Der Text-Bild-Vergleich ist ein
• literaturdidaktisches Verfahren, bei dem
ein literarischer Text
in Beziehung zu einem Bild gebracht wird, um daraus Hinweise für das
individuelle Verstehen des Textes und zur Begründung der jeweiligen Lesart
zu gewinnen. Der Text-Bild-Vergleich ist dabei ein ganz wesentliches Mittel
der in der Schule üblichen •
kontextualisierten werkimmanenten Interpretation. Er wird für die •
Analyse
und Interpretation eines Textes in unterschiedlichen Unterrichtssettings
im Lern-,
Übungs- und
Leistungsraum in dafür
geeigneten
produktorientierten oder
prozessorientierten • Schreibaufgaben des
Literaturunterrichts verwendet.
Bilder können dabei
aufgrund ihrer besonderen Qualität besonders gute Dienste dabei leisten, das
deklarative und
prozedurale
(Vor-)Wissen (Weltwissen,
Fachwissen,
Sprachwissen
und
thematisches Wissen)
für das Textverstehen zu aktivieren. Dies ist deshalb besonders wichtig,
weil wir heute aus der ▪ Kognitionspsychologie
wissen, dass die Fähigkeit und die
Möglichkeiten des einzelnen zur ▪
Sinnkonstruktion
oft mehr von textexternem Wissen
abhängt als von den enger gefassten Fähigkeiten zur Textanalyse. Es ist also immer
der oder die Person im Vorteil, die über ein großes und breitgefächertes Vorwissen verfügt.
Diese stellt sozusagen den ▪
Motor der Inferenzbildung
dar, der über ▪
enge und ▪
Brücken-Interenzen hinweg
den Prozess der Sinnkonstruktion mit ▪
elaborativen Inferenzen
richtig auf Touren bringt. Das Vorwissen ermöglicht also in einer
Text-Leser-Interaktion, aus dem, was man liest und analysiert
jene Hypothesen zu gewinnen, die einem helfen, ▪
einen plausiblen Bedeutungs- bzw. Sinnzusammenhang zu
konstruieren.
Dabei geht es nicht nur
darum, Bilder, die als Illustrationen
bestimmten Texten in einem bestimmten Medium (analoges Buch, multimediales
E-Book, Internetseite etc.) hinzugefügt worden sind, für die Analyse eines
Textes zu nutzen. Das können Titelbilder (Buch-Covers) ebenso sein wie
einzelne Illustrationen, die vom jeweiligen Textproduzenten (Autor/-in,
Herausgeber/-in) eingebettet in den Fließtext oder an anderer Position
präsentiert werden. Allgemein versteht man unter einer Illustration ein Bild
das einem Text beigegeben ist. genannt auch Schaubild, unabhängig von dessen
Form oder spezifischer Funktion. In älteren literarischen Werken des 18. und
19. Jahrhunderts sind derartige »Literaturillustrationen
sehr häufig verbreitet und bedienen damit einen vorherrschenden
Publikumsgeschmack.
Beispiele dafür sind z. B.
die Illustrationen, die
• Daniel Chodowiecki
(1726-1801), •
Johann Heinrich Ramberg
(1763-1840) und
• andere
zu
•
Friedrich Schillers
Drama •"Die
Räuber" erstellt haben. Deren literarische Illustrationen
werden aber in der Regel an anderer Stelle veröffentlicht, gehen aber auch
in unterschiedliche Buch-Editionen ein.
Streng genommen stellen, so
Rösch (2007a,
S.129) solche literarischen Illustrationen Artefakte dar, die in sich das
Wort und das Bild vereinigen. Dabei kann das Text-Bild-Verhältnis als
konvergierend (zusammenlaufend, dem selben Ziel zustrebend), kooperierend
oder konkurrierend gestaltet sein. Insofern kann eines solches Bild als
Textergänzung verstanden und dabei unterschiedliche Funktionen wahrnehmen.
Im Literaturunterricht kann
der Text-Bild-Vergleich darüber hinaus, durch Vorgabe bestimmter Bilder, die
nicht als Illustration i. e. Sinne verstanden werden, z. B. themengleiche
oder auch ein Thema konstrastierende Bilder eingesetzt werden, um bestimmte
oder, wenn mehrere Bilder zur Auswahl angeboten werden, unterschiedliche
Zugänge zum jeweiligen Bezugstext zu ermöglichen. Ein Beispiel dafür finden
Sie in den • Bausteinen zu •
Franz Kafkas Parabel •
Auf der
Galerie.
Unter
literaturgeschichtlicher Perspektive ist der Vergleich mit Gemälden, die zur
gleichen Zeit entstanden sind, ein verbreitetes Verfahren der
Kontextualisierung. So kann man z. B. das Bild •
"Mondaufgang am Meer" (1822) von •
Caspar David Friedrich (1774-1840) und dem Gedicht "Mondnacht"
(1835) •
Joseph von Eichendorff (1788-1857) miteinander vergleichen und daraus
wichtige Rückschlüsse auf das •
romantische Gedicht ziehen. Häufig werden auch
expressionistische Gedichte und •
expressionistische Gemälde einander zugeordnet.
"Eine stärkere eigene
Deutungsleistung ist gefordert," so
Spinner (2010,
S.220), "wenn die Schülerinnen und Schüler zu einem Text eine Abbildung
suchen, die ihnen dazu passend erscheint, und begründen, warum sie diese
Abbildung gewählt haben. Bei der Suche spielt das implizite Vergleichen eine
Rolle (man hat den Eindruck, das Bild passe zum Text), bei der Begründung
wird es explizit. Wenn die Schülerinnen und Schüler unterschiedliche
Vorschläge präsentieren, kann dies ein interessanter Ausgangspunkt für die
Auslotung möglicher Textdeutungen sein."
Der Text-Bild-Vergleich
kann aber auch Literaturverfilmungen, kürzere oder längere Videosequenzen
oder auch multimediale Bilder-Show, sein, die die gleichen konvergierenden
kooperierenden oder konkurrierenden Funktionen im Bild-Text-Verhältnis
übernehmen können. Hier kann man entweder auf vorhandene Quellen in
einschlägigen Internet-Plattformen zurückgreifen oder von den Schülerinnen
und Schülern in Einzel- oder Kleingruppenarbeit entsprechende Diashows
anfertigen lassen.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
18.07.2024