In •
Fabeln
können grundsätzliche alle möglichen Dinge, Figuren und Wesen auftreten,
sofern sie der • globalen
Anthropomorphisierung, wie sie die
Textsorte
auszeichnet, unterworfen sind. In Tierfabeln sind es Tiere, die wie Menschen
agieren.
Der Wolf steht zwar als
Symbol für (Natur-)Gewalt,
Freiheit und Stärke, für das Böse, für Grausamkeit, Zügellosigkeit und
Wollust. Zugleich aber symbolisiert er aber auch Mütterlichkeit, was wohl
auf seine stark ausgeprägten Mutterinstinkte zurückzuführen ist. Die anderen
Eigenschaften werden ihm aber wohl wegen seinem aggressiven
Beutefangverhalten und seiner Maßlosigkeit dabei zugeschrieben, wohl aber
auch wegen des durchdringenden Wolfsgeheuls.
Als Symbol für (Natur-)Gewalt, Freiheit und Stärke
ist der Wolf schon in
der nordischen Mythologie bekannt, wo er, nachdem er Wotan zerrissen hat, mit seinem
Geheul den kommenden Weltuntergang ankündigt. Und auch in der
griechisch-römischen Antike steht "seine Wesensverwandtschaft mit dem
Abgründig-Bösen" ((Metzler
Lexikon literarischer Symbole 2008,
S.426) außer Frage und wird als Begleiter des Kriegsgottes Mars, z. B.,
direkt mit Krieg in Verbindung gebracht.
Doch im Bösen geht das
Symbol des Wolfes nicht vollständig auf. So steht er durchaus auch für
Mut und männliche Stärke und ist Namensgeber für deutsche Namen wie
Adolf (=edler Wolf), Rudolf (=berühmter Wolf) oder Wolfgang (=wie ein
Wolf gehend).
In •
Thomas
Hobbes (1588-1679) "Leviathan" mit seinem "bis heute als Inbild
pessimistischer Anthropologie" (Schneider 1995b,
S.393) geltenden Menschenbild hat auch der Wolf seinen Platz. Sein berühmter
Satz "Homo homini lupus" (= Der Mensch ist für den Menschen ein Wolf.")
macht seine Wolfsnatur zum Quell des Leviathan, des übermächtigen Staates,
der die Menschen vor dem Krieg aller gegen alle zu bewahren hat. "Denn nur
wenn er über diese Macht verfügt, wenn er Oberbefehl und
Steuerbewilligungsrecht, exekutive, legislative und judikative Gewalt
ungeteilt in seinen Händen hält, ist er in der Lage, den menschlichen Wolf
zu zähmen und den inneren Frieden zu verteidigen."
(Opitz 1977, S.687)
»Hans
Falladas (1893-1947) Roman
"Wolf unter Wölfen" (1937) nimmt das Motiv des "Homo homini lupus" auf
seine Weise wieder auf, wenn er in seinem Roman die weit verbreitete
Skrupellosigkeit der Nachkriegs- und Schieberwelt in der →Weimarer
Republik im
Inflationsjahr 1923 darstellt. Bemerkenswert ist ferner, dass es schon
im 18. und im 19.
Jahrhundert auch zu einer Umdeutung ins Positive kommt und der Wolf oft auch
als Symbol für Freiheit steht. (vgl. →Friedrich von
Hagedorn: Der Wolf und der Hund)
Dennoch im Bild des »Werwolfs
bleibt die "innere Zerrissenheit zwischen gewalttätig-tierischen und
menschlichen Aspekten des menschlichen Individuums" erhalten (Metzler
Lexikon literarischer Symbole 2008, S.426), wie sie auch »Hermann
Hesse (1877-1962) in seinem Roman »"Der
Steppenwolf" (1927) erzählt hat.
Und auch heute hat dieses Bild noch
Bestand, wie die Figur des Werwolfs Remus Lupin in »Joanne
K Rowlings (*1965) »Harry-Potter-Romanen
(1997-2007) zeigt, dem seine Natur zwischen Tier und Mensch immer wieder
Probleme bereitet. Der früh ergraute Professor wird als Kind von Fenrir
Greyback, einem grausamen Werwolf, gebissen und verwandelt sich seitdem in
jeder Vollmondnacht unter großen Schmerzen in eine mordlüsterne Bestie.
(vgl.
Harry Potter Wiki)
In Fabeln symbolisiert der meist gewalttätige und grausame Wolf oft das
"sprichwörtl(ich) Böse" (ebd.), ohne immer Sieger in Auseinandersetzungen zu
sein. Nicht selten ist er auch der Dumme. Das Böse im Wolf zu sehen ist aber
auch christliche Tradition, wo das gläubige Lamm eben oft als vom bösen Wolf
bedroht gezeigt wird.
Dass man dem Wolf aber auch Zügellosigkeit und Wollust zugeschrieben hat,
liegt an einem alten, schon in der Antike und im Mittelalter bekannten
Aberglauben. wonach der Wolf an seinem Schwanz »ein kleines Liebesfell«
besitze, das er sich aus Furcht vor einer Gefangennahme ausreiße. Ihre
Wollust macht die Wölfin auch zum Symbol für Prostitution. Im Märchen
verkörpert der Wolf sexuelle Begierde.
Ganz im Gegensatz zu den Symbolen (Natur-)Gewalt, Freiheit und Stärke, des
Bösen, der Grausamkeit, der Zügellosigkeit und der Wollust, die dem Wolf
zugeschrieben werden, steht das Symbol der Mütterlichkeit, die im
weltbekannten Bild der säugenden Wölfin als Mutter(ersatz) für »Romulus und
Remus ihren besten Ausdruck gefunden hat. Das Motiv taucht auch später
wieder auf und hat auch in »Rudyard
Kiplings (1865-1936) »"Dschungelbuch"
(The Jungle Book 1894) Eingang gefunden, in dem Mogli von den Wölfen in
ihr Rudel aufgenommen und aufgezogen wird.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
21.12.2023