Die Tragödie
als Kunstform ist ▪ in der griechischen Antike entstanden
und und wurde in späterer Zeit
immer wieder verändert. Vielen gilt und galt sie als die "höchste"
(dramatische)
Gattung
schlechthin.
Die Tragödie lebt von der Spannung, die menschlichem Handeln zugrunde
liegt. Denn wer etwas unternimmt, wählt immer aus einer kleineren oder
größeren Anzahl von Möglichkeiten aus, was er tut. Grundlage für das Handeln ist also
immer auch eine Entscheidung.
Diese Entscheidungen haben im
alltäglichen Handeln der Menschen natürlich auch Folgen, wovon
aber nur ein Teil tragisch sind. Tragisch ist, so sagen wir
in unserer Alltagskommunikation, der unvermutete Unfalltod eines
Menschen, tragisch ist auch der entscheidende verschossene
Strafstoß beim Elfmeterschießen im Fußball. Etwas
Schicksalhaftes liegt also darin - so jedenfalls wird es
wahrgenommen - mit immer weitreichenden Folgen.
Die Tragödie bringt das Schicksalhafte der menschlichen Existenz
zur Darstellung
In der Tragödie wird
das Schicksalhafte zur dramatischen Gestaltung
gebracht.
-
Ein
tragischer Held (Figur) steht vor einer Entscheidung,
mit der allein ein entstandener Konflikt zu lösen ist.
-
Nur lässt die
Grenzsituation,
in der er sich befindet, keine Entscheidung zu, die alles zum Positiven
wendet.
Hin- und hergerissen zwischen mindestens zwei einander gänzlich
ausschließenden Lösungsmöglichkeiten für den dramatischen Konflikt,
muss der tragische Held immer scheitern.
Ihm wird zum Schicksal,
was ihm längst ohnehin schon klar ist, auch wenn er sich nach Kräften
bemüht, der schicksalhaften Wendung des Geschehens zu entgehen.
Und das
Schicksal und seine treibenden Mächte behalten die Oberhand gegenüber
der vermeintlich autonomen Entscheidung des Menschen.
Und doch gewinnt der
Mensch in dieser Situation seine, wenn auch tragische Größe, in
der die grundsätzlichen Möglichkeiten menschlichen Sein und Handelns
aufgezeigt werden.
Auslöser eines tragischen Konfliktes
Was einen tragischen Konflikt auslöst, kann ganz verschieden
sein. Dafür in Frage kommen:
Die Instanzen, mit denen der tragische Held in Konflikt gerät,
können Götter, anonyme Mächte oder auch gesellschaftliche Verhältnisse
sein, die mit ihren Werten und Normen der autonomen Entwicklung des Helden
im Wege stehen (z.B. Ständeschranken, die die Liebesehe unterbinden
u. ä. m.)
Was macht eine tragische Dramenhandlung aus? - Grenzlinien der
tragischen Handlung
Jürgen
Söring
(1982, S.36) spricht dann von einer tragischen
Dramenhandlung, wenn die in ihr agierenden Figuren
mit einer gewissen Zwangsläufigkeit in ein Geschehen verwickelt werden,
das in die Katastrophe führt. Dabei verläuft seiner Ansicht nach
der tragische Prozess entlang von drei Grenzlinien:
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Dafür, dass sich das Geschehen tragisch entwickelt, trägt die Figur aber
auch eine Mitverantwortung und ist nicht bloßes Objekt des
Schicksals.
Daher müsse man das Geschehen dialektisch
verstehen: "Es wird sowohl durch verantwortliches Handeln der Figur als
auch durch Widerfahrnisse unberechenbarer Art bestimmt. Der tragische
Charakter dieses Vorgangs wird gesteigert, wenn eine paradoxe Gegenstrebigkeit zwischen Handeln und Widerfahren besteht, d.h. wenn sich
die katastrophalen Ereignisse jedem planenden Eingriff verschließen, aber
gerade durch das planende Vollbringen zurechenbarer Taten heraufbeschworen
werden, wie es in der Handlung des "König
Ödipus" von »Sophokles der Fall ist."
(Söring 1982,
S.36)
Die Grenzlinie zwischen Freiheit und Notwendigkeit
Der tragische Prozess verlaufe, so fährt
Söring
(1982, S.36) fort, "auf einer Grenzlinie zwischen
Freiheit und Notwendigkeit. Entfernt sich die Handlung von dieser
Grenzlinie, entweder weil dem Helden immer noch ein Ausweg aus der
Bedrängnis offen steht oder weil umgekehrt die gesellschaftlichen
Umstände oder seine psychische Verfassung ihm keine Wahl lassen, so liegt
keine tragische Handlung vor."
Die Grenzlinie zwischen Sinn und Sinnlosigkeit
Eine weitere Grenzlinie des tragischen Prozesses besteht für
Söring
(1982, S.36) " zwischen Sinn und Sinnlosigkeit. Auf der Ebene des
Orakels entspricht ja das Schicksal des Ödipus durchaus der Vorsehung,
wird es in den göttlichen Weltplan integriert. In den Augen des Helden,
die durch ihr Nichtwissen für die Vorsehung blind sind, muss es als
sinnlos erscheinen. Wäre ihm die Ordnung der Welt einsichtig und der
Wille der Götter bekannt, so wäre er keine tragische Figur."
Die Grenzlinie zwischen menschlicher Autonomie und göttlicher
Autorität
Die dritte Grenzlinie des tragischen Prozesses bestehe, so
Söring
(ebd.), zwischen menschlicher
Autonomie und göttlicher Autorität. Ödipus handle aufgrund eigenen
Wissens, aus eigenen Beweggründen, zu selbstgesetzten Zwecken, und
erfülle damit doch ein Verhängnis, das er nicht zu verantworten habe, wie
es göttlicher Autorität bzw. der Bestimmung der Schicksalsgöttin (moira)
entspringe. "Wo der Mensch sich der göttlichen Ordnung unterwirft, wo er
keine Anstalten trifft, dem im Orakel angezeigten Verhängnis zu
entkommen, aber ebenso dort, wo die menschliche Autonomie unbestritten ist
und religiöse Bedenken keine Rolle spielen, haben wir es nicht mit einer
tragischen Handlung zu tun." (ebd.) Gert Egle. zuletzt bearbeitet am:
19.12.2023
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