Karoline von Wolzogen verfasst auf Wunsch von
»Johann Friedrich
Cotta (1764-1832), dem langjährigen Freund Friedrich Schillers im Jahr 1828 eine
Biographie des Dichters. Selbst Schriftstellerin und Schiller als Schwägerin
nicht nur nahe verwandt, sondern auch mit ihm befreundet glaubt sie sich in
besonderer Weise dazu imstande, eine Biographie Schillers zu verfassen. Sie
schreibt dazu an J. F. Cotta: "Der Hauch der Liebe und Gemütlichkeit kann
nur aus einer Freundesseele wehen, tausend liebenswürdige Charakterzüge
konnten nur mir und meiner seligen Schwester bekannt sein. Durch die Briefe
unseres unsterblichen Freundes in den verschiedenen Perioden seines Lebens,
die sein ganzes Wesen darstellen, glaube ich wirklich mit diesem Werke dem
Publikum ein wichtiges Geschenk zu machen.“ Ihr Schreiben über Schiller ist,
wie sie einmal notiert, den "heitersten Momenten" vorbehalten, was nicht
ohne Auswirkung auf den Tenor der gesamten Lebensdarstellung geblieben ist.
Sie gestaltet ein ideales Schillerbild, das in die Schillerverehrung der
Zeit passt und den zeitgenössischen Publikumsgeschmack so gut trifft, dass
das 1830 veröffentlichte Werk einen für damalige Verhältnisse reißenden
Absatz findet und den Verleger veranlasst immer neue Auflagen herauszugeben.
So heißt es in einem Vorwort zu ihrer Biographie: "Und so behauptet neben
den großen Biographien von Hoffmeister, Schwab, Schäfer, Palleske, Wychgram,
Brahm, Mino, Weltrich und andern, welche eine Geschichte der
Geistesentwicklung und eine ästhetisch-kritische Würdigung der Werke
Schillers geben, dieses, aus einer hingebenden, begeisterten Frauenseele dem
Lieblingsdichter des deutschen Volks errichtete Denkmal seinen
unbestrittenen Wert." (aus:
www.Wissen-im-Netz.info,
15.02.07)
»Einleitung
Die Nachrichten von Schillers Leben, die der vertrauteste Freund des
unsterblichen Dichters den sämtlichen Werken desselben vorausschickte,
dienen folgenden Blättern zur Grundlage; ja, sie sind größtenteils wörtlich
in dieselben aufgenommen worden. Jenem Umriss sollten diese nur eine weitere
Ausführung geben.
In dem Nachlass meiner Schwester, der Witwe Schillers, fanden sich viele
Notizen über sein Leben, meistens Erinnerungen aus Gesprächen mit ihm,
welche sie selbst in ein Ganzes zu fassen gedachte, als sich manche ihr
unerfreuliche Äußerungen in das Publikum drängten. Diese Nachklänge der
Leibe, Erinnerungen aus Schillers Jugendzeit, von seiner ältern Schwester
mitgeteilt, Nachrichten an die siebzehn Jahre, die ich in innigster
Freundschaft mit ihm und größtenteils in seiner Nähe verlebte, lieferten
manche Züge zur Vollendung der Darstellung eines Lebens, das der Welt lieb
und wichtig geworden ist.
Wahrheit und Naivität geben allen Memoiren und Biographien an anziehendes
Leben. Wenn absichtliches Gestalten oder Verbergen der Umstände
hervorblickt, werden Lebensbeschreibungen zu einem kalten, toten Machwerk.
Wohl trägt jeder Maler eines Bildnisses etwas von seiner Individualität in
dasselbe über, und jeder Geist fasst die Form eines andern anders auf. Aber
mit der Selbsttäuschung des Darstellers finden wir uns leichter ab, und sein
Wahrseinwollen befreundet uns schon mit ihm.
Dieses Gefühl wünschte ich zu erzeugen. Wahrheit allein sollte mich leiten
im Entwurf und möglichst klare Einsicht in die Umgebung und die Zeit unsers
großen Dichters; das Kolorit der Billigkeit und Leibe wird Gleichfühlende
ansprechen.
Die unermessliche Lücke, die das Verschwinden seiner Persönlichkeit in den
Kreis der Freunde und der Familie riss, hielt sie lange im Abgrunde stummen
Schmerzes versenkt. Nur der allbeherrschende Genius ergoss sich in ernster,
männlicher Klage zu einem würdigen Totenopfer für den Freund. Dannecker,
Schillers Jugendfreund, sprach begeistert seinen Schmerz in der Bildung
seiner kolossalen Marmorbüste aus, die in Großartigkeit und zarter
Ausführung eines der merkwürdigsten Monumente deutscher Kunst bleiben wird.
Körners treue Freundeshand entwarf die Nachrichten von Schillers Leben.
Der Zeit tröstete die Seinen nicht; denn tief und wahr ist Schillers Wort:
„Das ist eine gemeine Seele, die eine Heilung annimmt von der Zeit;“ aber
sie lehrte uns mit dem Schmerz um seinen Verlust leben. Die Bilder der
schönen Vergangenheit mit ihm gingen über der trostlosen Öde, als wir ohne
ihn dastanden, auf, wie die ewigen Sterne durch das Dunkel umhüllender
Gewölke dringen; sie sind immer da und glänzen uns unerwartet an aus dem
nächtlichen Blau des Äthers. Diese Bilder, wie sie in meiner Seele leben,
auch andern darzustellen, war die Aufgabe, die ich mir machte.
Das deutsche Publikum, an dessen Herz sich seine Jugend warf und das sein
Vertrauen so schön rechtfertigte, empfange auch diese, Schillers Andenken
gewidmeten Blätter mit Liebe.
Karoline von Wolzogen, geborne von Lengefeld.«
(aus: Karoline von Wolzogen: Schillers Leben. Verfasst aus Erinnerungen der
Familie, seinen eigenen Briefen und den Nachrichten seines Freundes Körner,
Stuttgart und Tübingen: Cotta'scher Verlag 1845, S.V-VI ) -
Google Books -
pdf)
Biographische Autornotiz:
»»Karoline
von Wolzogen, geb. von Lengefeld (* 3. Februar 1763 in
Rudolstadt; † 11. Januar 1847 in Jena) dt. Schriftstellerin, Tochter
des Oberlandjägermeisters von Lengefeld am Hof von Rudolfstadt in Thüringen;
Schwester von Charlotte, der Ehefrau Friedrich Schillers (Heirat 1790)
Schwägerin Friedrich Schillers; wird mit 16 Jahren mit dem späteren Geheimen
Legationsrat von Beulwitz verlobt, den sie 1784 heiratet; 1794 Scheidung und
im gleichen Jahr Heirat mit Wilhelm von Wolzogen, dem geschiedenen Ehemann
von Schillers Gönnerin Henriette von Wolzogen aus Bauerbacher Tagen, der am
Hof in Sachsen-Weimar Kammerherr ist; seit 1797 wohnhaft in Weimar; dort
zahlreiche Kontakte zu Literaten und Philosophen der Zeit, denen ihr Haus zu
einem gern besuchten Treffpunkt wird; zu ihren Gästen zählen neben Friedrich
Schiller, mit dem sie gut befreundet ist, Goethe, Wieland, Fichte, Schelling
und Wilhelm von Humboldt; mehrere Schicksalsschläge wie der Tod Schillers
(1805) und der ihres Mannes (1809), der ihrer Schwester und der ihres
einzigen Sohnes August (1825), zieht sich Caroline von Wolzogen aus dem
gesellschaftlichen Leben Weimars zurück und zieht 1825 nach Jena; dort führt
sie bis zu ihrem Tod (1847) ein einsames, von schwärmerischer Religiosität
geprägtes Leben; bekanntestes Werk: Roman "Agnes von Lilien", der 1796/97 in
Schillers Zeitschrift "Die Horen" erscheint
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
22.10.2023