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Venus-gärtlein (1656)
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Text des Liedes
Das Lied mit dem
Eingangsvers ▪ EInsmahls
da ich lust bekam aus der Liedersammlung des ▪
Venus-Gärtleins (1656)
ist ein Zwiegespräch eines Mannes "nicht zu jung bin noch zu alt"
(15) mit einer jungen Frau, um die er wirbt, indem er sich selbst
charakterisiert. Auf diese Weise, so erklärt er, hofft er ihre Gunst zu
gewinnen, um sie heiraten zu können.
Das 18-strophige Lied
lässt sich in drei Teile gliedern:
In den beiden ersten
Strophen erzählt das Ich, worum es überhaupt geht. Ohne einen weiteren
Grund zu dafür zu nennen, berichtet es davon, dass es "einsmals" einfach
"Lust" dazu verspürte, eine junge Frau, die ihm gefiel, darauf
anzusprechen, ob auch sie an ihm Gefallen finden könne. Die
Angesprochene, die wohl über die Form dieser direkten Werbung etwas
überrascht ist, gibt zwar spöttelnd, aber nicht entschieden abwehrend
zurück, dass nicht unbedingt ihr "Typ" ist. (1) Der Mann gibt nicht auf
und fragt, ob sie ihn ihm keinen "gut Kerl" (2) sehe. Als die junge Frau
erwidert, sie wolle von ihm wissen, was denn "ein gut Kerl" sei, bittet
der Mann sie sich neben ihn zu setzen, um in Ruhe anzuhören, was er dazu
zu sagen hat. Zugleich bringt er die Hoffnung zum Ausdruck, dass sie
danach ihre reservierte Haltung ihm gegenüber aufgeben werde.
In den Strophen 3 bis
16 beschreibt er in aller Ausführlichkeit, ohne einmal unterbrochen zu
werden oder selbst eine Pause zu machen, den besagten "guten Kerl", den
er mit allen den in seinen Ausführungen dargestellten Eigenschaften er
selbst darstelle. Man könnte, wie
Classen (2010, S.313)
meint, darin fast ein autobiographisches Lied sehen, wenn es sich
wirklich auf eine konkrete Person bezöge. Für ihn zeigt sich jedoch
darin "schnell das schablonenhafte Bild eines Landsknechts" (ebd.)
Die
"Landsknecht-Schablone" liefert dabei den Rahmen für bestimmte sozial
bedingte Verhaltensmuster aber auch für die stereotypen
Männlichkeitsmuster, die zu ihr gehören.
Im Gegensatz zu den in
der bürgerlichen Gesellschaft sonst geltenden Regeln für die Anbahnung
einer Geschlechterbeziehung hat er nichts anzubieten: Er ist kaum
gebildet, hat kaum Geld (5), verfügt über kein geregeltes Einkommen,
lebt von der Hand in den Mund bzw. von seinem Degen (7), esse gerne gut
(10) und feiere nach Herzenslust mit seinen Freunden (11). Jungen Frauen
liebe er sehr und erweise ihnen gerne Dienst, wenn sie ihn aber stolz
abwiesen, wende er sich halt den einfachen Bauernmädchen zu (13). Im
Grunde genommen sei es so: Er sei jetzt auch nicht mehr so jung, habe
das Gefühl, dass er nun im Alter sei, wo es Zeit sei, zur Ruhe zu
kommen. Deshalb habe er sich jetzt entschlossen, eine feste Bindung
einzugehen. (15) Am Ende schwört er der Jungfrau, wenn sie sein Werben
erhöre, von allen anderen Frauen zu lassen und sie allein zu lieben.
(16)
In den letzten drei
Strophen (17 bis19) meldet sich die angesprochene junge Frau noch einmal
zu Wort, nachdem sie von ihrem Freier aufgefordert wurde, ihm zu sagen,
ob er als guter Kerl jetzt doch als Partner für sie in Frage komme. Sei
dies der Fall, würden sie, wie er betont, schon in Kürze ein Paar sein
(und heiraten). (17) Die junge Frau bremst ihn "sachte", betont aber,
dass sie nach alldem, was sie gehört habe und wie der Mann sich
präsentiert habe, schon sehe, dass er ein guter Kerl sei. Dabei
schmunzelt sie. (17) Der Mann ist offenbar hocherfreut darüber, dass die
junge Frau ihn nicht abweist, nimmt sie sogar in die Arme und gibt ihr
einen Kuss. Am Ende will er aber, ehe sie auseinandergehen, doch eine
klare Antwort. Die junge Frau aber vertröstet ihn auf den nächsten Tag.
(18) Zum Abschied schwört der Mann der jungen Frau seine ewige Liebe,
Das Lied hat den
Charakter eines Spiels. Allein der Anfang, bei dem das lyrische Ich
betont, es habe einfach irgendwann einmal Lust gehabt, um ein
offensichtlich bürgerliches junges Mädchen zu werben, um sich nach
seinem ganzen "Hallodri-Leben" jetzt zur Ruhe zu setzen und ein
bürgerliches Dasein zu fristen, unterstreicht, wie spielerisch offen der
Ausgang dieses Werbens, das mit der Angebeteten selbst als Person am
allerwenigsten zu tun haben scheint, angelegt ist. Bekommt er einen
Korb, so macht ihm das auch nichts, schließlich gibt es ja noch eine
Menge einfacher Bauernmädchen, die für ihn offenbar leichter zu haben
sind. Ausprobieren, ob man aber etwas "Besseres" haben kann, kann, so
scheint das Ich anzunehmen, jedenfalls nicht schaden.
Unter dem Blickwinkel
dessen, was ein bürgerliches Mädchen und deren Familie von einem
ernsthaften Freier erwartet, hat er nichts zu bieten. Seine finanziellen
Verhältnisse sind prekär, sein Lebensstil alles andere als bürgerlich
und auch seine Bildung lässt sicher zu wünschen übrig. Man wird als
Leser jedenfalls den Gedanken nicht los, dass es sich um einen richtigen
Luftikus (Draufgänger, Hallodri, Leichtfuß,
Tollkopf, Windbeutel), der aber dennoch einen Charme versprüht.
Er gibt sich in
seiner Selbstdarstellung allerdings authentisch ("echt"),
versprüht eine ungezungene Offenheit mit einer optimistischen
Lebenseinstellung ("frisch zu Felde"),
die offenbar auch die junge Frau beeindruckt. Das, was er ihr über sich
gesagt hat und vor allem auch wie er das getan hat, veranlasst sie
jedenfalls nicht, seine Werbung um sie abzuweisen. Im Gegenteil sie
quittiert das Ganze mit einem Schmunzeln, das verrät, dass sie ihm
gegenüber zumindest wohlwollend gestimmt ist. Vielleicht erliegt sie
damit, über ihr Alter wird ja im Gedicht nichts gesagt, einfach auch dem
Charme, den der Mann entwickelt, der auf diese unprätentiöse Weise seine
doch einigermaßen ungewöhnliche Biografie vor ihr ausgebreitet hat.
Immerhin lässt sie sich am Ende noch von ihm küssen, auch wenn sie die
Entscheidung darüber, ob sie seine Frau werden will, am Ende zumindest
vertagt. Und sollte es letzten Endes anders ausgehen, als sich der Mann
erhofft, dann ist es für ihn jedenfalls auch nicht schlimm. Er wird sich
eine andere suchen oder, wenn es mit einem bürgerlichen Mädchen nicht
klappt, sich einem einfachen Bauernmädchen zuwenden: Denn letzten Endes
ist alles nur ein Spiel mit ungewissem Ausgang, begonnen eines Tages,
als er einmal Lust hatte, ein bürgerliches Mädchen anzusprechen und mehr
oder weniger ernsthaft zu umwerben.