Lehre von den drei Einheiten

Überblick


Die so genannte Lehre von den drei Einheiten, auch Drei-Einheiten-Lehre oder nach ihrem vermeintlichen Begründer Aristoteles (384-322 v. Chr.), auch Aristotelische Einheiten genannt, bestimmte im 17. und 18. Jahrhundert für eine längere Zeit die Gestaltung von anspruchsvollen dramatischen Texten in Frankreich und Deutschland. Ihre Anwendung findet sich bei Dramen der geschlossenen Form.

»Aristoteles (384-322 v. Chr.) war es, der im 8. Kapitel seiner »Poetik auf den Weg gebracht hat, was 1570 von »Ludovico Castelvetro (1505-1571), einem Missverständnis folgend, zu der Drei-Einheiten-Regel geführt hat. Aristoteles, der in der Dramenhandlung eines Anreihung zahlreicher Episoden aus dem Leben eines Helden definiert, stellt dabei die Forderung auf, dass die Handlung "wahrscheinlich" bzw. "notwendig" wirken muss. Seine Forderung zielt dabei jedoch nicht auf "Wirklichkeitsgemäßheit oder Möglichkeit, sondern auf innere Schlüssigkeit" (Asmuth 62004, S.149)
Das mimetische Prinzip, die künstlerische Nachahmung der Wirklichkeit, wie sie Aristoteles fordert, muss also den Anforderungen der Wahrscheinlichkeit genügen. Damit dies gelingen kann, muss die Handlung (die Fabel bzw. der  Plot eines Mythos) nach Aristoteles so geartet sein, dass sich die um einen Helden herum entwickelnde Handlung ohne jede Abschweifung und ohne Nebenschauplätze als eine geschlossene Einheit verstehen lässt. In dieser darf kein Element überflüssig sein. Jedes Element muss für die Handlung, das Geschehen funktional zwingend notwendig sein. Die Einheit der Handlung ist damit, etwas verkürzt ausgedrückt, die Forderung nach Geschlossenheit und Konzentration der dramatischen Handlung.
Neben der Einheit der Handlung äußert sich Aristoteles auch zur Einheit der Zeit, die bei der Tragödie nur etwa einen Tagesablauf umfassen solle.
Lange noch bevor sich in Deutschland jemand ernsthaft mit solchen Fragen befasste, kam es in Italien zu einer Auseinandersetzung über die poetischen Auffassungen von Aristoteles, wobei immer wieder Wahrheit und Wahrscheinlichkeit der Dichtung und die Umsetzung des geforderten mimetischen Prinzips die Szene beherrschte. In dieser Debatte setzte Ludovico Castelvetro (1505-1571), der die "Poetik" des Aristoteles übersetzt hatte, mit seinem Ruf nach einer weiteren Einheit, der Einheit des Orts, die eigentliche Lehre von den drei Einheiten durch. Seiner Lehre folgten die wichtigsten Dichter der französischen Klassik wie »Pierre Corneille (1605-1684) und  »Jean Racine (1639-1699) aufgestellt hatten.
In Deutschland war es erstmals »Martin Opitz (1597-1639), der im 17. Jahrhundert eine klassizistisch ausgerichtete Regelpoetik (»Buch von der Deutschen Poeterey 1624) entwarf. »Johann Christoph Gottsched (1700-1766) verschaffte aber wohl erst mit seinem "Versuch einer critischen Dichtkunst vor die Deutschen, Leipzig 1730" den französischen Vorbildern und damit der Umsetzung der Normen des klassizistischen Regeldramas in Deutschland richtig Gehör, das sich bis Lessing (1729-1781) mit seinen drei Einheiten, aber auch weiteren Formkonventionen, vom Programm der Wanderbühnen abzuheben, bemühte.
Mit »Johann Gottfried Herder (1744-1803) und der Dramaturgie der Literaturepoche des Sturm und Drang (1760-1785) , nun orientiert am Vorbild »William Shakespeares (1564-1616), dessen Dramen solche normativen Grenzen nicht kennen,  geht der Einfluss der Regelpoetik in Deutschland zurück.
Neben dramentheoretischen spielen aber auch bühnenpraktische Gründe eine entscheidende Rolle für die Durchsetzung der Lehre von den drei Einheiten. Bei der Einheit des Orts ist dies am leichtesten nachzuvollziehen. Im antiken Drama war der Chor schließlich ständig auf der Bühne und auf der Bühne eines Barocktheaters, das von »Proszenium, »Sofitten und einschiebbaren Kulissen abgegrenzt war, ließen sich keine schnellen Dekorationswechsel und damit Ortswechsel durchführen.

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 19.12.2023

       
    
   Arbeitsanregungen:
  1. Untersuchen Sie, ob das von Ihnen behandelte Drama der Lehre von den drei Einheiten folgt.
  2. Zeigen Sie, welche Absichten bei der Komposition verfolgt werden.