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Formen des Erzählerberichts - Erzählweisen (Lämmert)

Bericht

Ältere Erzähltheorie

 
FAChbereich Deutsch
 ● Glossar
Literatur:▪ Autorinnen und Autoren Gattungen Erzählende Texte Überblick Lesen erzählender Texte (Inferenzbildung und Situationsmodelle) Strukturen von Erzähltexten Strukturbegriffe der Erzähltextanalyse Überblick Auswahl (Zusammenstellungen wichtiger Strukturbegriffe) Darstellungsebene und Ebene des Dargestellten WIE WIRD ERZÄHLT? (Zeitgestaltung, Perspektiven, Darbietungsformen ...) ÜberblickModell der narrativen KommunikationZeitgestaltung Perspektiven beim Erzählen ▪ Darstellung von Ereignissen Darstellung von Rede und mentalen Vorgängen Überblick Darstellung gesprochener Worte Darstellung von Gedanken Erzählerbericht und Figurenrede (ältere Erzähltheorie) Überblick Kurzinfo Erzählerbericht i. w. S. Überblick [ Formen des Erzählerberichts (=Erzählweisen, Lämmert, 1955) Überblick Bericht Szenische Darstellung Beschreibungen Betrachtungen und Erörterungen  Sentenzen ] Showing und Telling Psycho-narration  Figuren-/Personenrede Wissensvermittlung und InformationsvergabeErzählen über das Erzählen Zuverlässigkeit und Unzuverlässigkeit des ErzählensStilmerkmale der Erzählung Bausteine WAS WIRD ERZÄHLT? (Handlung, erzählte Welt, Figur, Raum) Bausteine Formen erzählender Texte Dramatische Texte Lyrische Texte Literarische Zweckformen  ▪ Literaturgeschichte Motive der Literatur Grundlagen der Textanalyse und Interpretation Literaturunterricht Schreibformen ▪ Analyse und Interpretation von Erzähltexten in der Schule Operatoren im Fach Deutsch
  

Bericht als Erzählerbericht i. e. S. nach Lämmert (1955)

Die ▪ Erzählweise des Berichts (= Erzählerbericht i. e. S.)  zeichnet sich nach Lämmert (1955) durch drei Merkmale aus:

  • Mittelbarkeit des Erzählens

  • seine Funktion für das Erzählen

  • Redebericht

Beispiele 
1. »Theodor Fontane (1819-1898): Unterm Birnbaum (Beginn der Novelle)

"Vor dem in dem großen und reichen Oderbruchdorfe Tschechin um Michaeli 1820 eröffneten Gasthaus und Materialwarengeschäft von Abel Hradscheck (so stand auf einem über der Tür angebrachten Schilde) wurden Säcke vom Hausflur her auf einen mit zwei mageren Schimmeln bespannten Bauernwagen geladen. Einige von den Säcken waren nicht gut gebunden oder hatten kleine Löcher und Ritzen, und so sah man denn an dem, was herausfiel, dass es Rapssäcke waren. Auf der Straße neben dem Wagen aber stand Abel Hradscheck selbst und sagte zu dem eben vom Rad her auf die Deichsel steigenden Knecht: "Und nun vorwärts, Jakob, und grüße mir Ölmüller Quaas. Und sag ihm, bis Ende der Woche müsste ich das Öl haben, Leist in Wrietzen warte schon. Und wenn Quaas nicht da ist, so bestelle der Frau meinen Gruß und sei hübsch manierlich. Du weißt ja Bescheid und weißt auch, Kätzchen hält auf Komplimente."
Der als Jakob Angeredete nickte nur statt aller Antwort, setzte sich auf den vordersten Rapssack und trieb beide Schimmel mit einem schläfrigen "Hüh!" an, wenn überhaupt vom Antreiben die Rede sein konnte. Und nun klapperte der Wagen nach rechts hin den Fahrweg hinunter, erst auf das Orthsche Gehöft samt seiner Windmühle (womit das Dorf nach der Frankfurter Seite hin abschloss) und dann auf die weiter draußen am Oderbruchdamm gelegene Ölmühle zu. Hradscheck sah dem Wagen nach, bis er verschwunden war, und trat nun erst in den Hausflur zurück.

(aus: Theodor Fontane, Unterm Birnbaum, Husum: Hamburger Lesehefte Verlag Nr.154, S.3ff.)

2. »Thomas Mann (1875-1955): »Lotte in Weimar (1939)

"Hastig stopfte Charlotte ihr Schnupftüchlein in den Beutel. Sie blinzelte geschwinde und schnob in raschem und leichtem Schuchzen einwärts mit ihrem geröteten Näschen. Sie liquidierte auf diese Weise den durch des Kellners Erscheinen aufgehobenen Zustand. Die Mienen, die sie dazu machte, gehörte dem neuen an: es war eine ungehaltene Miene." ( aus: 32. Aufl., Frankfurt/M.: Fischer Taschenbuch 1999, S.112)

3. »Gustave Flaubert (1821-1880): »Madame Bovary (Roman, 1856)

"Eine Menge Menschen umlagerte die Eingänge. Überall an den Ecken der in der Nähe gelegenen Straßen prangten riesige Plakate, die in auffälligen Lettern ausschrien:

LUCIA VON LAMMERMOOR … OPER … DONIZETTI … GASTSPIEL … LAGARDY …

Gustave FlaubertEs war ein schöner, aber heißer Tag. Der Schweiß rann den Leuten über die Stirn, und sie fächelten ihren erhitzten Gesichtern mit den Taschentüchern Kühlung zu. Hin und wieder wehte lauer Wind vom Strome her und blähte ein wenig die Leinwandmarkisen der Restaurants. Weiter unten, an den Kais, wurde man durch einen eisigen Luftzug abgekühlt, in den sich Gerüche von Talg, Leder und Öl aus den zahlreichen dunklen, vom Rollen der großen Fässer lärmigen Gewölben der Karren-Gasse mischten.
Aus Furcht, sich lächerlich zu machen, schlug Frau Bovary vor, noch nicht in das Theater hineinzugehen und erst einen Spaziergang durch die Hafenpromenaden zu machen. Dabei hielt Karl die Eintrittskarten, die er in der Hosentasche trug, vorsichtig mit seinen Fingern fest und drückte sie gegen die Bauchwand, so daß er sie in einem fort fühlte.
In der Vorhalle bekam Emma Herzklopfen. Als sie wahrnahm, daß sich der Menschenschwall die Nebentreppen nach den Galerien hinaufschob, während sie selbst die breite Treppe zum ersten Range emporschreiten durfte, lächelte sie unwillkürlich vor Eitelkeit. Es gewährte ihr ein kindliches Vergnügen, die breiten vergoldeten Türen mit der Hand aufzustoßen. In vollen Zügen atmete sie den Staubgeruch der Gänge ein, und als sie in ihrer Loge saß, machte sie sichs mit einer Ungezwungenheit einer Principessa bequem.
Das Haus füllte sich allmählich. Die Operngläser kamen aus ihren Futteralen. Die Stammsitzinhaber nickten sich aus der Entfernung zu. Sie wollten sich hier im Reiche der Kunst von der Unrast ihres Krämerlebens erholen, doch sie vergaßen die Geschäfte nicht, sondern redeten noch immer von Baumwolle, Fusel und Indigo. Das waren Grauköpfe mit friedfertigen Alltagsgesichtern; weiß in der Farbe von Haar und Haut, glichen sie einander wie abgegriffene Silbermünzen. Im Parkett paradierten die jungen Modenarren mit knallroten und grasgrünen Krawatten. Frau Bovary bewunderte sie von oben, wie sie sich mit gelbbehandschuhten Händen auf die goldenen Knäufe ihrer Stöcke stützten. Jetzt wurden die Orchesterlampen angezündet, und der Kronleuchter ward von der Decke herabgelassen. Sein in den Glasprismen widerglitzerndes Lichtmeer brachte frohe Stimmung in die Menschen. Dann erschienen die Musiker, einer nach dem andern, und nun hub ein wirres Getöse an von brummenden Kontrabässen, kratzenden Violinen, fauchenden Klarinetten und winselnden Flöten. Endlich drei kurze Schläge mit dem Taktstocke des Kapellmeisters. Paukenwirbel, Hörnerklang. Der Vorhang hob sich."

(15. Kapitel, Quelle: Projekt Gutenberg, Übersetzer: Arthur Schurig, Insel-Verlag Leipzig)

Fluktuieren von (Erzähler-)Bericht und erlebter Rede

In modernen Erzähltexten kommt es immer wieder zum Fluktuieren zwischen personalem oder neutral gehaltenem  (Erzähler-)Bericht und erlebter Rede.

Franz Kafka (1883-1924) macht in seinem Roman "Der Prozess" ausgiebig davon Gebrauch. Dabei etabliert die erlebte Rede die personale Monoperspektive der Figur über den ganzen Text hinweg (vgl. Vogt 1990, S.166-174).

[→HL 5] Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet. Die Köchin der Frau Grubach, seiner Zimmervermieterin, die ihm jeden Tag gegen acht Uhr früh das Frühstück brachte, kam diesmal nicht. Das war noch niemals geschehen. K. wartete noch ein Weilchen, sah von seinem Kopfkissen aus die alte Frau, die ihm gegenüber wohnte und die ihn mit einer an ihr ganz ungewöhnlichen Neugierde beobachtete, dann aber, gleichzeitig befremdet und hungrig, läutete er. Sofort klopfte es und ein Mann, den er in dieser Wohnung noch niemals gesehen hatte, trat ein. Er war schlank und doch fest gebaut, er trug ein anliegendes schwarzes Kleid, das, ähnlich den Reiseanzügen, mit verschiedenen Falten, Taschen, Schnallen, Knöpfen und einem Gürtel versehen war und infolgedessen, ohne dass man sich darüber klar wurde, wozu es dienen sollte, besonders praktisch erschien. »Wer sind Sie?« fragte K. und saß gleich halb aufrecht im Bett. Der Mann aber ging über die Frage hinweg, als müsse man seine Erscheinung hinnehmen, und sagte bloß seinerseits: »Sie haben geläutet?« »Anna soll mir das Frühstück bringen«, sagte K. und versuchte, zunächst stillschweigend, durch Aufmerksamkeit und Überlegung festzustellen, wer der Mann eigentlich war. Aber dieser setzte sich nicht allzu lange seinen Blicken aus, sondern wandte sich zur Tür, die er ein wenig öffnete, um jemandem, der offenbar knapp hinter der Tür stand, zu sagen: »Er will, dass Anna ihm das Frühstück bringt.« Ein kleines Gelächter im Nebenzimmer folgte, es war nach dem Klang nicht sicher, ob nicht mehrere Personen daran beteiligt waren. Obwohl der fremde Mann dadurch nichts erfahren haben konnte, was er nicht schon früher gewusst hätte, sagte er nun doch zu K. im Tone einer Meldung: »Es ist unmöglich.« »Das wäre neu«, sagte K., sprang aus dem Bett und zog rasch seine Hosen an. »Ich will doch sehen, was für Leute im Nebenzimmer sind und wie Frau Grubach diese Störung mir gegenüber verantworten wird.« Es fiel ihm zwar gleich ein, dass er das nicht hätte laut sagen müssen und dass er dadurch gewissermaßen ein Beaufsichtigungsrecht des Fremden anerkannte, aber es schien ihm jetzt nicht wichtig. [...]"

Darbietungsformen in Kafkas Roman "Der Prozess" erkennen Lösungsvorschlag

Weitere Formen des Erzählerberichts nach Lämmert

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 19.12.2023

   
 

 
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