Bühnenanweisungen haben
ihre eigene Geschichte
Historisch gesehen sind
▪ Bühnenanweisungen
(auch: Regiebemerkungen oder Inszenierungsanweisungen genannt) in dramatischen Texten vor 1750
nur selten zu finden. Das erklärt sich daraus, dass die Bühne bis dahin
vornehmlich "eine Stätte rhetorischer Deklamation" (Asmuth
52004, S.51) war, die angesichts der begrenzten Möglichkeiten
bei der Inszenierung auf das Hervorbringen von "Wortkulissen"
angewiesen war. So wurde eben, wie im Falle von
Gottthold
Ephraim Lessings (1729-1781) »Miss
Sara Sampson im gleichnamigen Stück, das eigene Sterben eben auch verbal
vorgeführt ("Mein Auge bricht - Dies war der letzte Seufzer!", V,10). Der Bedeutungswandel, den Bühnenanweisungen im Verlauf der Zeit erfuhren,
hängt auch mit Aspekten zusammen, die auf den ersten Blick nur wenig mit
diesen besonderen "Textschichten" (Pfister
1977, S.35) eines Dramas zu tun haben scheinen. Doch lohnt sich
gerade darauf ein kurzer Blick.
Bühnenanweisungen vom
Mittelalter bis zur Aufklärung
Im Mittelalter bis hin zum Drama
im Barock
folgte man nämlich panlogistischen Überzeugungen. Sie verstanden die ganze
Schöpfung als Buch Gottes wie eine Art sprachliches Zeichensystem, das auch
nur mit sprachlichen Mitteln allein bewundert werden konnte.
Erst seit dem
18. Jahrhundert, im Zeitalter der ▪
Aufklärung, gewann man die Überzeugung, dass insbesondere Gefühle im
Sprechen allein nur schwer oder nur unzureichend zum Ausdruck gebracht
werden können.
Gefühle und der ganze Gefühlshaushalt eines Menschen wurde
fortan als etwas erheblich Komplexeres und Komplizierteres betrachtet. Und
das hatte auch Auswirkungen auf das theatralische Spiel von Schauspielern
auf der Bühne, deren wortgewaltig deklamatorischer Vortrag bei dem
vielschichtiger werdenden darstellenden Spiel nicht mehr ausreichte, um
inneres und äußeres Handeln der Figuren zu verkörpern.
Denn, wo bis
dahin eindeutig festgelegte und voneinander abgegrenzte Affekte angenommen
und auf der Bühne ausgesprochen wurden, spielten nunmehr "vermischte
Empfindungen" die entscheidende Rolle, die als komplexe Gemütsregungen in
Artikulation und mimisch-gestische Spiel der Schauspieler Eingang finden
sollten.
Seitenlange
Bühnenanweisungen im naturalistischen Drama
Im
▪
naturalistischen Drama (1880-1910)
lassen sich, wie z. B. bei den Dramen
»Gerhart
Hauptmanns (1862-1946), die mitunter seitenlangen Bühnenanweisungen
häufig im Ganzen nicht mehr in Bühnengeschehen übersetzen.
Ein deutliches
Beispiel dafür ist sein Drama
"Die Weber" (1893/94), bei dessen breit angelegten Bühnenanweisungen,
insbesondere am Beginn der Akte, "breite Orts-, Personen- und
Verhaltensbeschreibungen" vorkommen, "die ein gleichbleibend bedrückendes,
die Handlung determinierendes Milieu möglichst exakt umreißen wollen." (Asmuth
52004, S.52)
Nichtzuletzt steht hinter der Ausuferung der
Bühnenanweisungen im Sinne ▪
auktorialer
Episierung aber wohl auch "ein ausgeprägtes Misstrauen der Bühne, der
Regie und den Schauspielern gegenüber" (Pfister
1977, S.36), deren Interpretationsspielraum damit deutlich
eingegrenzt wird. ▪ Regietheater im modernen Sinn, in dem dem Regisseur völlig
freie Hand gegeben scheint, mit dem dramatischen Text nach eigenem Gutdünken
zu verfahren, ist jedenfalls nicht Intention derartiger Bühnenanweisungen.
Textschichten für Bühnenanweisungen
Bühnenanweisungen
werden überwiegend im
▪ Nebentext eines Dramas gegeben, kommen aber auch in der
▪ dramatischen Rede und damit also
auch im
Haupttext selbst vor.
Bühnenanweisungen werden auch Regiebemerkungen oder
Inszenierungsanweisungen genannt. Unabhängig davon, ob ihnen im
Einzelfall auch ein literarischer Eigenwert bei der rein lesenden Rezeption
eines Dramentextes zukommt oder zukommen kann, werden die Bühnenanweisungen
hier im Kontext der Inszenierung eines dramatischen Textes betrachtet.
Die "eigentlichen" Bühnenanweisungen werden abgehoben von kontext- oder
schauspielerbezogenen Instruktionen, die in den Repliken der Figuren, in die
▪ dramatische Rede i. e. S. (Haupttext), eingefügt sind. In solchen Fällen sagt eine
Figur etwas, das z. B. das Verhalten einer anderen Figur festlegt.
Bühnenanweisungen dieser Art werden ▪
implizite Bühnenanweisungen
genannt.

Bühnenanweisungen sind im Allgemeinen
typografisch durch Kursivschreibung vom Haupttext abgehoben oder
werden gelegentlich auch durch Klammern von diesem abgetrennt. Solche
Bühnenanweisungen werden ▪
explizite Bühnenanweisungen
genannt.
Der
▪ Nebentext eines
▪ Dramas
umfasst jene "Textschichten" (Pfister
1977, S.35) eines dramatischen Textes, die, meistens auch
▪
typografisch vom
▪ Haupttext
abgehoben, auf der Bühne nicht gesprochen werden, aber dessen ungeachtet
wichtige Bedeutung für die Inszenierung besitzen.
Zu diesem Nebentext zählen auch die Bühnenanweisungen.
Die
▪ Bühnenanweisungen,
die sich im auktorialen Nebentext finden,
-
stehen entweder als eigenständige Textteile nach
▪ Akt- und Szenenmarkierungen
oder finden sich direkt im Anschluss an die
▪ Sprechermarkierung, die in die dramatische Rede eines Sprechers
eingebettet oder an dessen Ende steht.
-
sind im Allgemeinen
▪
typografisch (oft durch
Kursivschreibung) vom
▪ Haupttext abgehoben oder werden gelegentlich auch
durch Klammern von diesem abgetrennt.
-
können je nach Autor bzw. Vorlieben und Konzepten bestimmter
▪
Literaturepochen Quelle einer kommentierenden
Aufmerksamkeitssteuerung des Autors ▪ (auktoriale
Episierung) sein.
Zunächst einmal kann man Bühnenanweisungen unterscheiden nach
schauspielerbezogenen Anweisungen und Instruktionen, die sich auf den
optisch-akustischen Kontext einer Inszenierung beziehen. (vgl.
Pfister 1977, S.36) Ihre Gegenstände sind im Prinzip alle
Codes und Kanäle, die bei der dramatischen
Kommunikation Verwendung finden. (→Plurimedialität
des dramatischen Textes) Das schließt auch neuere
bühnentechnische Entwicklungen mit ein, die hier im Einzelnen nicht weiter
klassifiziert werden können.
Kontextbezogene Bühnenanweisungen |
Schauspielerbezogene Bühnenanweisungen |
Instruktionen zu
-
Bühnenbild
-
Requisiten
-
Beleuchtung,
Lichteffekte
-
Musik
-
Geräusche
-
besondere
Effekte: Vernebelung, Projektionen von Bilder oder Videos
etc.
-
Einsatz der
Bühnenmaschinerie
-
Akt- und
Szenenwechsel
-
Schauplatzwechsel
bei offener Bühne
|
Instruktionen zu
|
By Gert Egle - www.teachsam.de - lizenziert unter
CC-BY-SA 4.0 International license
Gert Egle. zuletzt bearbeitet am:
26.05.2021
|