FÜNFTER AUFZUGSechster Auftritt
Die Vorigen. Maria. Sie ist weiß und festlich gekleidet, am Halse
trägt sie an einer Kette von kleinen Kugeln ein Agnus Dei, ein Rosenkranz
hängt am Gürtel herab, sie hat ein Kruzifix in der Hand und ein Diadem in
den Haaren, ihr großer schwarzer Schleier ist zurückgeschlagen. Bei ihrem
Eintritt weichen die Anwesenden zu bei den Seiten zurück und drücken den
heftigsten Schmerz aus. Melvil ist mit einer unwillkürlichen Bewegung auf
die Knie gesunken.
MARIA. (mit ruhiger Hoheit
im ganzen Kreise herum-
sehend). Was klagt ihr? Warum weint ihr? Freuen solltet
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Ihr euch mit mir, dass meiner Leiden Ziel
Nun endlich naht, dass meine Bande fallen,
Mein Kerker aufgeht und die frohe Seele sich
Auf Engelsflügeln schwingt zu ew'gen Freiheit.
Da, als ich in die Macht der stolzen Feindin
Gegeben war, Unwürdiges erduldend,
Was einer freien großen Königin
Nicht ziemt, da war es Zeit, um mich zu weinen!
- Wohltätig, heilend nahet mir der Tod,
Der ernste Freund! Mit seinen schwarzen Flügeln
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Bedeckt er meine Schmach - den Menschen adelt,
Den tiefstgesunkenen, das letzte Schicksal.
Die Krone fühl ich wieder auf dem Haupt,
Den würd'gen Stolz in meiner edeln Seele!
(Indem sie einige Schritte weiter vortritt.)
Wie? Melvil hier? - Nicht also, edler Sir!
Steht auf! Ihr seid zu Eurer Königin
Triumph, zu ihrem Tode nicht gekommen.
Mir wird ein Glück zuteil, wie ich es nimmer
Gehoffet, dass mein Nachruhm doch nicht ganz
In meiner Feinde Händen ist, dass doch
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Ein Freund mir, ein Bekenner meines Glaubens,
Als Zeuge dasteht in der Todesstunde.
- Sagt, edler Ritter! Wie erging es Euch
In diesem feindlichen, unholden Lande,
Seitdem man Euch von meiner Seite riss?
Die Sorg' um Euch hat oft mein Herz bekümmert.
MELVIL. Mich drückte
sonst kein Mangel als der Schmerz
Um dich, und meine Ohnmacht, dir zu dienen.
MARIA. Wie steht's um Didier,
meinen alten Kämmrer?
Doch der Getreue schläft wohl lange schon
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Den ew'gen Schlaf, denn er war hoch an Jahren.
MELVIL. Gott hat ihm diese
Gnade nicht erzeigt,
Er lebt, um deine Jugend zu begraben.
MARIA. Dass mir vor meinem Tode
noch das Glück
Geworden wäre, ein geliebtes Haupt
Der teuern Blutsverwandten zu umfassen!
Doch ich soll sterben unter Fremdlingen,
Nur eure Tränen soll ich fließen sehn!
- Melvil, die letzten Wünsche für die Meinen
Leg ich in Eure treue Brust - Ich segne
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Den allerchristlichsten König, meinen Schwager,
Und Frankreichs ganzes königliches Haus -
Ich segne meinen Öhm, den Kardinal,
Und Heinrich Guise, meinen edlen Vetter.
Ich segne auch den Papst, den heiligen
Statthalter Christi, der mich wieder segnet,
Und den kathol'schen König, der sich edelmütig
Zu meinem Retter, meinem Rächer anbot -
Sie alle stehn in meinem Testament,
Sie werden die Geschenke meiner Liebe,
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Wie arm sie sind, darum gering nicht achten.
(Sich zu ihren Dienern wendend.)
Euch hab ich meinem königlichen Bruder
Von Frankreich anempfohlen, er wird sorgen
Für euch, ein neues Vaterland euch geben.
Und ist euch meine letzte Bitte wert,
Bleibt nicht in England, dass der Brite nicht
Sein stolzen Herz an eurem Unglück weide,
Nicht
die im Staube seh', die mir gedient.
Bei diesem Bildnis des Gekreuzigten
Gelobet mir, dies unglücksel'ge Land
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Alsbald, wenn ich dahin bin, zu verlassen!
MELVIL. (berührt das
Kruzifix).
Ich schwöre dir's im Namen dieser aller.
MARIA. Was ich, die Arme, die
Beraubte, noch besaß,
Worüber mir vergönnt ist frei zu schalten,
Das hab ich unter euch verteilt; man wird,
Ich hoff es, meinen letzten Willen ehren.
Auch was ich auf dem Todeswege trage,
Gehöret euch - Vergönnet mir noch einmal
Der Erde Glanz auf meinem Weg zum Himmel!
(Zu den Fräulein.)
Dir, meine Alix, Gertrud, Rosamund,
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Bestimm' ich meine Perlen, meine Kleider,
Denn eure Jugend freut sich noch des Putzes.
Du, Margareta, hast das nächste Recht
An meine Großmut, denn ich lasse dich
Zurück als die Unglücklichste von allen.
Daß ich des Gatten Schuld an dir nicht räche,
Wird mein Vermächtnis offenbaren - Dich,
O meine treue Hanna, reizet nicht
Der Wert des Goldes, nicht der Steine Pracht,
Dir ist das höchtste Kleinod mein Gedächtnis.
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Nimm dieses Tuch! Ich hab's mit eigner Hand
Für dich gestickt in meines Kummers Stunden
Und meine heißen Tränen eingewoben.
Mit diesem Tuch wirst du die Augen mir verbinden,
Wenn es soweit ist - diesen letzten Dienst
Wünsch ich von meiner Hanna zu empfangen.
KENNEDY. O Melvil! Ich ertrag
es nicht!
MARIA.
Kommt alle!
Kommt und empfangt mein letztes Lebewohl.
(Sie reicht ihre Hände hin, eins nach dem andern fällt ihr
zu Füßen und küsst die dargebotne Hand unter heftigem
Weinen.)
Leb wohl, Margreta - Alix, lebe wohl -
Dank Bourgoyn, für Eure treuen Dienste -
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Dein Mund brennt heiß, Gertrude - Ich bin viel
Gehasset worden, doch auch viel geliebt!
Ein edler Mann beglücke meine Gertrud,
Denn Liebe fordert dieses glühnde Herz -
Berta! Du hast das bessre Teil erwählt,
Die keusche Braut des Himmels willst du werden!
O eile, dein Gelübde zu vollziehn!
Betrüglich sind die Güter dieser Erden,
Das lern an deiner Königin! - Nichts weiter!
Lebt wohl! Lebt wohl! Lebt ewig wohl!
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(Sie wendet sich schnell von ihnen, alle bis auf Melvil ent-
fernen sich.)