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Das
Thema Liebeslyrik hat viele Facetten, zumal
das Gefühl, jemanden oder etwas zu lieben oder geliebt zu werden, zu den
Grundbedingungen menschlicher Existenz als sozialem Wesen gehört. Die
Entwicklung, welche die Liebe in ihrem Verlauf nimmt, ist dabei ebenso eine
Grunderfahrung von Liebenden wie die Emotionen, die beim Lieben
hervorgerufen werden. Und Liebe macht auch blind, wie eine Redensart
formuliert, auch wenn dies nicht für alle Phasen der Liebe gleichermaßen
gelten mag. Denn wohl nur "im Hochgefühl der Liebe erscheint der Partner als
ein ganz besonderes Wesen" und "nichts und niemand kann uns in solch
euphorische Stimmung versetzen wie er oder sie, wenn wir verliebt sind." (Klein
2002, S.164ff.)
Die Geschichte der deutschen Liebeslyrik hat in allen →Literaturepochen
ihren Niederschlag gefunden und "ist fast identisch mit der Geschichte der
deutschen Lyrik, gibt es doch kaum ein anderes Thema, das ein ähnliches
Gewicht gewonnen und das so viele und verschiedene Dichter inspiriert
hätte." (Wagener
2006, S.433) In den verschiedenen Literaturepochen ist dazu immer wieder
ein "Spannungsverhältnis zwischen epochenbedingter Norm und Subjektivität
des Dichters" (ebd.)
zu beobachten. Und wie (Wagener
2006, S.433) weiter betont, hat auch das Dokumentarische, die in den
Gedichten gespiegelte gesellschaftliche Wirklichkeit, ihren Platz bei der
heutigen Rezeption von Liebesgedichten aus verschiedenen Epochen. An ihnen
lasse sich der historische Wandel der Geschlechterbeziehungen ablesen. Dies
gelte selbst dann, wenn "Liebesgedichte nicht immer Ausdruck von
Wirklichkeit" darstellten. Allerdings bezeugten "ihre Projektion von
Wunschdenken, Idealen, Utopien (...) in ihrer Subjektivität das
Selbstverständnis einer Epoche oft eindeutiger als viele, scheinbar
objektivere Dokumente."
Auch wenn hinter dieser Auffassung wohl eine aus der besonders stark
subjektiv geprägten Ausdrucksfunktion der Liebeslyrik herrührende
Überbewertung der historischen "Authentizität" steht, macht die
unterrichtliche Behandlung des Themas auch die Suche danach aus didaktischen
Gründen besonders wertvoll. Die in den den Liebesgedichten gestalteten
Antworten können somit auch zur Folie für die Beurteilung zeitgenössischer
Liebeskonzepte werden, um eigene Liebes- und Lebensentwürfe zu gestalten. So
kann auch Liebeslyrik, so schwierig sich der Zugang für etliche Schülerinnen
und Schüler auch aus mannigfachen Gründen gestalten mag, dazu beitragen,
Orientierung "im ganz normalen Chaos der Liebe" (Beck-Gernsheim
1994) zu geben.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
29.09.2013 |
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