"Gleichnisse sind von großem Werte, sofern sie ein
unbekanntes Verhältnis auf ein bekanntes zurückführen. Auch die
ausführlicheren
Gleichnisse, welche zur Parabel oder Allegorie
anwachsen, sind nur Zurückführung irgendeines Verhältnisses auf
seine einfachste, anschaulichste und handgreiflichste Darstellung. –
Sogar
beruht alle Begriffsbildung im Grunde auf Gleichnissen, sofern
sie aus dem Auffassen des Ähnlichen und Fallenlassen des Unähnlichen
in den Dingen erwächst. Ferner besteht
jedes eigentliche Verstehn
zuletzt in einem Auffassen von Verhältnissen (un saisir de rapports):
man wird aber jedes Verhältnis um so deutlicher und reiner
auffassen, als man es in weit von einander verschiedenen Fällen und
zwischen ganz heterogenen Dingen als dasselbe wiedererkennt. Solange
nämlich ein Verhältnis
mir nur als in einem einzigen Falle vorhanden
bekannt ist, habe ich von demselben bloß eine individuelle, also
eigentlich nur noch anschauliche Erkenntnis: sobald ich aber
auch
nur in zwei verschiedenen Fällen dasselbe Verhältnis auffasse, habe
ich einen Begriff von der ganz anderen Art
desselben,
also eine tiefere und vollkommenere Erkenntnis.
Eben weil Gleichnisse ein so mächtiger Hebel für die Erkenntnis
sind, zeugt das Aufstellen überraschender und dabei treffender
Gleichnisse von einem tiefen Verständnis."
(aus: Artur Schopenhauer, Sämtlicher Werke, zit. n.
Dithmar 1982, S.192f.)
docx-Download
-
pdf-Download
▪
Gleichnis
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
21.12.2023