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Fleming: Wie? ist die Liebe nichts?

Aspekte der Analyse und Interpretation

Paul Fleming (1609-1640)


FAChbereich Deutsch
Glossar
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Das ▪ SonettWie? ist die Liebe nichts? von Paul Fleming (1609-1640) ist eine der ▪ zeitgenössischen Parodien und antipetrarkistischen Umdichtungen auf das Mustersonett von ▪ Martin Opitz (1597-1639)Sonnet. Aus dem Italienischen Petrarchae. (Canzoniere 132) (1624).

Sie zeigen, wie sich der petrarkistische Diskurs im Verlauf des 17. Jahrhunderts verändert hat und beziehen sich, wie auch im Falle des Sonetts von Paul Fleming stets auf die übersetzte Version der Francisci Petrarchae von Martin Opitz, auch wenn der eigentliche Referenztext das originale Sonett von »Francesco Petrarca (1304-1374) ist. (vgl. Aurnhammer 2006, S.197ff.)

Dass das Opitz'sche Mustersonett offenbar für viele andere einen besonderen Anreiz für ihre produktiven parodistischen Umgestaltungen darstellte, hatte wohl im Wesentlichen zwei Gründe. Einmal war es sicherlich sehr bekannt und konnte von einem kompetenten Leser leicht in einen Bezug zum Referenztext von Opitz gebracht werden. Zum anderen reizte wohl auch die so sehr als Musterbeispiel von Opitz angepriesene Version andere gelehrte Dichter,  "sich (...) allgemein mit der Sonettform, dem spezifischen Sprachstil und dem Liebesdiskurs des petrarkistischen Genres" (ebd., S.197) auseinanderzusetzen und mit ihren Parodien den "deutschen Petrarca", alias Opitz, nachzuahmen, zu kritisieren oder, im besten Fall, zu überbieten und dabei den Gehalt zu verändern. (vgl. ebd.).

Paul Fleming hat dies in einer für den ▪ Antipetrarkismus typischen Art und Weise getan. Sein Gedicht ▪ Wie? ist die Liebe nichts? findet sich in einem »prosimetrischen, d. h. teils aus Prosa, teils aus metrischem Text (Gedichtformen) zusammengesetzten Hochzeitsgedicht aus dem Jahr 1635 und ist in diesem sozialen Kontext sicherlich auch als ▪ Gelegenheitsdichtung, wahrscheinlich auf der Hochzeitsfeier vorgetragen und rezipiert worden. Über die Entstehung des Gedichts selbst kann und soll hier nicht weiter spekuliert werden.

Im Eingangsvers seines Gedichts stellt Fleming im Unterschied zu Opitz gleich drei Fragen, die  kompetente Leser*- bzw. Hörer*innen der Zeit sicherlich ohne Weiteres in Bezug zu dem Mustersonett von Opitz bringen konnten. Die von Fleming in die grammatische "Kurzfrage" ohne den nachgestellten Nebensatz bei Opitz abgewandelte Formulierung "Ist die Liebe nichts" lässt sich ohne Weiteres mit der im ersten Vers von Opitz aufgeworfene Frage "Ist Liebe lauter nichts" in einen intertextuellen Bezug bringen. Und auch in Vers 11 liefert das wörtliche Zitat "Ich weiß nicht" aus dem Gedicht von Opitz einen weiteren klaren Bezug.

Vor allem aber wird dieser Bezug durch die in einer Art Nachfrage (Rückfrage) an den Autor bzw. das lyrische Ich des Referenztextes daherkommende Kurzfrage »Wie«, mit dem das Gedicht von Fleming beginnt, hergestellt. Diese kann auch als eine Aufforderung an den Leser/Hörer verstanden werden, sich mit diesem Hinweis auf die Dialogizität des Folgenden, sich auf die Suche nach demjenigen zu machen, an den die nachfolgenden Fragen gerichtet werden und mit dessen Auffassungen über die Liebe sich das lyrische Ich auseinanderzusetzen gedenkt. Dies konnte für einen entsprechend gebildeten Leserkreis nur Martin Opitz bzw. das lyrische Ich seines Mustersonetts ▪ Francis Petrarchae sein.

Zugleich sind die zahlreichen in mehrfach ▪ kreisenden, dabei leicht abgewandelten Worthäufungen (Amplifikation) vorkommenden Fragen aber nicht nur an das lyrische Ich des Referenztextes gerichtet. Sie richten sich auch an das anwesende Publikum selbst (u. U. oben erwähnte die Hochzeitsgesellschaft). In jedem Fall adressiert das lyrische Ich, wie die letzten beiden Verse zeigen, auch direkt an die "newen freyer" nämlich will es am Ende erfahren, wenn sie es tatsächlich wissen sollten, was ihn nicht loslässt und worauf es aller vorausgegangenen Fragekaskaden zum Trotz, aber durch und durch petrarkistisch, keine Antwort finden kann: "was ist die Liebe denn?". Mit der Apostrophe an die "newen freyer" können Männer gemeint sein, die als Freier um die Liebe einer Angebeteten werben oder buhlen oder eben künftig auch Bräutigame einer solchen werden wollen, aber es könnte auch das Brautpaar gemeint sein (vgl. Aurnhammer 2006, S.200).

Am Ende steht das lyrische Ich aber wieder mit den gleichen Frage ohne Antwort da, die es sich eingangs gestellt hat, allerdings nun aufgespalten in zahlreiche weiterführende Fragen, die es in einem resümierenden asyndetischen Stakkato von Fragepronomen nun mit seiner Apostrophe mit einem ironischen Unterton an die "newen Freyer" weitergibt, wahrscheinlich wohl wissend, dass auch sie, selbst wenn sie direkt vor der Vermählung stehen,  keine auf Antwort die Frage haben "Ist nun die Liebe nicht Nichts?" und die nachfolgende Fragenkaskade haben  "Alles? Wasser? Feuer? Gut? Böse? Leben? Todt?.

Auch wenn der Bedingungssatz (»wenn ihrs wisst«) ironisch unterstellt, dass die Befragten mit den gestellten Fragen schlicht überfordert, eben überfragt, sind, "hebt die ironische Schlusswendung", so Aurnhammer (ebd.) weiter, "die antipetrarkistische Tendenz des Sonetts nicht auf. Denn Flemings Opitz-Parodie führt in der hyperbolischen Intensivierung aller petrarkistischen Register den antithetischen Automatismus des »Petrarkismus ad absurdum: Die Amplitude der widersprüchlichen Liebesgefühle wird so sehr dramatisiert, dass sie sich jeder Systematisierung entziehen."

In jedem Fall  findet auch das lyrische Ich des Fleming-Gedichts keine anderen Antworten auf die Grundfragen der Liebe als das von Opitz bzw. von Petrarca, auch wenn es sich im Spiel mit den für die petrarkistische Bildsprache typischen Antinomien und Antithesen, seinen Metaphern und Vergleichen, welche die "Liebe als Kampf, Feuer, Leben und Tod" (Meid 2000., S.28) bzw. hier eben als Wasser, Feuer, Flammen, Glut, Gutes, Böses oder als Tod darstellen, sichtlich bemüht, sein mit den bekannten Stereotypen, aber in einer anderen  Kombination, "Vorbild" petrarkistisch, dazu noch als Parodie, zu überbieten.

Dass ihm dies am Herzen lag, zeigt auch, dass er nicht wie Opitz den Reim schon in den ersten beiden Quartetten wechselt, sondern dies erst mit den beiden nachfolgenden Terzetten tut. So wirkt, wie vgl. Aurnhammer (2006, S.200) betont, das Gedicht von Fleming auch ohne die von Opitz verwendeten Enjambements "dialogisch-lebendig." Dieser Eindruck werden durch die Fülle unverbundener, kleiner, oft elliptischer syntaktischer Einheiten erzeugt. Dass die Fiktion eines Zwiegeprächs entsteht und aufrechterhalten wird, liege dabei vor allem an den aneinandergereihten Kurzfragen, die ohne weitere Details anzugeben (man nennt dies percursio) im Raum stehen.

Auf diese Weise, so Aurnhammer (ebd.)  weiter, veräußerliche Fleming "das Selbstgespräch, in dem Opitz ein lyrisches Ich die Wirkungen der Liebe erörtern lässt, zu einem zweistimmigen Frage-Antwort-Spiel. Da die Fragen über das Wesen der Liebe stark verkürzt und - von acht auf siebenundzwanzig - mehr als verdreifacht seien, wirke das "Tempo überhitzt, der Sprachstil eher familiär-kolloquial und der dialektische Charakter übertrieben."

Diese Übertreibung von Stilmerkmalen der Vorlage, z. B. die fünf Fragepronomina in Vers 11, zielen darauf, das petrarkistische Mustersonett als Parodie zu überbieten. Dazu greift er sogar auf das originale Petrarca-Sonett zurück. Allerdings bleibt auch die Art, wie Petrarca das Thema als Paradoxon behandelt, im Gedicht von Fleming nicht unwidersprochen: Die Alternative, die das fragende Ich nämlich darin aufwirft, "ob Liebe »Leben oder Tod« bedeute, wird von der antwortenden Stimme doppelt verneint." (ebd.

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 23.12.2023

 
 

 
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