Sechster Auftritt
Mortimer zu den Vorigen.
KENNEDY. O Sir! Welch ein
Erfolg -
MORTIMER. Ich hörte alles.
(Gibt der Amme ein Zeichen, sich auf ihren Posten zu
begeben, und tritt näher. Sein ganzes Wesen drückt
eine heftige , leidenschaftliche Stimmung aus.)
Du hast gesiegt! Du tratst sie in den Staub,
Du warst die Königin,
sie der Verbrecher.
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Ich bin entzückt von deinem Mut, ich bete
Dich an; wie eine Göttin groß und herrlich
Erscheinst du mir in diesem Augenblick.
MARIA. Ihr spracht mit
Leicestern, überbrachtet ihm
Mein Schreiben, mein Geschenk - O redet, Sir!
MORTIMER. (mit glühenden
Blicken sie betrachtend).
Wie dich der edle königliche Zorn
Umglänzte, deine Reize mir verklärte!
Du bist das schönste Weib auf dieser Erde!
MARIA. Ich bitt Euch, Sir!
Stillt meine Ungeduld.
Was spricht Mylord? O sagt, was darf ich hoffen?
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MORTIMER. Wer? Er? das ist ein
Feiger, Elender!
Hofft nichts von ihm, verachtet ihn, vergesst ihn!
MARIA. Was sagt ihr?
MORTIMER.
Er Euch retten und besitzen!
Er Euch! Er soll es wagen! Er! Mit mir
Muss er auf Tod und Leben darum kämpfen!
MARIA. Ihr habt ihm meinen
Brief nicht übergeben?
- O dann ist's aus!
MORTIMER.
Der Feige liebt das Leben.
Wer dich will retten und die Seine nennen,
Der muss den Tod beherzt umarmen können.
MARIA. Er will nichts für mich
tun!
MORTIMER.
Nichts mehr von ihm! 2490
Was kann er tun, und was bedarf man sein?
Ich will dich retten, ich allein!
MARIA. Ach, was vermögt Ihr!
MORTIMER.
Täuschet Euch nicht mehr,
Als ob es noch wie gestern mit Euch stünde!
So wie die Königin jetzt von Euch ging,
Wie dies Gespräch sich wendete, ist alles
Verloren, jeder Gnadenwege gesperrt.
Der
Tat bedarf's jetzt, Kühnheit muss entscheiden,
Für alles werde alles frisch gewagt -
Frei müsst Ihr sein, noch eh' der Morgen tagt.
2500
MARIA. Was sprecht Ihr? diese
Nacht! Wie ist das möglich?
MORTIMER. Hört, was
beschlossen ist. Versammelt hab ich
In heimlicher Kapelle die Gefährten,
Ein Priester hörte unsre Beichte an,
Ablass ist uns erteilt für alle Schulden,
Die wir begingen, Ablass im voraus
Für alle, die wir noch begehen werden.
Das letzte Sakrament empfingen wir,
Und fertig sind wir zu der letzten Reise.
MARIA. O welche fürchterliche
Vorbereitung!
2510
MORTIMER. Dies Schloss
ersteigen wir in dieser Nacht,
Der Schlüssel bin ich mächtig. Wir ermorden
Die Hüter, reißen dich aus deiner Kammer
Gewaltsam; sterben muss von unsrer Hand,
Dass niemand überbleibe, der den Raub
Verraten könne, jede lebende Seele.
MARIA. Und Drury, Paulet, meine
Kerkermeister?
O eher werden sie ihr letztes Blut -
MORTIMER. Von meinem Dolche
fallen sie zuerst!
MARIA. Was? Euer Oheim, Euer
zweiter Vater?
2520
MORTIMER. Von meinen Händen
stirbt er. Ich ermord ihn.
MARIA. O blut'ger Frevel!
MORTIMER.
Alle Frevel sind
Vergeben im voraus. Ich kann das Ärgste
Begehen, und ich
will's.
MARIA.
O schrecklich, schrecklich!
MORTIMER. Und müsst' ich auch
die Königin durch bohren,
Ich hab es auf die Hostie geschworen.
MARIA. Nein, Mortimer! Eh' so
viel Blut um mich -
MORTIMER. Was ist mir alles
Leben gegen dich
Und meine Liebe! Mag der Welten Band
Sich lösen, eine zweite Wasserflut
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Hervorwogend alles Atmende verschlingen!
- Ich achte nichts mehr! Eh' ich dir entsage,
Eh' nahe sich das Ende aller Tage.
MARIA. (zurücktretend).
Gott! Welche Sprache, Sir, und - welche Blicke!
- Sie schrecken, sie verscheuchen mich.
MORTIMER. (mit irren Blicken
und im Ausdruck des
stillen Wahnsinns). Das Leben ist
Nur ein Moment, der Tod ist auch nur einer!
- Man schleife mich nach Tyburn, Glied für Glied
Zerreiße man mit glühnder Eisenzange,
(indem er heftig auf sie zugeht, mit ausgebreiteten
Armen) Wenn ich dich , Heißgeliebte, umfange -
MARIA. (zurücktretend).
Unsinniger, zurück -
MORTIMER.
An dieser Brust, 2540
Auf diesem Liebe atmenden Munde -
MARIA. Um Gottes willen, Sir!
Lasst mich hineingehn!
MORTIMER. Der ist ein Rasender,
der nicht das Glück
Festhält in unauflöslicher Umarmung,
Wenn es ein Gott in seine Hand gegeben.
Ich will dich retten, kost' es tausend Leben,
Ich rette dich, ich will es - doch so wahr
Gott lebt! ich schwör's, ich will dich auch besitzen.
MARIA. O will kein Gott, kein
Engel mich beschützen!
Furchtbares Schicksal! Grimmig schleuderst du
2550
Von einem Schrecknis mich dem andern zu.
Bin ich geboren, nur die Wut zu wecken?
Verschwört sich Hass und Liebe, mich zu schrecken?
MORTIMER. Ja, glühend, wie sie
hassen, lieb ich dich!
Sie wollen dich enthaupten, diesen Hals,
Den blendend weißen, mit dem Beil durchschneiden.
O weihe du dem Lebensgott der Freuden,
Was du dem Hasse blutig opfern musst.
Mit diesen Reizen, die nicht dein mehr sind,
Beselige den glücklichen Geliebten.
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Die schöne Locke, dieses seidne Haar,
Verfallen schon den finstern Todesmächten,
Gebrauch's, den Sklaven ewig zu umflechten!
MARIA. O welche Sprache muss
ich hören! Sir!
Mein Unglück sollt' Euch heilig sein, mein Leiden,
Wenn es mein königliches Haupt nicht ist.
MORTIMER. Die Krone ist von
deinem Haupt gefallen,
Du hast nichts mehr von ird'scher Majestät -
Versuch es, lass dein Herrscherwort erschallen,
Ob dir ein Freund, ein Retter aufersteht.
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Nichts blieb dir als die rührende Gestalt,
Der hohen Schönheit göttliche Gewalt,
Die lässt mich alles wagen und vermögen,
Die treibt dem Beil des Henkers mich entgegen -
MARIA. O wer errettet mich von
seiner Wut!
MORTIMER. Verwegner Dienst
belohnt sich auch verwegen!
Warum verspritzt der Tapfere sein Blut?
Ist Leben doch des Lebens höchstes Gut!
Ein Rasender, der es umsonst verschleudert!
Erst will ich ruhn an seiner wärmsten Brust -
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(Er preßt sie heftig an sich)
MARIA. O muss ich Hilfe rufen
gegen den Mann,
Der mein Erretter -
MORTIMER. Du bist nicht
gefühllos,
Nicht kalter Strenge klagt die Welt dich an,
Dich kann die heiße Liebesbitte rühren:
Du hast den Sänger Rizzio beglückt,
Und jener Bothwell durfte dich entführen.
MARIA. Vermessener!
MORTIMER.
Er war nur dein Tyrann!
Du zittertest vor ihm, da du ihn liebtest!
Wenn nur der Schrecken dich gewinnen kann,
Beim Gott der Hölle! -
MARIA.
Lasst mich! Raset Ihr?
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MORTIMER. Erzittern sollst du
auch vor mir!
KENNEDY. (hereinstürzend).
Man naht. Man kommt. Bewaffnet Volk erfüllt
Den ganzen Garten.
MORTIMER. (auffahrend und
zum Degen greifend).
Ich beschütze dich.
MARIA. O Hanna! Rette mich aus
seinen Händen!
Wo find ich Ärmste einen Zufluchtsort?
Zu welchem Heiligen soll ich mich wenden?
Hier ist Gewalt, und drinnen ist der Mord.
(Sie flieht dem Hause zu, Kennedy folgt.)