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Der Meistergesang in der frühen Neuzeit

Meistergesang und humanistische Sprach- und Literaturreform im Barock


FAChbereich Deutsch
Glossar
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Das Straßburger Münster und seine Wahrnehmungsgeschichte seit der Frühen Neuzeit - Überblick
Von Straßburg der Vralten Statt - Anonymer Verfasser (Einblattdruck, 1572)

Adam Puschmann (1571) Ein ander kurze Beschreibung des Schönen Minsters zu Straßburg
Martin Opitz (1597-1639): "Sonettt über den Thurn zu Straßburg"

Kunstdichtung, neulateinische Dichtung und Popularliteratur im Barock

Unter dem Meistergesang versteht man "das Dichten und den Vortrag von Meisterliedern durch die Meistersinger, Einwohner dt. Städte, meist süddt. »Reichsstädte, die sich im 15. bis 17. Jh., vereinzelt auch noch im 18. und 19. Jh., zum Zweck des Dichtens und Vortragens von Meisterliedern zu 'Gesellschaften' oder 'Bruderschaften' zusammenschlossen." (Brunner 1997/2006, S.258) Diese zunftmäßigen Vereinigungen, die miteinander in Beziehung standen und ein ausgeprägtes Kunstbewusstsein pflegten, waren überall gleich oder mindestens sehr ähnlich organisiert. Von ihren jeweiligen Stadtbehörden wurden sie streng beaufsichtigt. Die "Meisterästhetik" als solche zieht sich dabei durch die Literaturgeschichte Kontinentaleuropas immer wieder hindurch. (vgl. Galvez 2004, S.303)

Die »Meistersinger haben ihren Namen wohl in Anlehnung an die mittelhochdeutschen »Sangspruchdichter des 13. bis 15. Jahrhunderts von den eher einer Legende entstammenden sogenannten »"12 Alten Meistern" (darunter »Walther von der Vogelweide (um 1170-1230), »Neidhart von Reuental (erste Hälfte des 13. Jh.) und »Wolfram von Eschenbach (um 1160-1220) abgeleitet, um damit ihre eigene Meisterschaft im Umgang mit ihren Themen und Darstellung herauszuheben. Sie verstanden sich als Epigonen der mittelalterlichen Spruchdichtung und verehrten als Stifter die sog. "4 gekrönten Meister" (»Heinrich von Meißen alias Frauenlob (1250/1260-1318), »Regenbogen (gest. um 1320), »Der Marner (vor 1287 ermordet) und »Heinrich von Mügeln (geb./gest. im 14. Jh.). Die Gründungssage des Meistersangs reicht ins Jahr 962 zurück, dem Jahr, in dem der Meistersang der Sage nach von dem Papst und dem Kaiser »Otto I., d. Großen (912-973) autorisiert und privilegiert worden sei. (vgl. Metzler Literaturlexikon, 21990,S.298). Dabei bietet diese Gründungssage mit ihrer Meisterästhetik "in Zeiten sozialer, ethischer und religiöser Umwälzungen eine Insel der Kontinuität" (Galvez 2004, S.303).

Die Mitglieder dieser zunftmäßig organisieren Vereinigungen trafen sich regelmäßig und veranstalteten öffentliche Konzerte, die sogenannten "Singschulen", die nach strengen Regeln abzulaufen hatten. In der Regel waren diese öffentlichen Auftritte ein Wettbewerb der Sänger, deren einstimmiger und ohne instrumentelle Begleitung stattfindender Vortrag von den so genannten "Merkern" auf ihre Regelkonformität überwacht und bewertet wurde. Die Merker waren im Allgemeinen die Vorsteher der Singschulen und nahmen während des Liedvortrags meist zu viert im sog. "Gemerk" Platz, einem durch Vorhänge abgetrennten Raum. In ihren gestrengen Ohren war die Befolgung der Norm alles und es galt, "schön ist, was der Regel gemäß ist." (Metzler Literaturlexikon, 21990,S.298)

Erfolg konnte also nur haben, wer die seit dem 16. Jahrhundert in den sogenannten Tabulaturen zusammengefassten Regeln für das Dichten und die entsprechenden "Schulordnungen" für die öffentlichen Konzerte beherzigte. Normiert waren nicht nur die metrischen Strukturen der Text, sondern auch der Vortrag, das Singen, selbst. Ein Vortragender musste z. B. jede Verszeile, die aus dreizehn Silben und einem Endreim bestand, in einem Atemzug singen. (vgl. Galvez 2004, S.303).

Dementsprechend wurden nur solche Dichter zu Meistern ernannt, die einen neuen  "Ton" (Weise) (Ton = Gesamtheit von Strophenform und Melodie) erfanden und völlig fehlerlos vortrugen. Dabei konnte es nicht jeder Anwärter zur Meisterschaft bringen, denn der verschulten Kunstübung entsprach auch eine klare Hierarchie von Titeln, die die Rangordnung und den Status des Teilnehmers einer Singschule bezeichneten. Wer nur am Wettstreit teilnahm, war "Schüler", wer die Regeln beherrschte, war "Schulfreund", wer fremde Meisterlieder fehlerlos vortragen konnte, wurde als "Singer" bezeichnet, der Verfasser eines neuen Meisterliedes auf der Grundlage einer schon bekannten bzw. überlieferten Melodie wurde als "Dichter" ausgezeichnet und wer einen gänzlich neuen Ton (Melodie und Strophen) gestaltete, die vor dem Urteil der Jury ("Merker") Bestand hatte, genoss als Meister die höchste Wertschätzung.

Historisch gesehen stellt der Meistersang "den Übergang der persönlichen Pflege des Minnesangs zu schulmäßiger Übung der Sangeskunst am Feierabend" (Wilpert 1969, S.475) dar. Dabei wurden "die höfischen Formen (...) übernommen und ihre Künstlichkeit auf die Spitze getrieben, mit gelehrtem Wissen gefüllt. Die Kunst galt als lernbar" (ebd.) und wie sie auszusehen hatte, wurde in den Tabulaturen  festgelegt. Das Repertoire der zulässigen Töne war ursprünglich sehr eng auf die 12 Töne der einer Legende nach 12 Meistern, wurde aber nach und nach erweitert und erreichte schon vor der ▪ Reformation »Luthers (1483-1546) über 450 Töne bringt (Rettelbach 1997/2006, S.379). Ihre Anzahl erweitert sich noch, als in der Zeit danach zu dem "Hauptsingen" überwiegend biblisch-geistlicher Themen mit lehrhaft-erbaulicher Funktion in der Kirche auch weltliche Themen (Fabeln, Schwänke und historische Stoffe) in den Meisterliedern gestaltet wurden. Ab dem 16. Jahrhundert wurden auch "Buhllieder" und erzählende Gedichte gesungen und in so manchen Gaststätten ertönten beim "Zechsingen" Spruchreden, Spottverse und Rätselstrophen, die ihr Publikum unterhielten.

Die "Töne" werden im Allgemeinen durch den Namen des Urhebers und den jeweiligen Tonnamen, z.B. Frauenlob, Langer Ton, Abendton u. a. bezeichnet, der sich auf inhaltliche oder formale Aspekte des Textes bezieht. Die seltsamen Namen für die jeweiligen Töne (z. B. "Kleine Affenweise") gewährten ihren Verfassern einen gewissen Urheberschutz, allerdings durften die Meisterlieder nicht gedruckt werden und gingen in den Besitz der jeweiligen Singschule über. (vgl. Metzler Literaturlexikon, 21990,S.298)

Die Meisterlieder sind in etwa 120 Handschriften des 15. bis 19. Jahrhunderts überliefert. Die »Kolmarer Liederhandschrift (Mainz um 1480) enthält etwa 900 Liedertexte und 105 Melodien. Obwohl die Publikation von Meistergesängen eigentlich unerwünscht war, trugen die Meistergesänge entscheidend zur Überlieferung von Volksliedern bei, z. B. im »Lochamer-Liederbuch um 1450.

Die »Meistersinger (auch Meistersänger) waren in der Regel Handwerker, doch zählten manchmal auch Priester, Lehrer und Juristen dazu. Die Zentren des Meistersangs lagen im Süden und im Südwesten Deutschlands, Mainz war dabei anfangs führend, aber nach und nach kamen auch andere Städte wie z. B. Straßburg, Freiburg, Colmar, Ulm, Memmingen, Steyr, Iglau und Breslau hinzu.

Die Struktur der Meisterlieder

Gewöhnlich bestehen die Meisterlieder aus einer ungeraden Anzahl von (mindestens) drei Strophen. Dabei sind diese Lieder "nicht in individuellen Strophenformen, sondern in vorweg feststehenden 'Tönen' abgefasst ('Ton' bezeichnet die Gesamtheit von Strophenform und Melodie). Insgesamt sind über 1.000 Meistertöne bekannt (...), die freilich nicht immer und überall verwendet wurden. Die Tone haben in der Regel mindestens sieben, meist jedoch mehr Zeilen mit Endreim, typisch ist die Länge von zwölf bis zwanzig Zeilen." (Brunner 1997/2006, S.259) Neben der die Gesamtheit von Strophenform und Melodie bezeichnenden Tonbegriff, wird auch in folgender Weise differenziert: Strophe als "Bar", die Strophe mit Melodie als "Ton" und die Melodie allein als "Weise". (Wilpert 1969, S.475)

Die Zeilenlänge der Lieder, bei denen die rhythmische Alternation, also die Abfolge betonter und unbetonter Silben ohne Bedeutung war, wurde auf der Basis der Silbenlänge definiert (erst »Martin Opitz (1597-1639) definierte bei der metrischen Literaturreform das Betonungsgesetz von Hebungen und Senkungen).

Die Töne folgen der »Kanzonenform (AAB), wie sie aus der mittelhochdeutschen Lyrik, z. B. beim Minnesang., bekannt war. Danach bestand eine Strophe, die als »Stollen bezeichnet wurde, aus drei Teilen, dem Aufgesang aus zwei metrisch-musikalischen identischen Stollen und dem Abgesang (AAB = Stollen-Stollen-Abgesang). Von den Meistersingern selbst werden in der dreiteiligen Struktur der Meistersangstrophe die beiden Stollen als Gesätz (= 1. Stollen) und Gebäude (2.Stollen) bezeichnet. Den beiden Stollen des Aufgesangs folgt der Abgesang. Dieser stellt in Tonfall und Rhythmus ein Gegengewicht gegen die beiden Stollen des Aufgesangs dar. Er ist länger als jeder einzelne Stollen, aber insgesamt kürzer als beide Stollen zusammen. (vgl. Wilpert 1969, S.3, 743)

Aber auch weitere Unterformen der Kanzone wurden verwendet, "unter denen, die wichtigste die mit drittem Stollen ist (AABA, bei dem der Stollen ganz oder teilweise am Ende des Abgesangs wiederholt wurde, oder AABBA zum Beispiel). Das Zwischenstück B nennt man Steg. " (ebd., S.259) Im Meistergesang kommt es zu Beginn des 17. Jahrhunderts zur längsten Strophe in der deutschen Literaturgeschichte mit 134 Versen (Ambrosius Metzger 'Überlange Walweise''). (vgl. Rettelbach 1997/2006, S.379)

Ein Beispiel für die Analyse des Aufbaus einer Meistersangstrophe stammt von Ivo Braak (1969, S.100)


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Die gesellschaftliche Bedeutung des Meistergesangs in der frühen Neuzeit

Der Meistergesang kann als "Produkt der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Stadtkultur" angesehen werden und repräsentiert einen Bereich bürgerlicher Laienkunst in der Ständegesellschaft. (Beutin 1989, S.69)

Er erfüllte in der frühen Neuzeit eine wichtige Rolle für die Stadtbevölkerung, die sich auf diese Weise mit religiöser und weltlicher Bildung vertraut machte und das auf eine Weise, die "Bildung in den allgemein offenen Zustand der Hörbarkeit überführt(e)". (Brunner 1997/2006, S.259) Insofern ist er auch ein "kulturgeschichtlich äußerst wichtiges Zeugnis (...) für e. geistig-künstlerisches Bedürfnis der Zeit" und hat darüber hinaus "das Verdienst, die Kunst unabhängig von Gönnern gemacht zu haben." (Wilpert 1969, S.475)

Der Meistersang steht dabei, auch wenn er durchaus Religiöses thematisierte, oft in "Opposition zum Christentum als Institution - nicht als Glaubenslehre!" (Beutin 1989, S.70) und die "Polemik gegen die Geistlichkeit, besonders deren »geitigkeit« (Gier, Habsucht)" (ebd.) gehörte zu den Elementen auf die auch die Reformation bei ihren Angriffen auf die Papstkirche zurückgreifen konnte. Verhaltener fiel hingegen seine Kritik, so wie dies auch bei den Humanisten der Fall war, am weltlichen Adel und der Ständegesellschaft als solcher aus. Allerdings zielte er durchaus darauf, bestimmte legitimatorische Grundpositionen der Aristokratie auszuhöhlen, denn zu den Überzeugungen und dem Selbstverständnis der Meistersinger gehörte, dass sie ihr Metier als eine Weiterführung »guter«, also adliger »gesanges kunst«" verstanden, die dem Adel im Umgang mit Poesie abhanden gekommen sei. (vgl. ebd.) Schließlich, so ihre Argumentation, gäbe es "nichts Edleres als die Gesangeskunst. denn: »Der ist wahrhaft adeligen Geschlechts, wer sich mit der Dichtkunst beschäftigt« (Michel Beheim, Mitte des 15, Jahrhunderts)" (ebd.) So setzt der Meistersang immerhin mit diesem bemerkenswerten Maßstab den Akzent, dass es einen neuen Tugendadel der Gesinnung (z. B. die Meistersinger) gab, für den, wie »Heinrich von Meißen alias Frauenlob (1250/1260-1318) um 1300 herum formulierte »Geblütsdadel und der Adel des Geldsacks (...) Erscheinungen der Körperwelt (sind)«, wohingegen »in der Welt des Geistes (...) allein) zählt, was einer persönlich ist und kann«. (zit. n. ebd.)

Allerdings ging diese Bedeutung im 17. und 18. Jahrhundert mehr und mehr verloren und, da die späten Meistersänger sich krampfhaft an ihren traditionellen Inhalte und Regeln klammerten, empfanden viele seine Werke zusehends lächerlich. Auf diese Entwicklung nimmt auch die 1868 von »Richard Wagner (1813-1883)komponierte Oper "Die Meistersinger von Nürnberg" (1868) karikierend Bezug – vor allem in der Person des strengen Stadtschreibers Beckmesser, dessen Name zum Synonym für Pedanterie wurde. Und bis in unsere Zeit hinein hielt sich das Urteil, dass "der naiv-treuherzigen und bürgerlich-pedantischen Dichterei in ihrem handwerkmäßigen Betrieb und der Ausrichtung auf rein formale Kunsterfüllung (...) jeder Schwung und 'Atem der Leidenschaft' zur ästhetischen Hochachtung (fehlt)", wie Wilpert (1969, S.475) betont hat.

Dabei ist allerdings zu bedenken, dass solche Urteile, die ganz in der Tradition der humanistischen Kunstdichtung und ihrer elitären Bildungsschicht gelehrter Personen mit philologischer Ausbildung an den Universitäten steht, die den Meistergesang "als Musterbeispiel dichterischer Rückständigkeit und Stümperei" verachteten. (Meid 1982, S.10) So gilt wohl auch für heute, dass solche an "hochgeschraubten Ansprüchen" (ebd., S.11) orientierte Maßstäbe der deutschen Dichtung im 15. und 16. Jahrhundert damals wie heute kaum angemessen beurteilen, weil sie ihren besonderen literatur- und sozialgeschichtlichen Voraussetzungen nicht gerecht werden. (vgl. ebd.) So macht es eben wenig Sinn, den Meistersang "als geistig unerheblich" und "moralisierend" (Beutin 1989, S.69) abzutun und "im Vergleich zum Minnesang, von dem er formgeschichtlich herkommt – als künstlerisch wertlos", als "bloßes Verfallsprodukt" (ebd.) abzuwerten. So wundert es auch nicht, dass "kein einziges Beispiel des Meistersangs zum Vorrat älterer deutscher Literatur, soweit sie heute zumindest als Bildungsgut einiger Aufmerksamkeit sicher ist." (ebd.) Dass selbst  »Hans Sachs (1494–1576) , der bedeutendste Meistersänger, bestenfalls als Fastnachtspieldichter im kulturellen Gedächtnis verankert zu sein scheint, spricht dafür Bände.

Wer die besonderen literatur- und sozialgeschichtlichen Voraussetzungen ernsthaft berücksichtigt, stellt hingegen schnell fest, das dem kollektiven Kunstschaffen, das der Meistersang repräsentierte, "eine Auffassung vom Wesen künstlerischer Leistung zugrunde(lag), die gemessen an der Norm, die seit der klassischen Literaturperiode zur Geltung kam, völlig andersartig ist: Gefordert war keineswegs das Ringen um die »geniale Dichtung«, den Ausdruck höchstentwickelter Individualität. einmaligen Schöpfertum, sondern das Streben nach dichterischer Gestaltung, die einem für alle Kunstgenossen, die »Meister« gültigen Regelkatalog vollendet entsprach. Meisterlieder gingen aus einer Gemeinschaft hervor, der »Singschule«, und sie dienten der Belehrung und Unterhaltung eben dieser Gemeinschaft sowie des größeren Ganzen, der Stadt." (ebd., 69f.)

1770 wurde die Singschule von Nürnberg, ihre Pendants in Ulm und Memmingen 50 bis 100 Jahre später aufgelöst. 1872 war mit der Vereinigung von Meistersingern in Memmingen endgültig Schluss, dem Ort, an dem, auch der letzte aktive Meistersinger 1922 verstarb.

In gewisser Weise führten die später entstandenen Männergesangvereine die Tradition der Meistersinger fort.

Die Abkehr von der "Stümperei": Das Sprach- und Literaturreformprojekt der gelehrten Humanisten

Für die vorwiegend protestantischen Humanisten, die im 17. Jahrhundert mit ihrer ▪ Sprach- und Literaturreform "die deutsche Sprache im humanistische(n) Sinne literaturtauglich" (Meid 2008, S.5) machen wollten, hatten ganz und gar nichts übrig für den Meistergesang.

Für ▪ Martin Opitz (1597-1639), dem wohl bedeutendsten Vertreter, war »Hans Sachs (1494–1576) kaum mehr als ein "geistloser Vielschreiber" (Meid 1982, S.10) und der Meistergesang ein "Musterbeispiel dichterischer Rückständigkeit und Stümperei": "In der Verachtung des Meistergesangs drückt sich zugleich ein sozialer Sachverhalt aus: Eine geistige Elite, die sich weitgehend mit der fürstlich-höfischen Kultur identifizierte und in ihrem Bereich Aufstiegschancen suchte (und fand), distanzierte sich bewusst von den Kunstübungen einer niedrig eingestuften Gruppe von kleinbürgerlichen Handwerkerdichtern." (ebd., S.11)

Das Straßburger Münster und seine Wahrnehmungsgeschichte seit der Frühen Neuzeit - Überblick
Von Straßburg der Vralten Statt - Anonymer Verfasser (Einblattdruck, 1572)

Adam Puschmann (1571) Ein ander kurze Beschreibung des Schönen Minsters zu Straßburg
Martin Opitz (1597-1639): "Sonettt über den Thurn zu Straßburg"

Kunstdichtung, neulateinische Dichtung und Popularliteratur im Barock

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 03.09.2023

   
   Arbeitsanregungen:
  1. Arbeiten Sie die gesellschaftlichen Voraussetzungen des Meistergesanges heraus.
  2. Welche sprachlich-rhetorischen Formen zeichnen die sogenannten Meisterlieder aus?
  3. Worauf beruht die Kritik der gelehrten Humanisten am Meistergesang?
  4. Erläutern Sie das Programm der "neuen Kunstdichtung" der protestantischen gelehrten Humanisten.
 
 
 

 
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