt ist, dass "die Schülerinnen und Schüler kaum dabei alleingelassen werden" könnten, die zur ▪ Sinnkonstruktion erforderlichen ▪ Inferenzen herzustellen. Aus diesem Grunde sei auch die Lenkung durch Fragen hilfreich. Die geben dann z. B. als Leitfragen ähnlich wie Relevanzinstruktionen bei Schreibaufgaben zur Interpretation, die "Richtung" vor und fördern die Inferenztätigkeit.

Diese durchaus positiven Aspekte fragend-entwickelnden Interpretierens verbieten es Spinner indessen nicht, die Mängel dieses Verfahrens (Gängelung und die Benachteiligung weniger schnell denkender und zurückhaltender der Schülerinnen und Schüler in der Unterrichtsinteraktion) als Grenzen des Verfahrens herauszustreichen.

Dennoch das gelenkte Unterrichtsgespräch kann den Schülerinnen und Schülern, die sich darauf einlassen und in der Interaktion zu Wort kommen, helfen, innertextliche und über den Text hinausgehende Bezüge herzustellen und damit zu einem mehr oder weniger eigenen ▪ Situationsmodell des Textes zu gelangen, wenn die Lehrkraft auch in seinen Augen Fehllesungen darstellende Lesarten zulässt und aushalten kann.

Die erfolgreiche Teilnahme an einem literarischen Gespräch setzt Wissen voraus

Ob ein Schüler oder eine Schülerin an einem literarischen Gespräch, das als fragend-entwickelndes Unterrichtsgespräch inszeniert wird,  überhaupt erfolgreich  teilnehmen kann, hängt, wie Scherf (2016. S.97) darstellt, auch von seinem Wissen ab. Dabei gehe es um Wissen darüber, wie man Literarisches verstehe und wie man im Gespräch über das Verstandene verhandele (vgl. ebd.). Auch wenn es sich dabei zum Teil so genannte prozedurale Wissensbestände seien, die nicht so leicht explizierbar seien, gebe es aber auch "explizit bzw. potenziell explizierbar vorliegende – Wissensbestände, die konventionelles und strategisches (mentales) Handeln beim Literaturlesen und -verhandeln betreffen" (ebd.). Dies könne z. B. Wissensbestände betreffen, die im Zusammenhang mit Konventionen literarischer Kommunikation stehen. (vgl. ebd.).

In den solchen Gesprächen, in denen unterschiedliche Aspekte zur Sprache kommen, In versucht die Lehrperson in der Regel, das Gespräch zu lenken und eine gemeinsame Deutung zu finden. Dabei geht er selektiv mit den Schülerbeiträgen um und verwendet seine eigenen Verstehens- und Interpretationsansätze. Ob ein Schüler oder eine Schülerin erfolgreich an solchen Gesprächen teilnimmt, hängt davon ab, ob er oder sie das Verfahren versteht, mit der zugewiesenen Rolle umgehen kann und diese ausfüllt. Die Schüler müssen die Impulse der Lehrer richtig verstehen und darauf reagieren. Sie müssen auch in der Lage sein, ihre eigene Meinung zu vertreten und sich an die Wünsche der Lehrer anzupassen. Im Literaturunterricht zu bestehen, bedeutet auch zu lernen, was man tun kann und wie man es tut. (vgl. ebd.)

In weiterführenden Schulen wird oft noch das fragend-entwickelnde Unterrichtsgespräch zu literarischen Texten verwendet. Dabei gibt es viele Einwände gegen diese Methode. Ich habe aber selbst erlebt, dass sie häufig eingesetzt wird. In solchen Gesprächen geht es darum, einen Text oder einen Textabschnitt zu verstehen. Dabei geht es um die Handlung, die Sprache und die Bedeutung des Textes. Oft geht es auch um die Figuren im Text und wie sie handeln. Das finden Lehrer und Didaktiker wohl passend für Schüler (vgl. Hurrelmann 2003, S. 4ff.). In der Regel versucht der Lehrer, das Gespräch zu lenken und eine gemeinsame Deutung zu finden.

Für Scherf (2016. S.101) ist es daher unerlässlich, dass Lehrende nicht davon ausgehen, "dass ein solches Wissen, wie des literarischen Verstehens und des Verhandelns literarischer Verstehensansätze von jedem Schüler beiläufig erworben würde". Es müsse stattdessen eine explizite Aufgabe von Literaturunterricht sein, "schülerseitiges a. Wissen darüber anzulegen, wie literarische Texte angemessen rezipiert werden, b. Wissen darüber anlegen, wie literarische Texte in der Schule mündlich und schriftlich verhandelt werden."

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 18.09.2024

   
 

 
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