Parabeln lassen sich in die beiden ▪
Typen: ▪ Traditionelle
(didaktische) Parabeln und ▪
moderne Parabeln einteilen.
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Im Literaturunterricht werden diese
literarischen Formen "uneigentlichen Sprechens" aus
entwicklungspyschologischen Gründen gewöhnlich
erst Ende der Sekundarstufe I und im Anschluss daran in der
Sekundarstufe II behandelt. Die ▪
Fabel, ebenfalls eine solche Form, wird hingegen schon früher
gelesen. Und: Zumindest im
christlichen Religionsunterricht werden auch biblische ▪
Gleichnisse schon in allen
Jahrgängen der Sekundarstufe I behandelt.
Ohne dass dies als
allgemeinverbindliche Progression anzusehen ist, kann davon ausgegangen
werden, dass traditionelle didaktische Parabeln gewöhnlich vor den modernen
Gegenstand des Literaturunterrichts werden.
Wenn Schülerinnen und
Schüler also gewöhnlich mit modernen Parabeln Bekanntschaft machen, haben
sie schon Erfahrungen mit verschiedenen Formen von "Uneigentlichkeit"
in literarischen Texten Bekanntschaft gemacht, vielleicht auch die eine oder
andere traditionelle didaktische Parabel behandelt.
Leseerfahrungen dieser Art
und das dabei generierte Wissen über solche Texte kann und wird also dann in
das Lesen und Verstehen moderner Parabeln als Vorwissen einfließen und ggf.
als ▪ Schema für die Kohärenzbildung und die
▪ Sinnkonstruktion der modernen
Parabeln verwendet. Da dies aber nur bedingt gelingen kann, erzeugt die
dabei entstehende »kognitive
Dissonanz, auch schnell Unlustgefühle, die sich der weiteren,
intensiven Beschäftigung mit
derart sperrigen, ▪ "fremden" und z. T.
verstörend wirkenden Texten entgegenstemmen.
Traditionelle didaktische Parabeln als "Negativfolie" für die
modernen Parabeln nutzen
In der schulischen Praxis wird die ▪
traditionelle Parabel meist als eine Negativfolie
für die ▪
moderne Parabel verwendet. Dies macht durchaus
Sinn und entspricht auch gängiger literaturwissenschaftlicher Praxis, die
distinktive Merkmale zwischen beiden Typen über diesen Vergleich deutlich
machen will.
Dabei ist es natürlich am besten, wenn zumindest beim Erwerb
entsprechenden Gattungswissens von der Schülerinnen und Schülern der
Vergleich an ausgewählten Exemplaren oder Prototypen für beide Parabeltypen
weitgehend eigenständig und nicht mit vorgegebenen Merkmalllisten
durchgeführt wird. Dennoch können selbst generierte Vergleichsmerkmale in
einem späteren Schritt auch mit solchen Listen abgeglichen werden.
In jedem Fall ist zu betonen, sind die
Grenzen zwischen beiden Parabeltypen nicht immer klar zu ziehen, wenngleich
das maßgebliche Differenzkriterium der vorhandenen oder fehlenden
didaktischen Funktion oft eine relativ verlässliche Orientierung gibt, wenn
man sie im Kontext anderer Merkmalsaspekte sehen kann.
Traditionelle Parabel |
Moderne Parabel |
-
klare
didaktische Funktion
-
zielt
darauf, eine universell gültige Lehre zu vermitteln
-
Doppelstruktur von Bild- und Sachbereich
("Brückenschlag" durch Analogieschluss)
-
Explizite Transfersignale, die deutlich von der Erzählebene
z. B. durch einen Tempuswechsel abgehoben sind, beinhalten die
Aufforderung zur globalen Bedeutungsänderung in einer bestimmten
Richtung
|
-
ohne
didaktische Funktion
-
will
keine Lehre vermitteln
-
löst den
engen ▪
Verweisungszusammenhang von Bildbereich und Sachbereich
zusehends auf
-
im
Allgemeinen keine
expliziten Transfersignale (= ausdrücklich
vorgebrachte Vergleichsaufforderungen) welche die
"Uneigentlichkeit" des Textes signalisieren und eine
Transferrichtung verdeutlichen, sondern allenfalls ein
Komplex gleichgerichteter
impliziter Transfersignale
-
nicht auf
eine einzige Bedeutung oder einen einzigen
Bedeutungsrahmen festzulegen
-
kein
Sinnversprechen, das der Leser durch seine
Sinnkonstruktion einlösen soll
-
liefert
kein in sich geschlossenes, konsistentes Weltbild,
sondern eine von Tradition und Ideologie geprägte Welt
in Auslösung und Widersprüchen
-
statt
hierarchischer Leser-Schüler-Kommunikation: Leser als
Partner des Erzählers, der den Bildbereich oder einzelne
seiner Elemente in dem vom Text eröffneten prinzipiell
sehr weiten Bedeutungsrahmen mit seiner Sinnkonstruktion
eigenständig weiter- und zu Ende führt
-
großer
Freiraum des Lesers bei der Sinnkonstruktion; zugleich
aber auch oft ▪ Erfahrung einer
nicht auflösbaren Fremdheit (▪
alltägliche, ▪
strukturelle
und ▪ radikale Fremdheit)
des Textes, die irritierend oder verstörend wirken kann
(besonders bei
absurden Parabeln)
Musterbeispiele (Prototyp):
Parabeln von
Franz Kafka (1883-1924), z. B.
Gibs auf, Der Schlag ans Hoftor etc.
andere Beispiele: ▪
Franz Kafkas (1883-1924)
▪
Parabeln: ▪
Der Aufbruch, ▪
Der Schlag ans Hoftor, ▪
Gibs auf, ▪
Heimkehr etc.; »Pär
Lagerkvists (1881-1974) ▪
Der Tod eines Helden oder ▪
Das machte nichts; ▪
Robert Musils (1880-1942)
▪
Das Fliegenpapier oder ▪
Die Affeninsel
- vgl.
Parabel,
traditionelle Parabel,
absurde
Parabel,
biblische Parabel,
didaktische Parabel,
verrätselte Parabel,
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
27.03.2024
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